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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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corps in Ungarn an, indem er hundertzwanzig Tolpatschen nach Weimar über¬
führte, die aber schon nach einem Jahre alle mit einander desertirt waren. --
Ein kleines Land wie Weimar, ohne bedeutende Erwerbsquellen, in der Kultur
durch schlechte Gesetze, falsche volkswirtschaftliche Prinzipien zurückgehalten,
die vom äußern Verkehr fast ganz abschnitten, mußte dies Unternehmen des
Herzogs unerträglich finden, weil er die besten Kräfte des Volkes unter die
Soldaten steckte. Wären diese im Lande geblieben, so hätte es weniger auf
sich gehabt; aber der Herzog führte die Söhne des Landes andern Mächten
zu. Das Land mußte für die Unterhaltung des Militärs aufkommen, und er
steckte die Subsidiengelder in seine Tasche. Der Widerwille in der Be¬
völkerung und selbst bei den mit dem Aushebungsgeschäft betrauten Civilbe¬
hörden zeigte sich schon darin, daß diesen für jeden "verdunkelten" Mann tausend
Thaler Strafe angesonnen werden mußten.

Von einem allgemeinen Landtage wäre vielleicht Hülfe zu erwarten ge¬
wesen. An dessen Berufung dachte aber deshalb Ernst August am wenigsten.
Die Ausschußtage wurden berufen, und, wie unten dargelegt werden wird,
mit allerhand Gesetzen und Verwaltungsangelegenheiten beschäftigt. Aber immer
lief die "Proposition" auf Geldbewilligung für das Militär hinaus, das die
Einkünfte des Landes bei Weitem verschlang. Nach den Vorlagen zu ur¬
theilen, stand es mit dein Lande immer ganz leidlich. "Gleichwohl sind die
Konjunkturen in der Welt", so heißt es wörtlich, "so delikat und uner-
forschlich und die Absicht der großen Potenzien so different, daß auch in den
größten Staatskabineten nichts Gewisses davon bekannt ist und jeder Landes¬
herr wohl Ursache hat, sich auf alle Fälle in solche Verfassung zu setzen, daß
alle Gefahren vom Lande abgewendet und Mittel ausfindig gemacht werden
müssen, um die bereits auf den Beinen stehende schöne Mannschaft zu unter¬
halten"!

Wie stand es gegenüber dieser immer wiederkehrenden Forderung mit den
Einnahmen und dem Etat des Landes überhaupt? Diese Frage beantworten
freilich selbst die Archive nicht deutlich. Denn meist finden sich die Geld¬
bedürfnisse für das kommende Jahr nur auf drei bis fünf Blättern flizzirt-
Voran stand das Militär mit den Besoldungen und Neubeschaffungen von
Monturen, dann kamen die Zinsen von den Passiver, und dann folgte in der
Regel ein mächtiges Kapitel "ins Gemein", in dem, bei Lichte besehen, wieder
Ausgaben für das Militär figurirten. Im Jahre 1730 wußte sich der Ausschuß'
tag einen wirklichen Einnahmeetat des Landes zu verschaffen, aus dem hervor¬
ging, daß die Ausgaben die Einnahmen schon um 23,377 Thaler überstiegen,
während der Herzog damals noch eine Nenforderung von 58,954 Thalern
allein für die Kavallerie einbrachte. Die außerordentlichen Steuern, die Accise


corps in Ungarn an, indem er hundertzwanzig Tolpatschen nach Weimar über¬
führte, die aber schon nach einem Jahre alle mit einander desertirt waren. —
Ein kleines Land wie Weimar, ohne bedeutende Erwerbsquellen, in der Kultur
durch schlechte Gesetze, falsche volkswirtschaftliche Prinzipien zurückgehalten,
die vom äußern Verkehr fast ganz abschnitten, mußte dies Unternehmen des
Herzogs unerträglich finden, weil er die besten Kräfte des Volkes unter die
Soldaten steckte. Wären diese im Lande geblieben, so hätte es weniger auf
sich gehabt; aber der Herzog führte die Söhne des Landes andern Mächten
zu. Das Land mußte für die Unterhaltung des Militärs aufkommen, und er
steckte die Subsidiengelder in seine Tasche. Der Widerwille in der Be¬
völkerung und selbst bei den mit dem Aushebungsgeschäft betrauten Civilbe¬
hörden zeigte sich schon darin, daß diesen für jeden „verdunkelten" Mann tausend
Thaler Strafe angesonnen werden mußten.

Von einem allgemeinen Landtage wäre vielleicht Hülfe zu erwarten ge¬
wesen. An dessen Berufung dachte aber deshalb Ernst August am wenigsten.
Die Ausschußtage wurden berufen, und, wie unten dargelegt werden wird,
mit allerhand Gesetzen und Verwaltungsangelegenheiten beschäftigt. Aber immer
lief die „Proposition" auf Geldbewilligung für das Militär hinaus, das die
Einkünfte des Landes bei Weitem verschlang. Nach den Vorlagen zu ur¬
theilen, stand es mit dein Lande immer ganz leidlich. „Gleichwohl sind die
Konjunkturen in der Welt", so heißt es wörtlich, „so delikat und uner-
forschlich und die Absicht der großen Potenzien so different, daß auch in den
größten Staatskabineten nichts Gewisses davon bekannt ist und jeder Landes¬
herr wohl Ursache hat, sich auf alle Fälle in solche Verfassung zu setzen, daß
alle Gefahren vom Lande abgewendet und Mittel ausfindig gemacht werden
müssen, um die bereits auf den Beinen stehende schöne Mannschaft zu unter¬
halten"!

Wie stand es gegenüber dieser immer wiederkehrenden Forderung mit den
Einnahmen und dem Etat des Landes überhaupt? Diese Frage beantworten
freilich selbst die Archive nicht deutlich. Denn meist finden sich die Geld¬
bedürfnisse für das kommende Jahr nur auf drei bis fünf Blättern flizzirt-
Voran stand das Militär mit den Besoldungen und Neubeschaffungen von
Monturen, dann kamen die Zinsen von den Passiver, und dann folgte in der
Regel ein mächtiges Kapitel „ins Gemein", in dem, bei Lichte besehen, wieder
Ausgaben für das Militär figurirten. Im Jahre 1730 wußte sich der Ausschuß'
tag einen wirklichen Einnahmeetat des Landes zu verschaffen, aus dem hervor¬
ging, daß die Ausgaben die Einnahmen schon um 23,377 Thaler überstiegen,
während der Herzog damals noch eine Nenforderung von 58,954 Thalern
allein für die Kavallerie einbrachte. Die außerordentlichen Steuern, die Accise


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/88>, abgerufen am 29.06.2024.