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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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Steuererlasse wurden insbesondere den rings im Lande angesessenen Schwieger¬
vätern des Herzogs zu Theil.

Das Heer der Beamten war ohne Zustimmung des Landtages gewachsen,
und man braucht sich bei der Vorliebe für das Militär gar nicht zu wundern,
woher die Fechtmeister, die Tanz- und Sprachmeister kamen, die Ernst August,
namentlich für die adliche Elitetruppe, angestellt hatte. Weimar sollte nach
seiner Ansicht bei dem gepflegten Militärstand und der Masse von Pferden, die
hier vorhanden waren, eine hohe Schule für deu Kavalier werden. Unumwunden
gab er einem der Ausschußlandtage zu erkennen, die prächtigen Reitbahnen
würden viele anlocken, Weimar als die eigentliche Bildungsstätte auf¬
zusuchen.

Nach allem ist es nicht wunderlich, daß auch die Liegenschaften der Va¬
sallen, wie überhaupt die Immobilien, in ihrem Werthe pro Mille auf
hundertfunfzig bis hundert Thaler gesunken waren.

Auch die Frage wie sich die Landschaft zu diesen Mißständen im Allge¬
meinen verhielt, ist nach ihrem Verhalten zu dem Grundübel des Landes, der
Militärfrage, kurz zu beantworten. Ihr Hauptgrundsatz war, nicht allzusehr
die Beschwerden zu häufen, da Lkrenissimus dieselben "gar nicht gern ver¬
nehme". So äußerte sich wenigstens noch manches Mitglied der Ständever-
sammlung, als ihnen Ernst August nicht mehr gegenüberstand. Als es sich da
um die Zusammenstellung der Landesbeschwerden handelte, brachte eine geschickte
Redaktion, ohne breit zu werden, mehr als hundert Paragraphen herans-
Eben darum biete" die landständischen Verhandlungen allein kein klares Bild
von der Lage des Landes. Vielmehr kann dies nur durch allseitiges Studium
der Quellen gewonnen werdem

Es ist nicht zu leugnen, daß auch Ernst August eine Masse von Anträgen
einbrachte, welche Hebung der Landeskultur beabsichtigten. Aber gestärkt wurde
dadurch doch nur die Allmacht des Polizeistaates. Und viele dieser Anträge
waren sicherlich mehr zum Zwecke der Hebung der Steuerkraft und deren Aus¬
nutzung für die militärischen Neigungen des Herzogs, als zur Beseitigung der
drückenden Mißstände eingebracht. Dahin gehört z. B. sein Antrag auf Bei¬
rath des Ausschusses, wie die Brandbeschädigten "soulagirt" und zum Aufbau
besserer Häuser "angefrischt" werden könnten; dahin gehören die Fragen über
die Vermeidung des Holzruins, die Hebung der Strumpfmanufaktur, die Ab¬
schaffung der Betrügereien bei der Accise und die Hebung des Brauwesens?
der Hebung des Brauwesens wurde vom Herzog das merkwürdige gesundheits¬
polizeiliche Motiv zu Grunde gelegt: "um den Durst zur Sommerzeit ohne
Lebensgefahr stillen zu können," Ebendahin ist zu rechnen das viele Jahre
lang unerledigte Steuerrevisionswerk und endlich alle die Maßnahmen, welche


Steuererlasse wurden insbesondere den rings im Lande angesessenen Schwieger¬
vätern des Herzogs zu Theil.

Das Heer der Beamten war ohne Zustimmung des Landtages gewachsen,
und man braucht sich bei der Vorliebe für das Militär gar nicht zu wundern,
woher die Fechtmeister, die Tanz- und Sprachmeister kamen, die Ernst August,
namentlich für die adliche Elitetruppe, angestellt hatte. Weimar sollte nach
seiner Ansicht bei dem gepflegten Militärstand und der Masse von Pferden, die
hier vorhanden waren, eine hohe Schule für deu Kavalier werden. Unumwunden
gab er einem der Ausschußlandtage zu erkennen, die prächtigen Reitbahnen
würden viele anlocken, Weimar als die eigentliche Bildungsstätte auf¬
zusuchen.

Nach allem ist es nicht wunderlich, daß auch die Liegenschaften der Va¬
sallen, wie überhaupt die Immobilien, in ihrem Werthe pro Mille auf
hundertfunfzig bis hundert Thaler gesunken waren.

Auch die Frage wie sich die Landschaft zu diesen Mißständen im Allge¬
meinen verhielt, ist nach ihrem Verhalten zu dem Grundübel des Landes, der
Militärfrage, kurz zu beantworten. Ihr Hauptgrundsatz war, nicht allzusehr
die Beschwerden zu häufen, da Lkrenissimus dieselben „gar nicht gern ver¬
nehme". So äußerte sich wenigstens noch manches Mitglied der Ständever-
sammlung, als ihnen Ernst August nicht mehr gegenüberstand. Als es sich da
um die Zusammenstellung der Landesbeschwerden handelte, brachte eine geschickte
Redaktion, ohne breit zu werden, mehr als hundert Paragraphen herans-
Eben darum biete» die landständischen Verhandlungen allein kein klares Bild
von der Lage des Landes. Vielmehr kann dies nur durch allseitiges Studium
der Quellen gewonnen werdem

Es ist nicht zu leugnen, daß auch Ernst August eine Masse von Anträgen
einbrachte, welche Hebung der Landeskultur beabsichtigten. Aber gestärkt wurde
dadurch doch nur die Allmacht des Polizeistaates. Und viele dieser Anträge
waren sicherlich mehr zum Zwecke der Hebung der Steuerkraft und deren Aus¬
nutzung für die militärischen Neigungen des Herzogs, als zur Beseitigung der
drückenden Mißstände eingebracht. Dahin gehört z. B. sein Antrag auf Bei¬
rath des Ausschusses, wie die Brandbeschädigten „soulagirt" und zum Aufbau
besserer Häuser „angefrischt" werden könnten; dahin gehören die Fragen über
die Vermeidung des Holzruins, die Hebung der Strumpfmanufaktur, die Ab¬
schaffung der Betrügereien bei der Accise und die Hebung des Brauwesens?
der Hebung des Brauwesens wurde vom Herzog das merkwürdige gesundheits¬
polizeiliche Motiv zu Grunde gelegt: „um den Durst zur Sommerzeit ohne
Lebensgefahr stillen zu können," Ebendahin ist zu rechnen das viele Jahre
lang unerledigte Steuerrevisionswerk und endlich alle die Maßnahmen, welche


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/98>, abgerufen am 26.06.2024.