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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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Mit dem Konsulat auf Lebenszeit war die Zeit gekommen, auch dem In¬
stitut eine neue, an seine Vergangenheit anknüpfende Verfassung zu geben. Der
Titel "Institut n^tioiml" blieb bestehen. Statt der drei Klassen aber wurden
vier eingerichtet: eine für Mathematik und Naturwissenschaften, eine für die
französische Sprache nud Literatur, eine für die alten Sprachen und ihre
Literatur und eine für die schönen Kiinste. Die zweite Klasse glich auffällig
der alten französischen Akademie; sie hatte wieder 40 Mitglieder, und man
führte die lebenslängliche Dauer des Sekretariats und zuletzt sogar die Auf¬
nahmereden wieder ein. Endlich wurden die Vierzig mit der Weiterführung
des Wörterbuches und mit der Prüfung der wichtigsten historischen, literarischen
und fachwissenschaftlichen Werke in sprachlicher Beziehung beauftragt. Die
Wahlen für das neue Institut sollten nicht von der Körperschaft, sondern von
der Regierung ausgehe", doch hatte mau sich hierüber im Ganzen nicht sehr
zu beklagen, und namentlich die zweite Klasse sah viele Mitglieder der alten
Akademie in ihrer Mitte, Schlimmer war der Druck, den Napoleon, wenn
auch in rücksichtsvoller Weise, ans die Gesellschaft ausübte, die mit ihren
philosophische Ideen uicht zu seinen Grundsätzen paßte. So wollte dieselbe
nicht recht gedeihen, obwohl der Kaiser mit Unterstützung durch Preise und init
Gehalten nicht kargte. Die neue Schöpfung hatte ein mattes, unbestimmtes,
charakterloses Wesen, und sie war fast ebenso unproduktiv als zaghaft. Auf
die Eloge aber verstand mau sich ebensogut als die Vorgänger unter Ludwig
dem Vierzehnten. Frcuuzois de Neufchatean z. B. vergöttert den neuen
Augustus nud ruft begeistert aus: "Wem verdanken wir dieses literarische
Fest? Welcher Gott hat uus diese Muße geschaffen?" Und der alte
Bernardin de Se. Pierre feiert den "philosophischen Heros, der für das Kaiser¬
tum berufen war," mit dein Zuruf: "O Du, der als Weiser plant und als
Held vollführt, sei der Liebling der Sterblichen! . . . Alle Klassen des Insti¬
tuts werden Dich um die Wette preisen. Die Geographie wird Dir Gegenden
schildern, die Dn durcheilt hast, die Geschichte Deine Eroberungen feiern, die
Künste werden Dir Denkmale nennen, welche Dn Apollo, Minerva und dem
furchtbaren Gott des Krieges errichtet hast." Widerwärtig, uicht wahr? Aber
nehmen wir uns in Acht, zu verächtlich über diese Phrasen der französischen
Akademiker zu lächeln. Unsere deutschen Gelehrten haben wiederholt und bis
in die unmittelbarste Gegenwart herein mit gleicher Dienstwilligkeit und
Freigebigkeit das oratorische Weihrauchsfaß vor ihre" fürstlichen Gönnern
geschwungen.

Die Restauration ging mit der Wiederherstellung der ursprünglichen Ge¬
stalt der Akademie noch weiter als Napoleon. Durch ein Gesetz vom 2l. März
1816 erhielten die "Klassen" des Instituts wieder ihre alte Bezeichnung als


Mit dem Konsulat auf Lebenszeit war die Zeit gekommen, auch dem In¬
stitut eine neue, an seine Vergangenheit anknüpfende Verfassung zu geben. Der
Titel „Institut n^tioiml" blieb bestehen. Statt der drei Klassen aber wurden
vier eingerichtet: eine für Mathematik und Naturwissenschaften, eine für die
französische Sprache nud Literatur, eine für die alten Sprachen und ihre
Literatur und eine für die schönen Kiinste. Die zweite Klasse glich auffällig
der alten französischen Akademie; sie hatte wieder 40 Mitglieder, und man
führte die lebenslängliche Dauer des Sekretariats und zuletzt sogar die Auf¬
nahmereden wieder ein. Endlich wurden die Vierzig mit der Weiterführung
des Wörterbuches und mit der Prüfung der wichtigsten historischen, literarischen
und fachwissenschaftlichen Werke in sprachlicher Beziehung beauftragt. Die
Wahlen für das neue Institut sollten nicht von der Körperschaft, sondern von
der Regierung ausgehe», doch hatte mau sich hierüber im Ganzen nicht sehr
zu beklagen, und namentlich die zweite Klasse sah viele Mitglieder der alten
Akademie in ihrer Mitte, Schlimmer war der Druck, den Napoleon, wenn
auch in rücksichtsvoller Weise, ans die Gesellschaft ausübte, die mit ihren
philosophische Ideen uicht zu seinen Grundsätzen paßte. So wollte dieselbe
nicht recht gedeihen, obwohl der Kaiser mit Unterstützung durch Preise und init
Gehalten nicht kargte. Die neue Schöpfung hatte ein mattes, unbestimmtes,
charakterloses Wesen, und sie war fast ebenso unproduktiv als zaghaft. Auf
die Eloge aber verstand mau sich ebensogut als die Vorgänger unter Ludwig
dem Vierzehnten. Frcuuzois de Neufchatean z. B. vergöttert den neuen
Augustus nud ruft begeistert aus: „Wem verdanken wir dieses literarische
Fest? Welcher Gott hat uus diese Muße geschaffen?" Und der alte
Bernardin de Se. Pierre feiert den „philosophischen Heros, der für das Kaiser¬
tum berufen war," mit dein Zuruf: „O Du, der als Weiser plant und als
Held vollführt, sei der Liebling der Sterblichen! . . . Alle Klassen des Insti¬
tuts werden Dich um die Wette preisen. Die Geographie wird Dir Gegenden
schildern, die Dn durcheilt hast, die Geschichte Deine Eroberungen feiern, die
Künste werden Dir Denkmale nennen, welche Dn Apollo, Minerva und dem
furchtbaren Gott des Krieges errichtet hast." Widerwärtig, uicht wahr? Aber
nehmen wir uns in Acht, zu verächtlich über diese Phrasen der französischen
Akademiker zu lächeln. Unsere deutschen Gelehrten haben wiederholt und bis
in die unmittelbarste Gegenwart herein mit gleicher Dienstwilligkeit und
Freigebigkeit das oratorische Weihrauchsfaß vor ihre» fürstlichen Gönnern
geschwungen.

