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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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Noch am Abend des 8. Februar reiste Knesebeck ab, beglaubigt dnrch
einen Brief des Königs, der das unbedingteste Vertraiien zu Rußland athmete
und die Unterschrift trug: "Ew. Majestät guter Bruder und Freund, und ich
Zögere nicht hinzuzilfügen, treuer Verbündeter." *) Gegenüber Se. Marsan er¬
klärte Hardenberg die Reise seines Bevollmächtigten mit dem Wunsche, die
Neutralität Schlesiens den Russen gegenüber zu sichern, konnte aber diesmal
selbst ihn nicht völlig täuschen.**)

In der That ging das preußische Kabinet, umwogt von der Begeisterung
seines Volkes, jetzt in rascherem Tempo vor. Am l2'. Februar ernannte ein
königlicher Tagesbefehl York zum Oberbefehlshaber der Truppen in Preußen
und Pommern, am 20. wies man ihn an, mit den Russen vereint gegen die
Oder vorzugehen. An Hcchfeld und Krusemark erging zugleich (13. Februar)
Weisung, eine Zahlung von mindestens siebenundvierzig Millionen Franes,
^e sofortige Räumung der Oderfestungen, Danzigs und Pillaus, sowie den
Nückzug der französischen Truppen hinter die Elbe zu fordern. Ging Napoleon
darauf ein (was niemand für denkbar hielt), dann war Preußen bereit, einen
Stillstand mit den Russen zu vermitteln. Das war das Ultimatum
Preußens. Und dies Gefühl hatte anch Se. Marsan, dem Hardenberg
^ einer Note vom 15. jene Instruktionen sammt dem Zusätze mit¬
theilte: nach Maßgabe der Antwort des Kaisers werde der König "seine
Weiteren Maßnahmen treffen." Denn er bemerkte, das werde sein Herr an-
^hen "als einen entscheidenden Schritt Preußens, um den Bund zu brechen";
'"an möge sich hüten, den Zorn des Kaisers zu reizen; er werde Mittel finden,
sich mit Rußland und Oesterreich ans Preußens Kosten zu verständigen.
wallte auch bei Hardenberg die lang unterdrückte Empfindung ans: der
^eng sei seinen Pflichten tren geblieben und wolle das auch ferner, aber
es zu können, müsse er Zahlungen von Frankreich erhalten, nicht blos
schöne Worte; solle Napoleon wirklich Preußen vernichten wollen, dann werde
^' in ihm ein zweites Spanien finden, und der König, umgeben von seinen
^enen Unterthanen, werde sich bis ans den letzten Blutstropfen vertheidige".
^°es in der Nacht berichtete Se. Marsan nach Paris: durch Zugestünduisse
könne man den König noch fesseln, durch das bisherige Verfahren werde man
'hu zum Abfall treiben.***) Und das schrieb ein Mann, der die tiefgehende
^ud^alle Kreise ergreifende Erregung täglich vor Augen sah!





"'an 1806 statt 1806 als Normaljahr festgestellt, erledigt sich durch die Betrachtung, daß
Wichen alle Abtretungen seit Ende 130S erst seit dem Tilsiter Frieden als definitive au-
t"h, Baillon 146.
*) Oncken 196.
**) Oncken 173.
*
**) Duncker 493. Oncken 174 f.

Noch am Abend des 8. Februar reiste Knesebeck ab, beglaubigt dnrch
einen Brief des Königs, der das unbedingteste Vertraiien zu Rußland athmete
und die Unterschrift trug: „Ew. Majestät guter Bruder und Freund, und ich
Zögere nicht hinzuzilfügen, treuer Verbündeter." *) Gegenüber Se. Marsan er¬
klärte Hardenberg die Reise seines Bevollmächtigten mit dem Wunsche, die
Neutralität Schlesiens den Russen gegenüber zu sichern, konnte aber diesmal
selbst ihn nicht völlig täuschen.**)

