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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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Einvernehmen Preußens und Rußlands hinarbeitete, sollte er zugleich auf
nichts deu österreichischen Interessen Widriges sich einlassen, vielmehr darauf
bringen, daß Rußland sich prinzipiell für die österreichische Vermittlung er¬
kläre, unbeschadet seines möglichst raschen Vorgehens nach der Oder. Bezüglich
Ostpreußens sollte Stein vom russischen Kabinet Befehl erhalten, nichts gegen
die Autorität des Königs daselbst zuzulassen, und von Unterzeichnung des
Vertrages an die ganze Verwaltung der besetzten Landestheile in die Hände
der preußischen Behörden zu legen. Auch die Wiederherstellung Preußens
sollte Knesebeck insofern befördern, als er auf die sofortige Uebernahme des
preußischen Antheils am Herzogthum Warschau durch preußische Beamte zu
dringen hatte; dasselbe sollte nach Maßgabe der Umstände in deu altpreußischen
Landen jenseits der Elbe geschehen. An Rußland war höchstens der Strich
zwischen Njemen und Ostpreußen zuzugestehen. Dem entsprach ein Vertrags¬
entwurf, den Knesebeck seinen Unterhandlungen zu Grunde legen sollte.*) Der
Zweck des zu schließenden preußisch-russischem Bündnisses ist darnach die Er¬
langung einer dauerhaften Sicherheit für beide Staaten; mit dieser aber ver¬
trägt sich uicht die Herrschaft Frankreichs in Norddeutschland. Nach Maßgabe
des Erfolgs foll dieser Zweck ausgedehnt werden ans die Befreiung ganz
Deutschlands und Hollands, doch unter Mitwirkung Oesterreichs, Englands
und Schwedens. Rußland verpflichtet sich, den Krieg fortzuführen, bis Preußen
seinen Umfang von 1806, d. i. seine Besitzungen in Polen und Deutschland
mit Danzig, wieder erlaugt hat oder einen Ersatz für diese letzteren, vielleicht
eine Vergrößerung; Hannover bleibt dabei ausgenommen. Nach dem Frieden
soll Preußen den entscheidenden Einfluß im Norden Deutschlands erhalten.
Zur Verwirklichung dieser Zwecke stellt Rußland 150,000 Mann, Preußen
80,000 Mann, vermehrt sie aber nach Kräften. Ueber die Operationen soll
Einstimmigkeit erzielt werden, jedenfalls sollen die Russen am 15. April
zwischen Oder und Elbe stehen. Inzwischen beginnt Preußen seine Verhand¬
lungen mit Frankreich und Rußland nach dem Plane vom 26. Februar (siehe
oben). Der Vertrag bleibt zunächst geheim.

Mit voller Schärfe war also hier die Wiederherstellung Preußens in seinem
alten Besitzstande von 1806 in Polen wie in Deutschland ins Auge gefaßt
und eventuell eine Entschädigung für die deutschen Besitzungen berück¬
sichtigt, und wiederum kam man zurück auf die zu erstrebende Hegemonie
Preußens über den Norden Deutschlands.**)




*) Oncken 18K ff., bisher ganz unbekannt.
**) Diese einfache Revindikation aller altpreußischen Lande war zunächst das natür¬
lichste, und so trat man auch am besten den Bergrvßerungsplänen Rußlands entgegen, wa^
doch den preußischen Staatsmännern offenbar sehr am Herzen lag. -- Onckens Tadel, top

Einvernehmen Preußens und Rußlands hinarbeitete, sollte er zugleich auf
nichts deu österreichischen Interessen Widriges sich einlassen, vielmehr darauf
bringen, daß Rußland sich prinzipiell für die österreichische Vermittlung er¬
kläre, unbeschadet seines möglichst raschen Vorgehens nach der Oder. Bezüglich
Ostpreußens sollte Stein vom russischen Kabinet Befehl erhalten, nichts gegen
die Autorität des Königs daselbst zuzulassen, und von Unterzeichnung des
Vertrages an die ganze Verwaltung der besetzten Landestheile in die Hände
der preußischen Behörden zu legen. Auch die Wiederherstellung Preußens
sollte Knesebeck insofern befördern, als er auf die sofortige Uebernahme des
preußischen Antheils am Herzogthum Warschau durch preußische Beamte zu
dringen hatte; dasselbe sollte nach Maßgabe der Umstände in deu altpreußischen
Landen jenseits der Elbe geschehen. An Rußland war höchstens der Strich
zwischen Njemen und Ostpreußen zuzugestehen. Dem entsprach ein Vertrags¬
entwurf, den Knesebeck seinen Unterhandlungen zu Grunde legen sollte.*) Der
Zweck des zu schließenden preußisch-russischem Bündnisses ist darnach die Er¬
langung einer dauerhaften Sicherheit für beide Staaten; mit dieser aber ver¬
trägt sich uicht die Herrschaft Frankreichs in Norddeutschland. Nach Maßgabe
des Erfolgs foll dieser Zweck ausgedehnt werden ans die Befreiung ganz
Deutschlands und Hollands, doch unter Mitwirkung Oesterreichs, Englands
und Schwedens. Rußland verpflichtet sich, den Krieg fortzuführen, bis Preußen
seinen Umfang von 1806, d. i. seine Besitzungen in Polen und Deutschland
mit Danzig, wieder erlaugt hat oder einen Ersatz für diese letzteren, vielleicht
eine Vergrößerung; Hannover bleibt dabei ausgenommen. Nach dem Frieden
soll Preußen den entscheidenden Einfluß im Norden Deutschlands erhalten.
Zur Verwirklichung dieser Zwecke stellt Rußland 150,000 Mann, Preußen
80,000 Mann, vermehrt sie aber nach Kräften. Ueber die Operationen soll
Einstimmigkeit erzielt werden, jedenfalls sollen die Russen am 15. April
zwischen Oder und Elbe stehen. Inzwischen beginnt Preußen seine Verhand¬
lungen mit Frankreich und Rußland nach dem Plane vom 26. Februar (siehe
oben). Der Vertrag bleibt zunächst geheim.

Mit voller Schärfe war also hier die Wiederherstellung Preußens in seinem
alten Besitzstande von 1806 in Polen wie in Deutschland ins Auge gefaßt
und eventuell eine Entschädigung für die deutschen Besitzungen berück¬
sichtigt, und wiederum kam man zurück auf die zu erstrebende Hegemonie
Preußens über den Norden Deutschlands.**)




*) Oncken 18K ff., bisher ganz unbekannt.
**) Diese einfache Revindikation aller altpreußischen Lande war zunächst das natür¬
lichste, und so trat man auch am besten den Bergrvßerungsplänen Rußlands entgegen, wa^
doch den preußischen Staatsmännern offenbar sehr am Herzen lag. — Onckens Tadel, top
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/70>, abgerufen am 03.07.2024.