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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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Sehen wir zum Schluß, was hiervon übrig geblieben ist*), und begeben
wir uns zu dem Zwecke zunächst nach dem ehemaligen Kurhessen.

An die fränkischen Weinlande nördlich und nordwestlich sich anschließend,
erlaubt das Kinzigthal von Gelnhausen bis Hanau auf 250 Hektaren einen
Weinbau, der einen Jahresertrag von durchschnittlich 2270 Hektoliter liefert.
Es ist ein leichter, in der Jngend nicht unangenehmer Weißwein, der hier aus
gemischtem Satze erzeugt wird, und der bei guter Behandlung haltbar ist.
Ju Gelnhausen findet man firme Weine von großem Reichthum an Geist und
Mark. Rothenbergen, Langenselbold, Langendiebach und Hanau heißen die
übrigen Weinbauorte dieses Gaus. Außerdem treibt noch die Stadt Witzen¬
hausen an der Werra einigen Weinbau, welcher sogar poetisch verherrlicht, aber
auch durch Erfindung der Nachrede verspottet wordeu ist, daß man Kindern,
die nicht in die Schule wollen, nnr mit einem Glase "Witzeuhanseuer Eifer"
drohen dürfe, um sie sofort gefügig zu macheu. In der östlichen Wetterau
endlich, die vom Kiuzigthale nur durch einen Bergrücken geschieden ist, liegt
die Großherzoglich Hessische Stadt Büdingen an der Nidda, welche gleichfalls
Weinbau treibt; die Produkte desselben stehen auf gleicher Stufe mit deu
kleine" Frankeuw einen.

Der heutige thüringische Weinbau umfaßt etwa tausend Hektaren, wovon
768 auf Preußen fallen; der Rest vertheilt sich auf Weimar, Meiningen,
Altenburg und Rudolstadt. Die Hauptgruppe der hier befindlichen Weinberge
streckt sich an der Saale von Kasia bis Weißenfels und an der untern Unstrut
hin. Dazu kommen einzelne Stellen bei Erfurt, Arnstadt, Fraukenhausen,
Hopfgarten und Sulza. Die besten Lagen sind: Freiburg, Zscheiplitz, Roßbach,
Jena, Cambnrg, Kösen und Naumburg. In guten Lagen und Jahren wird
bei Freiburg und Naumburg ein Wein erzeugt, der sich mit den besten süd¬
deutschen vierter Klasse recht wohl messen kann; insbesondere geräth der Roth¬
wein, dem indeß immer eine gewisse Herbigkeit und Mangel an Körper an¬
haften. Er geht jedoch viel nach Norddeutschland, obwohl es dort schwerlich
jemals vorgekommen sein wird, daß jemand "Naumvurger" auf der Weinkarte
gelesen hat. Die kleinen weißen Weine Thüringens rechtfertigen größentheils
noch hente den obigen lateinischen Vers Melanchthon's. Der Durchschnittser¬
trag beträgt selten mehr als 2,75 Hektoliter per Hektar, doch werden viele
Tafeltrauben verkauft. Das Hektoliter Wein gilt in guten Jahren 60 bis 72
Mark. Im Preußischen nimmt der Weinbau dieses Gebiets sichtbar ab: im
Jahre 1842 waren noch 905 Hektaren mit Neben bepflanzt, 1850 nur noch



*) Bergl, das Weinbuch von W Hamm, Leipzig, Verlag von I- I> Weber, 1874
S. 184--193.

Sehen wir zum Schluß, was hiervon übrig geblieben ist*), und begeben
wir uns zu dem Zwecke zunächst nach dem ehemaligen Kurhessen.

An die fränkischen Weinlande nördlich und nordwestlich sich anschließend,
erlaubt das Kinzigthal von Gelnhausen bis Hanau auf 250 Hektaren einen
Weinbau, der einen Jahresertrag von durchschnittlich 2270 Hektoliter liefert.
Es ist ein leichter, in der Jngend nicht unangenehmer Weißwein, der hier aus
gemischtem Satze erzeugt wird, und der bei guter Behandlung haltbar ist.
Ju Gelnhausen findet man firme Weine von großem Reichthum an Geist und
Mark. Rothenbergen, Langenselbold, Langendiebach und Hanau heißen die
übrigen Weinbauorte dieses Gaus. Außerdem treibt noch die Stadt Witzen¬
hausen an der Werra einigen Weinbau, welcher sogar poetisch verherrlicht, aber
auch durch Erfindung der Nachrede verspottet wordeu ist, daß man Kindern,
die nicht in die Schule wollen, nnr mit einem Glase „Witzeuhanseuer Eifer"
drohen dürfe, um sie sofort gefügig zu macheu. In der östlichen Wetterau
endlich, die vom Kiuzigthale nur durch einen Bergrücken geschieden ist, liegt
die Großherzoglich Hessische Stadt Büdingen an der Nidda, welche gleichfalls
Weinbau treibt; die Produkte desselben stehen auf gleicher Stufe mit deu
kleine» Frankeuw einen.

