Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Allerdings war der Erstere auch von den Souveränitätsgelüsten seiner Zeit an¬
gekränkelt, und daß es schon während der Periode dieser Gesammtregieruug
nicht zum Aeußersten kommen konnte, dafür sorgten die "Jalousies": jeder der
Fürsten wollte eben sür den besten Regenten gelten und möglichst großes
väterliches Wohlwollen für das Land dokumentiren.

Das Behauptete erläutern wir an einem Beispiele aus dem Jahr 1727,
wo die beiden Herzöge einen Landtag beriefen, da, wie die Propositionsschrift
sagt, einer der grausamsten und blutigsten Kriege, die jemals zu besorgen ge¬
wesen, in Aussicht stehen würde. Gegenüber einem so welthistorischen Ereig¬
nisse mußte Weimar, dem damals bekanntlich noch Eisenach und Jena --
von dem Neustädter Kreise gar nicht zu reden -- abging, eminent gesattelt sein.
Es kam nur darauf an, die Kriegsbereitschaft auf eine dem Lande erträgliche
Weise zu ermöglichen. Die Jalousies und die die Harmonie störenden Ver¬
hältnisse unter den deutschen Mächten hatte der weimarische Herzog -- wenig¬
stens in seiner Denkschrift an seine getreuen Stände -- zur eignen Sicher¬
stellung vollständig aus dem Wege geräumt. Zum Wohle der Menschheit, Weimar
uwegriffen, fehlten nnr noch tausend Mann Militär, die inklusive der Pa¬
tronentaschen nur auf rund 76,632 Gulden auf ein Jahr zu stehen kommen
sollten. In rühmlicher Fürsorge für die Gesundheit dieser Krieger hatte man
pro Kopf einen Thaler bei der zu errichtenden Feldapotheke gerechnet, während
°le Flinten pro Stück nnr zwei Thaler sechzehn Groschen kosteten. Viel
werden diese nicht geleistet haben; aber es ist erstaunlich, daß damals ein
deutsches Heer verhältnißmäßig fo billig bewaffnet werden konnte. --

Wider alles Erwarten genehmigten die Landstände, trotz der drohenden
europäischen Verwickelungen, nur vierhundert Mann, da man den Präsenzstand
°on acht Kompagnien Landausschuß und der Garde, die wohl sechshundert
^um ausmachte, für ausreichend hielt, um das Jahrhundert in die Schranken
fordern. Als Wilhelm Ernst die Bewilligungsschrift der getreuen Stände
^utgegennahm, erklärte er sich zufrieden und ließ hinzusetzen: er müsse aller¬
dings gestehen, daß, wenn die tausend Mann von den getreuen Landständen
bewilligt worden wären, sie mit diesem Beschlusse am meisten die lieben Unter¬
thanen selbst "bekriegt" hätten. Er bat deshalb die tausend Mann nnr im
Falle einer Alliance zu genehmigen. --

Nach Wilhelm Ernsts Tode gelangte Ernst August zur alleinigen Re-
Wrung. Ein Fürst nicht ohne Verdienst, aber getragen von der unausrott¬
baren Eitelkeit, im Konzert der europäischen Mächte eine Rolle mitzuspielen,
vermehrte er das Militär in einer für das Land geradezu unerträglichen Weife,
und zwar durch kostspielige Neuformirung von Garden zu Fuß, Kavallerie
und Artillerieabteilungen. So warb er u. a. den Stamm für ein Husaren-


Allerdings war der Erstere auch von den Souveränitätsgelüsten seiner Zeit an¬
gekränkelt, und daß es schon während der Periode dieser Gesammtregieruug
nicht zum Aeußersten kommen konnte, dafür sorgten die „Jalousies": jeder der
Fürsten wollte eben sür den besten Regenten gelten und möglichst großes
väterliches Wohlwollen für das Land dokumentiren.

Das Behauptete erläutern wir an einem Beispiele aus dem Jahr 1727,
wo die beiden Herzöge einen Landtag beriefen, da, wie die Propositionsschrift
sagt, einer der grausamsten und blutigsten Kriege, die jemals zu besorgen ge¬
wesen, in Aussicht stehen würde. Gegenüber einem so welthistorischen Ereig¬
nisse mußte Weimar, dem damals bekanntlich noch Eisenach und Jena —
von dem Neustädter Kreise gar nicht zu reden — abging, eminent gesattelt sein.
Es kam nur darauf an, die Kriegsbereitschaft auf eine dem Lande erträgliche
Weise zu ermöglichen. Die Jalousies und die die Harmonie störenden Ver¬
hältnisse unter den deutschen Mächten hatte der weimarische Herzog — wenig¬
stens in seiner Denkschrift an seine getreuen Stände — zur eignen Sicher¬
stellung vollständig aus dem Wege geräumt. Zum Wohle der Menschheit, Weimar
uwegriffen, fehlten nnr noch tausend Mann Militär, die inklusive der Pa¬
tronentaschen nur auf rund 76,632 Gulden auf ein Jahr zu stehen kommen
sollten. In rühmlicher Fürsorge für die Gesundheit dieser Krieger hatte man
pro Kopf einen Thaler bei der zu errichtenden Feldapotheke gerechnet, während
°le Flinten pro Stück nnr zwei Thaler sechzehn Groschen kosteten. Viel
werden diese nicht geleistet haben; aber es ist erstaunlich, daß damals ein
deutsches Heer verhältnißmäßig fo billig bewaffnet werden konnte. —

