Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

"Akademien" Die erste Stelle bekam die ^e-Mais lV^nhaiss, nach
ihr folgte die ^.eaäemiö ach inseriptions et dslles Isttres, auf diese die
^e^äciniö 6e8 soisness und dann die ^ekäömis clss Kög-ux-Arts. Die Fran¬
zösische Akademie erhielt ihre alte Verfassung zurück, nur durfte sie ihre Mit¬
glieder nicht selbst wählen, und die Regierung, welche dies sich vorbehalten,
oetroyirte bisweilen Persönlichkeiten, die ihr wegen ihrer Gesinnung verdienst¬
voller erschienen als dem Publikum, während elf frühere Mitglieder des Insti¬
tuts wegen ihrer politischen Vergangenheit von vornherein ausgeschlossen
wurden. Am 24. August 1816 fand die Einweihungssitzung der vereinigten
vier Akademien statt. Von da an bis 1824 führt die Akademie ein idyllisches
Stillleben. Durch die Wahlen jener Zeit werden fast nur Royalisten ausge¬
zeichnet. Die übliche akademische Schmeichelei müht sich vergeblich ab, Stoff
zu Vergötterungen zu finden. Unter Karl dem Zehnten dauerte dieses Vege-
tiren fort, bis ihr im Dezember 1826 das Preßgesetz des Ministers v. Peyronnet
Gelegenheit gab, im Bewußtsein, die Vertretung der Literatur und des ge-
sammten geistigen Lebens der Nation zu sein, gegen diese Vergewaltigung
des freien Gedankens vor dem Könige zu Protestiren. Von dieser Zeit an er¬
wacht das politische Leben in der Körperschaft wieder und drängt sie mehr und
mehr zur Opposition hin.

Unter der Julimonarchie begannen die erbitterten Kämpfe zwischen den
Klassizisten und den Romantikern, den "Mumien" und den "Wilden," die anch
in der Akademie schlimme Auftritte veranlaßten, zuletzt aber zur Zulassung der
Neuerer unter die unsterblichen Vierzig führten. Indeß mußten sie noch 1846
in der Person Alfred des Vigny's, den Mole, bei seiner Ansnahme in rücksichts¬
losester Weise behandelte, von den Klassizisten sich stachlige Reden und scharfe
Kritik gefallen lassen.

Fragen wir, was die Akademie geleistet hat, so ist nicht viel Günstiges
zu berichten. Ihre Hauptaufgabe war Anfangs gewesen, reinigend und leitend
auf die Sprache zu wirken. Das erste Mittel dazu war, wie wir sahen, die
Anfertigung eines Wörterbuchs, einer Vorrathskammer der einfachen Begriffs-
bezeichuungen und der gebräuchlichen Redewendungen. Der erste Entwurf in
Betreff des dabei zu beobachtenden Verfahrens, 1637 von Vaugelas und Chape-
lain eingereicht, läßt wenig zu wünschen übrig. Nach ihm sollte zuerst eine
Anzahl von Schriftwerken ausgewählt werden, die sich dnrch schönem Stil und
reine Sprache auszeichneten. Jedem Mitgliede der Akademie sollte einer von
diesen Schriftstellern zugetheilt und von ihm ein Auszug der Worte und
Wendungen gemacht werden. Nur die technische"? Ausdrücke der Künste und
Gewerbe und die Eigennamen der Städte, Berge, Meere und Flüsse sollten
unberücksichtigt bleiben. Im Einzelnen wollte man besonders die langen und


„Akademien" Die erste Stelle bekam die ^e-Mais lV^nhaiss, nach
ihr folgte die ^.eaäemiö ach inseriptions et dslles Isttres, auf diese die
^e^äciniö 6e8 soisness und dann die ^ekäömis clss Kög-ux-Arts. Die Fran¬
zösische Akademie erhielt ihre alte Verfassung zurück, nur durfte sie ihre Mit¬
glieder nicht selbst wählen, und die Regierung, welche dies sich vorbehalten,
oetroyirte bisweilen Persönlichkeiten, die ihr wegen ihrer Gesinnung verdienst¬
voller erschienen als dem Publikum, während elf frühere Mitglieder des Insti¬
tuts wegen ihrer politischen Vergangenheit von vornherein ausgeschlossen
wurden. Am 24. August 1816 fand die Einweihungssitzung der vereinigten
vier Akademien statt. Von da an bis 1824 führt die Akademie ein idyllisches
Stillleben. Durch die Wahlen jener Zeit werden fast nur Royalisten ausge¬
zeichnet. Die übliche akademische Schmeichelei müht sich vergeblich ab, Stoff
zu Vergötterungen zu finden. Unter Karl dem Zehnten dauerte dieses Vege-
tiren fort, bis ihr im Dezember 1826 das Preßgesetz des Ministers v. Peyronnet
Gelegenheit gab, im Bewußtsein, die Vertretung der Literatur und des ge-
sammten geistigen Lebens der Nation zu sein, gegen diese Vergewaltigung
des freien Gedankens vor dem Könige zu Protestiren. Von dieser Zeit an er¬
wacht das politische Leben in der Körperschaft wieder und drängt sie mehr und
mehr zur Opposition hin.