Der heutige thüringische Weinbau umfaßt etwa tausend Hektaren, wovon
768 auf Preußen fallen; der Rest vertheilt sich auf Weimar, Meiningen,
Altenburg und Rudolstadt. Die Hauptgruppe der hier befindlichen Weinberge
streckt sich an der Saale von Kasia bis Weißenfels und an der untern Unstrut
hin. Dazu kommen einzelne Stellen bei Erfurt, Arnstadt, Fraukenhausen,
Hopfgarten und Sulza. Die besten Lagen sind: Freiburg, Zscheiplitz, Roßbach,
Jena, Cambnrg, Kösen und Naumburg. In guten Lagen und Jahren wird
bei Freiburg und Naumburg ein Wein erzeugt, der sich mit den besten süd¬
deutschen vierter Klasse recht wohl messen kann; insbesondere geräth der Roth¬
wein, dem indeß immer eine gewisse Herbigkeit und Mangel an Körper an¬
haften. Er geht jedoch viel nach Norddeutschland, obwohl es dort schwerlich
jemals vorgekommen sein wird, daß jemand „Naumvurger" auf der Weinkarte
gelesen hat. Die kleinen weißen Weine Thüringens rechtfertigen größentheils
noch hente den obigen lateinischen Vers Melanchthon's. Der Durchschnittser¬
trag beträgt selten mehr als 2,75 Hektoliter per Hektar, doch werden viele
Tafeltrauben verkauft. Das Hektoliter Wein gilt in guten Jahren 60 bis 72
Mark. Im Preußischen nimmt der Weinbau dieses Gebiets sichtbar ab: im
Jahre 1842 waren noch 905 Hektaren mit Neben bepflanzt, 1850 nur noch



*) Bergl, das Weinbuch von W Hamm, Leipzig, Verlag von I- I> Weber, 1874
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[0513] Sehen wir zum Schluß, was hiervon übrig geblieben ist*), und begeben wir uns zu dem Zwecke zunächst nach dem ehemaligen Kurhessen. An die fränkischen Weinlande nördlich und nordwestlich sich anschließend, erlaubt das Kinzigthal von Gelnhausen bis Hanau auf 250 Hektaren einen Weinbau, der einen Jahresertrag von durchschnittlich 2270 Hektoliter liefert. Es ist ein leichter, in der Jngend nicht unangenehmer Weißwein, der hier aus gemischtem Satze erzeugt wird, und der bei guter Behandlung haltbar ist. Ju Gelnhausen findet man firme Weine von großem Reichthum an Geist und Mark. Rothenbergen, Langenselbold, Langendiebach und Hanau heißen die übrigen Weinbauorte dieses Gaus. Außerdem treibt noch die Stadt Witzen¬ hausen an der Werra einigen Weinbau, welcher sogar poetisch verherrlicht, aber auch durch Erfindung der Nachrede verspottet wordeu ist, daß man Kindern, die nicht in die Schule wollen, nnr mit einem Glase „Witzeuhanseuer Eifer" drohen dürfe, um sie sofort gefügig zu macheu. In der östlichen Wetterau endlich, die vom Kiuzigthale nur durch einen Bergrücken geschieden ist, liegt die Großherzoglich Hessische Stadt Büdingen an der Nidda, welche gleichfalls Weinbau treibt; die Produkte desselben stehen auf gleicher Stufe mit deu kleine» Frankeuw einen. Der heutige thüringische Weinbau umfaßt etwa tausend Hektaren, wovon 768 auf Preußen fallen; der Rest vertheilt sich auf Weimar, Meiningen, Altenburg und Rudolstadt. Die Hauptgruppe der hier befindlichen Weinberge streckt sich an der Saale von Kasia bis Weißenfels und an der untern Unstrut hin. Dazu kommen einzelne Stellen bei Erfurt, Arnstadt, Fraukenhausen, Hopfgarten und Sulza. Die besten Lagen sind: Freiburg, Zscheiplitz, Roßbach, Jena, Cambnrg, Kösen und Naumburg. In guten Lagen und Jahren wird bei Freiburg und Naumburg ein Wein erzeugt, der sich mit den besten süd¬ deutschen vierter Klasse recht wohl messen kann; insbesondere geräth der Roth¬ wein, dem indeß immer eine gewisse Herbigkeit und Mangel an Körper an¬ haften. Er geht jedoch viel nach Norddeutschland, obwohl es dort schwerlich jemals vorgekommen sein wird, daß jemand „Naumvurger" auf der Weinkarte gelesen hat. Die kleinen weißen Weine Thüringens rechtfertigen größentheils noch hente den obigen lateinischen Vers Melanchthon's. Der Durchschnittser¬ trag beträgt selten mehr als 2,75 Hektoliter per Hektar, doch werden viele Tafeltrauben verkauft. Das Hektoliter Wein gilt in guten Jahren 60 bis 72 Mark. Im Preußischen nimmt der Weinbau dieses Gebiets sichtbar ab: im Jahre 1842 waren noch 905 Hektaren mit Neben bepflanzt, 1850 nur noch *) Bergl, das Weinbuch von W Hamm, Leipzig, Verlag von I- I> Weber, 1874 S. 184—193.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/513>, abgerufen am 01.07.2024.