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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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rechnen können, zeugt doch vom Sinn für gründlichere Studien die Thatsache,
daß die Bücherverlagsnnternehmungen der Akademie und der naturwissenschaft¬
lichen Gesellschaft, durch welche vorzügliche Werke des Auslandes in ungarischer
Uebersetzung herausgegeben werden, etwa anderthalbtausend ständige Pränume-
ranten zählen.

Die erste ungarisch geschriebene Zeitung erschien 1780 in Preßburg. 1830
gab es deren zehn, 1849 schon achtzig, eine Zahl, die unter der eingetretnen
Reaktion auf neun sank, aber nach Wiederherstellung der Verfassung im Jahre
1867 sofort die frühere Höhe wieder erreichte. Gegenwärtig zählt Ungarn
allein in der Hauptstadt 128 und in den Provinzen 139 Zeitungen und Zeit¬
schriften in magyarischer Sprache, unter denen sich 17 politische Tagesblätter,
25 Kirchen- und Schulzeitungen, 53 Fachblätter und ebensoviel" periodische
Zeitschriften befinden. Daneben kommen in Ungarn und Siebenbürgen 85
deutsche, 42 slawische, 13 rumänische, 4 italienische, 1 französische und 1 hebräische
Zeitung heraus.

Bei allen Völkern ist die höhere Kultur mit der Blüthe der Künste Hand
in Hand gegangen. Diese aber ist bedingt durch Unterstützung von Seiten der
Kirche, des Staates und der Einzelnen. In Ungarn waren diese Vor¬
bedingungen bisher nur in sehr beschränktem Maße vorhanden. Darum steht
auch das Kunstleben hier anf keiner hohen Stufe der Entwickelung. Doch
hat die Regierung seit 1867 auch in dieser Hinsicht Mancherlei gethan. Es
wurde u. A. ein Lcmdesrath für bildende Künste eingesetzt, man schickte begabte
junge Leute ins Ausland, ertheilte Malern und Bildhauern Auftrüge und
richtete 1871 die Landes-Musterzeichenschule ein, welche berufen ist, an die
Stelle einer Akademie der bildenden Künste zu treten, das Aufblühen der
höheren Kunstindustrie durch zweckentsprechenden Fachunterricht zu fördern und
Zeichenlehrer zu bilden. Im letztvergaugnen Jahre wirkten an ihr neun Lehrer,
und die Zahl der Zöglinge betrug 119, darunter 12 weibliche. Im Jahre
1839 entstand ferner der Kunstverein, der in manchem der folgenden Jahre
bis zu dreißigtausend Gulden auf Anschaffung von Gemälden verwenden konnte.
Neben denselben trat 1861 der ungarische Verein für bildende Künste, der
1869 mit jenem verschmolz. Die beiden Vereine besaßen im Jahre 1876 ein
Vermögen von 278,607 Gulden und zählten 850 Mitglieder, welche jedes jähr¬
lich zehn Gulden Beitrag entrichteten. Die Lokalitäten befinden sich gegenwärtig
noch im Akademiepalaste, aber in einigen Monaten wird den Verein das in¬
zwischen an der neuen Radialstraße erbaute prachtvolle Künstlerhaus aufnehmen.
Schließlich verdient noch Erwähnung, daß man im Begriff steht, auf öffent¬
lichen Plätzen der Hauptstadt die Statuen des Grafen Stephan Szechenyi, des
Barons Joseph Eötvös und des Dichters Petöfi aufzustellen, und daß auf


rechnen können, zeugt doch vom Sinn für gründlichere Studien die Thatsache,
daß die Bücherverlagsnnternehmungen der Akademie und der naturwissenschaft¬
lichen Gesellschaft, durch welche vorzügliche Werke des Auslandes in ungarischer
Uebersetzung herausgegeben werden, etwa anderthalbtausend ständige Pränume-
ranten zählen.

Die erste ungarisch geschriebene Zeitung erschien 1780 in Preßburg. 1830
gab es deren zehn, 1849 schon achtzig, eine Zahl, die unter der eingetretnen
Reaktion auf neun sank, aber nach Wiederherstellung der Verfassung im Jahre
1867 sofort die frühere Höhe wieder erreichte. Gegenwärtig zählt Ungarn
allein in der Hauptstadt 128 und in den Provinzen 139 Zeitungen und Zeit¬
schriften in magyarischer Sprache, unter denen sich 17 politische Tagesblätter,
25 Kirchen- und Schulzeitungen, 53 Fachblätter und ebensoviel« periodische
Zeitschriften befinden. Daneben kommen in Ungarn und Siebenbürgen 85
deutsche, 42 slawische, 13 rumänische, 4 italienische, 1 französische und 1 hebräische
Zeitung heraus.