Unter der Julimonarchie begannen die erbitterten Kämpfe zwischen den
Klassizisten und den Romantikern, den „Mumien" und den „Wilden," die anch
in der Akademie schlimme Auftritte veranlaßten, zuletzt aber zur Zulassung der
Neuerer unter die unsterblichen Vierzig führten. Indeß mußten sie noch 1846
in der Person Alfred des Vigny's, den Mole, bei seiner Ansnahme in rücksichts¬
losester Weise behandelte, von den Klassizisten sich stachlige Reden und scharfe
Kritik gefallen lassen.

Fragen wir, was die Akademie geleistet hat, so ist nicht viel Günstiges
zu berichten. Ihre Hauptaufgabe war Anfangs gewesen, reinigend und leitend
auf die Sprache zu wirken. Das erste Mittel dazu war, wie wir sahen, die
Anfertigung eines Wörterbuchs, einer Vorrathskammer der einfachen Begriffs-
bezeichuungen und der gebräuchlichen Redewendungen. Der erste Entwurf in
Betreff des dabei zu beobachtenden Verfahrens, 1637 von Vaugelas und Chape-
lain eingereicht, läßt wenig zu wünschen übrig. Nach ihm sollte zuerst eine
Anzahl von Schriftwerken ausgewählt werden, die sich dnrch schönem Stil und
reine Sprache auszeichneten. Jedem Mitgliede der Akademie sollte einer von
diesen Schriftstellern zugetheilt und von ihm ein Auszug der Worte und
Wendungen gemacht werden. Nur die technische«? Ausdrücke der Künste und
Gewerbe und die Eigennamen der Städte, Berge, Meere und Flüsse sollten
unberücksichtigt bleiben. Im Einzelnen wollte man besonders die langen und