Wider alles Erwarten genehmigten die Landstände, trotz der drohenden
europäischen Verwickelungen, nur vierhundert Mann, da man den Präsenzstand
°on acht Kompagnien Landausschuß und der Garde, die wohl sechshundert
^um ausmachte, für ausreichend hielt, um das Jahrhundert in die Schranken
fordern. Als Wilhelm Ernst die Bewilligungsschrift der getreuen Stände
^utgegennahm, erklärte er sich zufrieden und ließ hinzusetzen: er müsse aller¬
dings gestehen, daß, wenn die tausend Mann von den getreuen Landständen
bewilligt worden wären, sie mit diesem Beschlusse am meisten die lieben Unter¬
thanen selbst „bekriegt" hätten. Er bat deshalb die tausend Mann nnr im
Falle einer Alliance zu genehmigen. —

Nach Wilhelm Ernsts Tode gelangte Ernst August zur alleinigen Re-
Wrung. Ein Fürst nicht ohne Verdienst, aber getragen von der unausrott¬
baren Eitelkeit, im Konzert der europäischen Mächte eine Rolle mitzuspielen,
vermehrte er das Militär in einer für das Land geradezu unerträglichen Weife,
und zwar durch kostspielige Neuformirung von Garden zu Fuß, Kavallerie
und Artillerieabteilungen. So warb er u. a. den Stamm für ein Husaren-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0087" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/137788"/>
          <p xml:id="ID_199" prev="#ID_198"> Allerdings war der Erstere auch von den Souveränitätsgelüsten seiner Zeit an¬<lb/>
gekränkelt, und daß es schon während der Periode dieser Gesammtregieruug<lb/>
nicht zum Aeußersten kommen konnte, dafür sorgten die &#x201E;Jalousies": jeder der<lb/>
Fürsten wollte eben sür den besten Regenten gelten und möglichst großes<lb/>
väterliches Wohlwollen für das Land dokumentiren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_200"> Das Behauptete erläutern wir an einem Beispiele aus dem Jahr 1727,<lb/>
wo die beiden Herzöge einen Landtag beriefen, da, wie die Propositionsschrift<lb/>
sagt, einer der grausamsten und blutigsten Kriege, die jemals zu besorgen ge¬<lb/>
wesen, in Aussicht stehen würde. Gegenüber einem so welthistorischen Ereig¬<lb/>
nisse mußte Weimar, dem damals bekanntlich noch Eisenach und Jena &#x2014;<lb/>
von dem Neustädter Kreise gar nicht zu reden &#x2014; abging, eminent gesattelt sein.<lb/>
Es kam nur darauf an, die Kriegsbereitschaft auf eine dem Lande erträgliche<lb/>
Weise zu ermöglichen. Die Jalousies und die die Harmonie störenden Ver¬<lb/>
hältnisse unter den deutschen Mächten hatte der weimarische Herzog &#x2014; wenig¬<lb/>
stens in seiner Denkschrift an seine getreuen Stände &#x2014; zur eignen Sicher¬<lb/>
stellung vollständig aus dem Wege geräumt. Zum Wohle der Menschheit, Weimar<lb/>
uwegriffen, fehlten nnr noch tausend Mann Militär, die inklusive der Pa¬<lb/>
tronentaschen nur auf rund 76,632 Gulden auf ein Jahr zu stehen kommen<lb/>
sollten. In rühmlicher Fürsorge für die Gesundheit dieser Krieger hatte man<lb/>
pro Kopf einen Thaler bei der zu errichtenden Feldapotheke gerechnet, während<lb/>
°le Flinten pro Stück nnr zwei Thaler sechzehn Groschen kosteten. Viel<lb/>
werden diese nicht geleistet haben; aber es ist erstaunlich, daß damals ein<lb/>
deutsches Heer verhältnißmäßig fo billig bewaffnet werden konnte. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_201"> Wider alles Erwarten genehmigten die Landstände, trotz der drohenden<lb/>
europäischen Verwickelungen, nur vierhundert Mann, da man den Präsenzstand<lb/>
°on acht Kompagnien Landausschuß und der Garde, die wohl sechshundert<lb/>
^um ausmachte, für ausreichend hielt, um das Jahrhundert in die Schranken<lb/>
fordern. Als Wilhelm Ernst die Bewilligungsschrift der getreuen Stände<lb/>
^utgegennahm, erklärte er sich zufrieden und ließ hinzusetzen: er müsse aller¬<lb/>
dings gestehen, daß, wenn die tausend Mann von den getreuen Landständen<lb/>