Die Restauration ging mit der Wiederherstellung der ursprünglichen Ge¬
stalt der Akademie noch weiter als Napoleon. Durch ein Gesetz vom 2l. März
1816 erhielten die „Klassen" des Instituts wieder ihre alte Bezeichnung als


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[0481] Mit dem Konsulat auf Lebenszeit war die Zeit gekommen, auch dem In¬ stitut eine neue, an seine Vergangenheit anknüpfende Verfassung zu geben. Der Titel „Institut n^tioiml" blieb bestehen. Statt der drei Klassen aber wurden vier eingerichtet: eine für Mathematik und Naturwissenschaften, eine für die französische Sprache nud Literatur, eine für die alten Sprachen und ihre Literatur und eine für die schönen Kiinste. Die zweite Klasse glich auffällig der alten französischen Akademie; sie hatte wieder 40 Mitglieder, und man führte die lebenslängliche Dauer des Sekretariats und zuletzt sogar die Auf¬ nahmereden wieder ein. Endlich wurden die Vierzig mit der Weiterführung des Wörterbuches und mit der Prüfung der wichtigsten historischen, literarischen und fachwissenschaftlichen Werke in sprachlicher Beziehung beauftragt. Die Wahlen für das neue Institut sollten nicht von der Körperschaft, sondern von der Regierung ausgehe», doch hatte mau sich hierüber im Ganzen nicht sehr zu beklagen, und namentlich die zweite Klasse sah viele Mitglieder der alten Akademie in ihrer Mitte, Schlimmer war der Druck, den Napoleon, wenn auch in rücksichtsvoller Weise, ans die Gesellschaft ausübte, die mit ihren philosophische Ideen uicht zu seinen Grundsätzen paßte. So wollte dieselbe nicht recht gedeihen, obwohl der Kaiser mit Unterstützung durch Preise und init Gehalten nicht kargte. Die neue Schöpfung hatte ein mattes, unbestimmtes, charakterloses Wesen, und sie war fast ebenso unproduktiv als zaghaft. Auf die Eloge aber verstand mau sich ebensogut als die Vorgänger unter Ludwig dem Vierzehnten. Frcuuzois de Neufchatean z. B. vergöttert den neuen Augustus nud ruft begeistert aus: „Wem verdanken wir dieses literarische Fest? Welcher Gott hat uus diese Muße geschaffen?" Und der alte Bernardin de Se. Pierre feiert den „philosophischen Heros, der für das Kaiser¬ tum berufen war," mit dein Zuruf: „O Du, der als Weiser plant und als Held vollführt, sei der Liebling der Sterblichen! . . . Alle Klassen des Insti¬ tuts werden Dich um die Wette preisen. Die Geographie wird Dir Gegenden schildern, die Dn durcheilt hast, die Geschichte Deine Eroberungen feiern, die Künste werden Dir Denkmale nennen, welche Dn Apollo, Minerva und dem furchtbaren Gott des Krieges errichtet hast." Widerwärtig, uicht wahr? Aber nehmen wir uns in Acht, zu verächtlich über diese Phrasen der französischen Akademiker zu lächeln. Unsere deutschen Gelehrten haben wiederholt und bis in die unmittelbarste Gegenwart herein mit gleicher Dienstwilligkeit und Freigebigkeit das oratorische Weihrauchsfaß vor ihre» fürstlichen Gönnern geschwungen. Die Restauration ging mit der Wiederherstellung der ursprünglichen Ge¬ stalt der Akademie noch weiter als Napoleon. Durch ein Gesetz vom 2l. März 1816 erhielten die „Klassen" des Instituts wieder ihre alte Bezeichnung als

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/481>, abgerufen am 01.10.2024.