In der That ging das preußische Kabinet, umwogt von der Begeisterung
seines Volkes, jetzt in rascherem Tempo vor. Am l2'. Februar ernannte ein
königlicher Tagesbefehl York zum Oberbefehlshaber der Truppen in Preußen
und Pommern, am 20. wies man ihn an, mit den Russen vereint gegen die
Oder vorzugehen. An Hcchfeld und Krusemark erging zugleich (13. Februar)
Weisung, eine Zahlung von mindestens siebenundvierzig Millionen Franes,
^e sofortige Räumung der Oderfestungen, Danzigs und Pillaus, sowie den
Nückzug der französischen Truppen hinter die Elbe zu fordern. Ging Napoleon
darauf ein (was niemand für denkbar hielt), dann war Preußen bereit, einen
Stillstand mit den Russen zu vermitteln. Das war das Ultimatum
Preußens. Und dies Gefühl hatte anch Se. Marsan, dem Hardenberg
^ einer Note vom 15. jene Instruktionen sammt dem Zusätze mit¬
theilte: nach Maßgabe der Antwort des Kaisers werde der König „seine
Weiteren Maßnahmen treffen." Denn er bemerkte, das werde sein Herr an-
^hen „als einen entscheidenden Schritt Preußens, um den Bund zu brechen";
'"an möge sich hüten, den Zorn des Kaisers zu reizen; er werde Mittel finden,
sich mit Rußland und Oesterreich ans Preußens Kosten zu verständigen.
wallte auch bei Hardenberg die lang unterdrückte Empfindung ans: der
^eng sei seinen Pflichten tren geblieben und wolle das auch ferner, aber
es zu können, müsse er Zahlungen von Frankreich erhalten, nicht blos
schöne Worte; solle Napoleon wirklich Preußen vernichten wollen, dann werde
^' in ihm ein zweites Spanien finden, und der König, umgeben von seinen
^enen Unterthanen, werde sich bis ans den letzten Blutstropfen vertheidige».
^°es in der Nacht berichtete Se. Marsan nach Paris: durch Zugestünduisse
könne man den König noch fesseln, durch das bisherige Verfahren werde man
'hu zum Abfall treiben.***) Und das schrieb ein Mann, der die tiefgehende
^ud^alle Kreise ergreifende Erregung täglich vor Augen sah!





»'an 1806 statt 1806 als Normaljahr festgestellt, erledigt sich durch die Betrachtung, daß
Wichen alle Abtretungen seit Ende 130S erst seit dem Tilsiter Frieden als definitive au-
t"h, Baillon 146.
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**) Oncken 173.
*
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[0071] Noch am Abend des 8. Februar reiste Knesebeck ab, beglaubigt dnrch einen Brief des Königs, der das unbedingteste Vertraiien zu Rußland athmete und die Unterschrift trug: „Ew. Majestät guter Bruder und Freund, und ich Zögere nicht hinzuzilfügen, treuer Verbündeter." *) Gegenüber Se. Marsan er¬ klärte Hardenberg die Reise seines Bevollmächtigten mit dem Wunsche, die Neutralität Schlesiens den Russen gegenüber zu sichern, konnte aber diesmal selbst ihn nicht völlig täuschen.**) In der That ging das preußische Kabinet, umwogt von der Begeisterung seines Volkes, jetzt in rascherem Tempo vor. Am l2'. Februar ernannte ein königlicher Tagesbefehl York zum Oberbefehlshaber der Truppen in Preußen und Pommern, am 20. wies man ihn an, mit den Russen vereint gegen die Oder vorzugehen. An Hcchfeld und Krusemark erging zugleich (13. Februar) Weisung, eine Zahlung von mindestens siebenundvierzig Millionen Franes, ^e sofortige Räumung der Oderfestungen, Danzigs und Pillaus, sowie den Nückzug der französischen Truppen hinter die Elbe zu fordern. Ging Napoleon darauf ein (was niemand für denkbar hielt), dann war Preußen bereit, einen Stillstand mit den Russen zu vermitteln. Das war das Ultimatum Preußens. Und dies Gefühl hatte anch Se. Marsan, dem Hardenberg ^ einer Note vom 15. jene Instruktionen sammt dem Zusätze mit¬ theilte: nach Maßgabe der Antwort des Kaisers werde der König „seine Weiteren Maßnahmen treffen." Denn er bemerkte, das werde sein Herr an- ^hen „als einen entscheidenden Schritt Preußens, um den Bund zu brechen"; '"an möge sich hüten, den Zorn des Kaisers zu reizen; er werde Mittel finden, sich mit Rußland und Oesterreich ans Preußens Kosten zu verständigen. wallte auch bei Hardenberg die lang unterdrückte Empfindung ans: der ^eng sei seinen Pflichten tren geblieben und wolle das auch ferner, aber es zu können, müsse er Zahlungen von Frankreich erhalten, nicht blos schöne Worte; solle Napoleon wirklich Preußen vernichten wollen, dann werde ^' in ihm ein zweites Spanien finden, und der König, umgeben von seinen ^enen Unterthanen, werde sich bis ans den letzten Blutstropfen vertheidige». ^°es in der Nacht berichtete Se. Marsan nach Paris: durch Zugestünduisse könne man den König noch fesseln, durch das bisherige Verfahren werde man 'hu zum Abfall treiben.***) Und das schrieb ein Mann, der die tiefgehende ^ud^alle Kreise ergreifende Erregung täglich vor Augen sah! »'an 1806 statt 1806 als Normaljahr festgestellt, erledigt sich durch die Betrachtung, daß Wichen alle Abtretungen seit Ende 130S erst seit dem Tilsiter Frieden als definitive au- t"h, Baillon 146. *) Oncken 196. **) Oncken 173. * **) Duncker 493. Oncken 174 f.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/71>, abgerufen am 01.07.2024.