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0482" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/138183"/>
          <p xml:id="ID_1378" prev="#ID_1377"> &#x201E;Akademien" Die erste Stelle bekam die ^e-Mais lV^nhaiss, nach<lb/>
ihr folgte die ^.eaäemiö ach inseriptions et dslles Isttres, auf diese die<lb/>
^e^äciniö 6e8 soisness und dann die ^ekäömis clss Kög-ux-Arts. Die Fran¬<lb/>
zösische Akademie erhielt ihre alte Verfassung zurück, nur durfte sie ihre Mit¬<lb/>
glieder nicht selbst wählen, und die Regierung, welche dies sich vorbehalten,<lb/>
oetroyirte bisweilen Persönlichkeiten, die ihr wegen ihrer Gesinnung verdienst¬<lb/>
voller erschienen als dem Publikum, während elf frühere Mitglieder des Insti¬<lb/>
tuts wegen ihrer politischen Vergangenheit von vornherein ausgeschlossen<lb/>
wurden. Am 24. August 1816 fand die Einweihungssitzung der vereinigten<lb/>
vier Akademien statt. Von da an bis 1824 führt die Akademie ein idyllisches<lb/>
Stillleben. Durch die Wahlen jener Zeit werden fast nur Royalisten ausge¬<lb/>
zeichnet. Die übliche akademische Schmeichelei müht sich vergeblich ab, Stoff<lb/>
zu Vergötterungen zu finden. Unter Karl dem Zehnten dauerte dieses Vege-<lb/>
tiren fort, bis ihr im Dezember 1826 das Preßgesetz des Ministers v. Peyronnet<lb/>
Gelegenheit gab, im Bewußtsein, die Vertretung der Literatur und des ge-<lb/>
sammten geistigen Lebens der Nation zu sein, gegen diese Vergewaltigung<lb/>
des freien Gedankens vor dem Könige zu Protestiren. Von dieser Zeit an er¬<lb/>
wacht das politische Leben in der Körperschaft wieder und drängt sie mehr und<lb/>
mehr zur Opposition hin.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1379"> Unter der Julimonarchie begannen die erbitterten Kämpfe zwischen den<lb/>
Klassizisten und den Romantikern, den &#x201E;Mumien" und den &#x201E;Wilden," die anch<lb/>
in der Akademie schlimme Auftritte veranlaßten, zuletzt aber zur Zulassung der<lb/>
Neuerer unter die unsterblichen Vierzig führten. Indeß mußten sie noch 1846<lb/>
in der Person Alfred des Vigny's, den Mole, bei seiner Ansnahme in rücksichts¬<lb/>
losester Weise behandelte, von den Klassizisten sich stachlige Reden und scharfe<lb/>
Kritik gefallen lassen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1380" next="#ID_1381"> Fragen wir, was die Akademie geleistet hat, so ist nicht viel Günstiges<lb/>
zu berichten. Ihre Hauptaufgabe war Anfangs gewesen, reinigend und leitend<lb/>
auf die Sprache zu wirken. Das erste Mittel dazu war, wie wir sahen, die<lb/>
Anfertigung eines Wörterbuchs, einer Vorrathskammer der einfachen Begriffs-<lb/>
bezeichuungen und der gebräuchlichen Redewendungen. Der erste Entwurf in<lb/>
Betreff des dabei zu beobachtenden Verfahrens, 1637 von Vaugelas und Chape-<lb/>
lain eingereicht, läßt wenig zu wünschen übrig. Nach ihm sollte zuerst eine<lb/>
Anzahl von Schriftwerken ausgewählt werden, die sich dnrch schönem Stil und<lb/>
reine Sprache auszeichneten. Jedem Mitgliede der Akademie sollte einer von<lb/>
diesen Schriftstellern zugetheilt und von ihm ein Auszug der Worte und<lb/>
Wendungen gemacht werden. Nur die technische«? Ausdrücke der Künste und<lb/>
Gewerbe und die Eigennamen der Städte, Berge, Meere und Flüsse sollten<lb/>
unberücksichtigt bleiben.  Im Einzelnen wollte man besonders die langen und</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0482] „Akademien" Die erste Stelle bekam die ^e-Mais lV^nhaiss, nach ihr folgte die ^.eaäemiö ach inseriptions et dslles Isttres, auf diese die ^e^äciniö 6e8 soisness und dann die ^ekäömis clss Kög-ux-Arts. Die Fran¬ zösische Akademie erhielt ihre alte Verfassung zurück, nur durfte sie ihre Mit¬ glieder nicht selbst wählen, und die Regierung, welche dies sich vorbehalten, oetroyirte bisweilen Persönlichkeiten, die ihr wegen ihrer Gesinnung verdienst¬ voller erschienen als dem Publikum, während elf frühere Mitglieder des Insti¬ tuts wegen ihrer politischen Vergangenheit von vornherein ausgeschlossen wurden. Am 24. August 1816 fand die Einweihungssitzung der vereinigten vier Akademien statt. Von da an bis 1824 führt die Akademie ein idyllisches Stillleben. Durch die Wahlen jener Zeit werden fast nur Royalisten ausge¬ zeichnet. Die übliche akademische Schmeichelei müht sich vergeblich ab, Stoff zu Vergötterungen zu finden. Unter Karl dem Zehnten dauerte dieses Vege- tiren fort, bis ihr im Dezember 1826 das Preßgesetz des Ministers v. Peyronnet Gelegenheit gab, im Bewußtsein, die Vertretung der Literatur und des ge- sammten geistigen Lebens der Nation zu sein, gegen diese Vergewaltigung des freien Gedankens vor dem Könige zu Protestiren. Von dieser Zeit an er¬ wacht das politische Leben in der Körperschaft wieder und drängt sie mehr und mehr zur Opposition hin. Unter der Julimonarchie begannen die erbitterten Kämpfe zwischen den Klassizisten und den Romantikern, den „Mumien" und den „Wilden," die anch in der Akademie schlimme Auftritte veranlaßten, zuletzt aber zur Zulassung der Neuerer unter die unsterblichen Vierzig führten. Indeß mußten sie noch 1846 in der Person Alfred des Vigny's, den Mole, bei seiner Ansnahme in rücksichts¬ losester Weise behandelte, von den Klassizisten sich stachlige Reden und scharfe Kritik gefallen lassen. Fragen wir, was die Akademie geleistet hat, so ist nicht viel Günstiges zu berichten. Ihre Hauptaufgabe war Anfangs gewesen, reinigend und leitend auf die Sprache zu wirken. Das erste Mittel dazu war, wie wir sahen, die Anfertigung eines Wörterbuchs, einer Vorrathskammer der einfachen Begriffs- bezeichuungen und der gebräuchlichen Redewendungen. Der erste Entwurf in Betreff des dabei zu beobachtenden Verfahrens, 1637 von Vaugelas und Chape- lain eingereicht, läßt wenig zu wünschen übrig. Nach ihm sollte zuerst eine Anzahl von Schriftwerken ausgewählt werden, die sich dnrch schönem Stil und reine Sprache auszeichneten. Jedem Mitgliede der Akademie sollte einer von diesen Schriftstellern zugetheilt und von ihm ein Auszug der Worte und Wendungen gemacht werden. Nur die technische«? Ausdrücke der Künste und Gewerbe und die Eigennamen der Städte, Berge, Meere und Flüsse sollten unberücksichtigt bleiben. Im Einzelnen wollte man besonders die langen und

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/482
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/482>, abgerufen am 01.07.2024.