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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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zeltern ab*). Indem Metternich so nach allen Seiten seine Vermittlung ein¬
leitete, war Knesebecks Mission beendigt; am 3. Februar Abends langte er
mit jenen Schriftstücken in Breslau an**).

Bereits war ihm die entscheidende Sendung zu Kaiser Alexander zugedacht.
Ein Schreiben desselben (von Lyck, 21. Januar) hatte völlig beruhigt über
das Verfahren der Russen in Ostpreußen, das im Namen des Königs verwaltet
werde***), und war durch eiuen Brief des letzteren (29. Januar) beantwortet
worden f), Hardenberg aber verständigte Stein über die schwebenden Verhand¬
lungen fs). Am selben 3. Februar, an welchem Knesebeck zurückkehrte, hatte der
König den Aufruf zur Bildung freiwilliger Jägerdetachements unterzeichnet,
ließ ihn am 8. in Breslau (in der Neuen Schlesischen Zeitung, damals Regier¬
ungsorgan), am 9. in Berlin publizirenf-w: er war das Signal zu einer Er¬
hebung ohne Gleichen.

Woher aber dieser lange Zwischenraum zwischen der Unterzeichnung eines
Aktenstückes, dessen kriegerische Bedeutung jedem in die Augen sprang, und
seiner Veröffentlichung? In diese Tage fällt ein letztes Schwanken des Ent¬
schlusses. Noch drängten die Vertreter einer "besonnenen" Richtung sich an
den König heran: Ancillon überreichte am 4. Februar eine Denkschrift, befür¬
wortete darin einen Sonderfrieden zuerst mit Rußland, dann mit Frankreich,
bezeichnete als Preis desselben für Preußen den Besitz von Warschau und der
Elblinie mit Danzig und Magdeburg sammt kommerzieller Selbständigkeit, für
Nußland eine Erweiterung im Westen und Anerkennung seiner Erwerbungen
gegenüber Schweden und der Türkei. Er rechnete dabei mit lauter falschen
Prämissen, indem er auf Napoleons ganz unsichere Andeutungen bezüglich
Westfalens und Warschaus und aus Oesterreichs Haltung als eine unsichere,
ja eher Frankreich günstige, aufmerksam machte ^M)- Und wie konnte er an eine
Nachgiebigkeit Napoleons glauben! Was Knesebeck aus Wien mitbrachte, zer¬
störte die'Hauptgrundlage des luftigen Baues, scharf sprachen sich Hardenberg.
Knesebeck (in einer Denkschrift vom 6. Februar), Scharnhorst, Hacke dagegen
°us s1"i">-1-), und am 8. Februar publizirte die Neue Schlesische Zeitung den Aufruf.

Am selben Tage schrieb der Staatskanzler die Instruktion Knesebecks für
seine Sendung an den Zaren Indem der Bevollmächtigte auf das engste











*) a. a. O. 205 sf.
**) a. a. O. 161 f.
**
*) Eingegangen 27, Januar. Duncker 486. Droysen 4SS.
1) a. ni. O, Graf Brandenburg überbrachte ihn.
ff) Duncker 437, voni 1. Februar,
fff) Oncken I, 16".
ffff) Duncker 489. Ausführlich bei Oncken 164 sf.
fffff) Duncker 489. Oncken 167 f.
'
Hffff) Nach der Urschrift Hardenbergs bei Oncken 167 f.
Grenzboten II. 1877.

zeltern ab*). Indem Metternich so nach allen Seiten seine Vermittlung ein¬
leitete, war Knesebecks Mission beendigt; am 3. Februar Abends langte er
mit jenen Schriftstücken in Breslau an**).

Bereits war ihm die entscheidende Sendung zu Kaiser Alexander zugedacht.
Ein Schreiben desselben (von Lyck, 21. Januar) hatte völlig beruhigt über
das Verfahren der Russen in Ostpreußen, das im Namen des Königs verwaltet
werde***), und war durch eiuen Brief des letzteren (29. Januar) beantwortet
worden f), Hardenberg aber verständigte Stein über die schwebenden Verhand¬
lungen fs). Am selben 3. Februar, an welchem Knesebeck zurückkehrte, hatte der
König den Aufruf zur Bildung freiwilliger Jägerdetachements unterzeichnet,
ließ ihn am 8. in Breslau (in der Neuen Schlesischen Zeitung, damals Regier¬
ungsorgan), am 9. in Berlin publizirenf-w: er war das Signal zu einer Er¬
hebung ohne Gleichen.

Woher aber dieser lange Zwischenraum zwischen der Unterzeichnung eines
Aktenstückes, dessen kriegerische Bedeutung jedem in die Augen sprang, und
seiner Veröffentlichung? In diese Tage fällt ein letztes Schwanken des Ent¬
schlusses. Noch drängten die Vertreter einer „besonnenen" Richtung sich an
den König heran: Ancillon überreichte am 4. Februar eine Denkschrift, befür¬
wortete darin einen Sonderfrieden zuerst mit Rußland, dann mit Frankreich,
bezeichnete als Preis desselben für Preußen den Besitz von Warschau und der
Elblinie mit Danzig und Magdeburg sammt kommerzieller Selbständigkeit, für
Nußland eine Erweiterung im Westen und Anerkennung seiner Erwerbungen
gegenüber Schweden und der Türkei. Er rechnete dabei mit lauter falschen
Prämissen, indem er auf Napoleons ganz unsichere Andeutungen bezüglich
Westfalens und Warschaus und aus Oesterreichs Haltung als eine unsichere,
ja eher Frankreich günstige, aufmerksam machte ^M)- Und wie konnte er an eine
Nachgiebigkeit Napoleons glauben! Was Knesebeck aus Wien mitbrachte, zer¬
störte die'Hauptgrundlage des luftigen Baues, scharf sprachen sich Hardenberg.
Knesebeck (in einer Denkschrift vom 6. Februar), Scharnhorst, Hacke dagegen
°us s1"i">-1-), und am 8. Februar publizirte die Neue Schlesische Zeitung den Aufruf.

Am selben Tage schrieb der Staatskanzler die Instruktion Knesebecks für
seine Sendung an den Zaren Indem der Bevollmächtigte auf das engste











*) a. a. O. 205 sf.
**) a. a. O. 161 f.
**
*) Eingegangen 27, Januar. Duncker 486. Droysen 4SS.
1) a. ni. O, Graf Brandenburg überbrachte ihn.
ff) Duncker 437, voni 1. Februar,
fff) Oncken I, 16».
ffff) Duncker 489. Ausführlich bei Oncken 164 sf.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/69>, abgerufen am 22.07.2024.