bewilligt worden wären, sie mit diesem Beschlusse am meisten die lieben Unter¬<lb/>
thanen selbst &#x201E;bekriegt" hätten. Er bat deshalb die tausend Mann nnr im<lb/>
Falle einer Alliance zu genehmigen. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_202" next="#ID_203"> Nach Wilhelm Ernsts Tode gelangte Ernst August zur alleinigen Re-<lb/>
Wrung. Ein Fürst nicht ohne Verdienst, aber getragen von der unausrott¬<lb/>
baren Eitelkeit, im Konzert der europäischen Mächte eine Rolle mitzuspielen,<lb/>
vermehrte er das Militär in einer für das Land geradezu unerträglichen Weife,<lb/>
und zwar durch kostspielige Neuformirung von Garden zu Fuß, Kavallerie<lb/>
und Artillerieabteilungen.  So warb er u. a. den Stamm für ein Husaren-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0087] Allerdings war der Erstere auch von den Souveränitätsgelüsten seiner Zeit an¬ gekränkelt, und daß es schon während der Periode dieser Gesammtregieruug nicht zum Aeußersten kommen konnte, dafür sorgten die „Jalousies": jeder der Fürsten wollte eben sür den besten Regenten gelten und möglichst großes väterliches Wohlwollen für das Land dokumentiren. Das Behauptete erläutern wir an einem Beispiele aus dem Jahr 1727, wo die beiden Herzöge einen Landtag beriefen, da, wie die Propositionsschrift sagt, einer der grausamsten und blutigsten Kriege, die jemals zu besorgen ge¬ wesen, in Aussicht stehen würde. Gegenüber einem so welthistorischen Ereig¬ nisse mußte Weimar, dem damals bekanntlich noch Eisenach und Jena — von dem Neustädter Kreise gar nicht zu reden — abging, eminent gesattelt sein. Es kam nur darauf an, die Kriegsbereitschaft auf eine dem Lande erträgliche Weise zu ermöglichen. Die Jalousies und die die Harmonie störenden Ver¬ hältnisse unter den deutschen Mächten hatte der weimarische Herzog — wenig¬ stens in seiner Denkschrift an seine getreuen Stände — zur eignen Sicher¬ stellung vollständig aus dem Wege geräumt. Zum Wohle der Menschheit, Weimar uwegriffen, fehlten nnr noch tausend Mann Militär, die inklusive der Pa¬ tronentaschen nur auf rund 76,632 Gulden auf ein Jahr zu stehen kommen sollten. In rühmlicher Fürsorge für die Gesundheit dieser Krieger hatte man pro Kopf einen Thaler bei der zu errichtenden Feldapotheke gerechnet, während °le Flinten pro Stück nnr zwei Thaler sechzehn Groschen kosteten. Viel werden diese nicht geleistet haben; aber es ist erstaunlich, daß damals ein deutsches Heer verhältnißmäßig fo billig bewaffnet werden konnte. — Wider alles Erwarten genehmigten die Landstände, trotz der drohenden europäischen Verwickelungen, nur vierhundert Mann, da man den Präsenzstand °on acht Kompagnien Landausschuß und der Garde, die wohl sechshundert ^um ausmachte, für ausreichend hielt, um das Jahrhundert in die Schranken fordern. Als Wilhelm Ernst die Bewilligungsschrift der getreuen Stände ^utgegennahm, erklärte er sich zufrieden und ließ hinzusetzen: er müsse aller¬ dings gestehen, daß, wenn die tausend Mann von den getreuen Landständen bewilligt worden wären, sie mit diesem Beschlusse am meisten die lieben Unter¬ thanen selbst „bekriegt" hätten. Er bat deshalb die tausend Mann nnr im Falle einer Alliance zu genehmigen. — Nach Wilhelm Ernsts Tode gelangte Ernst August zur alleinigen Re- Wrung. Ein Fürst nicht ohne Verdienst, aber getragen von der unausrott¬ baren Eitelkeit, im Konzert der europäischen Mächte eine Rolle mitzuspielen, vermehrte er das Militär in einer für das Land geradezu unerträglichen Weife, und zwar durch kostspielige Neuformirung von Garden zu Fuß, Kavallerie und Artillerieabteilungen. So warb er u. a. den Stamm für ein Husaren-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/87
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/87>, abgerufen am 26.06.2024.