Bei allen Völkern ist die höhere Kultur mit der Blüthe der Künste Hand
in Hand gegangen. Diese aber ist bedingt durch Unterstützung von Seiten der
Kirche, des Staates und der Einzelnen. In Ungarn waren diese Vor¬
bedingungen bisher nur in sehr beschränktem Maße vorhanden. Darum steht
auch das Kunstleben hier anf keiner hohen Stufe der Entwickelung. Doch
hat die Regierung seit 1867 auch in dieser Hinsicht Mancherlei gethan. Es
wurde u. A. ein Lcmdesrath für bildende Künste eingesetzt, man schickte begabte
junge Leute ins Ausland, ertheilte Malern und Bildhauern Auftrüge und
richtete 1871 die Landes-Musterzeichenschule ein, welche berufen ist, an die
Stelle einer Akademie der bildenden Künste zu treten, das Aufblühen der
höheren Kunstindustrie durch zweckentsprechenden Fachunterricht zu fördern und
Zeichenlehrer zu bilden. Im letztvergaugnen Jahre wirkten an ihr neun Lehrer,
und die Zahl der Zöglinge betrug 119, darunter 12 weibliche. Im Jahre
1839 entstand ferner der Kunstverein, der in manchem der folgenden Jahre
bis zu dreißigtausend Gulden auf Anschaffung von Gemälden verwenden konnte.
Neben denselben trat 1861 der ungarische Verein für bildende Künste, der
1869 mit jenem verschmolz. Die beiden Vereine besaßen im Jahre 1876 ein
Vermögen von 278,607 Gulden und zählten 850 Mitglieder, welche jedes jähr¬
lich zehn Gulden Beitrag entrichteten. Die Lokalitäten befinden sich gegenwärtig
noch im Akademiepalaste, aber in einigen Monaten wird den Verein das in¬
zwischen an der neuen Radialstraße erbaute prachtvolle Künstlerhaus aufnehmen.
Schließlich verdient noch Erwähnung, daß man im Begriff steht, auf öffent¬
lichen Plätzen der Hauptstadt die Statuen des Grafen Stephan Szechenyi, des
Barons Joseph Eötvös und des Dichters Petöfi aufzustellen, und daß auf


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[0426] rechnen können, zeugt doch vom Sinn für gründlichere Studien die Thatsache, daß die Bücherverlagsnnternehmungen der Akademie und der naturwissenschaft¬ lichen Gesellschaft, durch welche vorzügliche Werke des Auslandes in ungarischer Uebersetzung herausgegeben werden, etwa anderthalbtausend ständige Pränume- ranten zählen. Die erste ungarisch geschriebene Zeitung erschien 1780 in Preßburg. 1830 gab es deren zehn, 1849 schon achtzig, eine Zahl, die unter der eingetretnen Reaktion auf neun sank, aber nach Wiederherstellung der Verfassung im Jahre 1867 sofort die frühere Höhe wieder erreichte. Gegenwärtig zählt Ungarn allein in der Hauptstadt 128 und in den Provinzen 139 Zeitungen und Zeit¬ schriften in magyarischer Sprache, unter denen sich 17 politische Tagesblätter, 25 Kirchen- und Schulzeitungen, 53 Fachblätter und ebensoviel« periodische Zeitschriften befinden. Daneben kommen in Ungarn und Siebenbürgen 85 deutsche, 42 slawische, 13 rumänische, 4 italienische, 1 französische und 1 hebräische Zeitung heraus. Bei allen Völkern ist die höhere Kultur mit der Blüthe der Künste Hand in Hand gegangen. Diese aber ist bedingt durch Unterstützung von Seiten der Kirche, des Staates und der Einzelnen. In Ungarn waren diese Vor¬ bedingungen bisher nur in sehr beschränktem Maße vorhanden. Darum steht auch das Kunstleben hier anf keiner hohen Stufe der Entwickelung. Doch hat die Regierung seit 1867 auch in dieser Hinsicht Mancherlei gethan. Es wurde u. A. ein Lcmdesrath für bildende Künste eingesetzt, man schickte begabte junge Leute ins Ausland, ertheilte Malern und Bildhauern Auftrüge und richtete 1871 die Landes-Musterzeichenschule ein, welche berufen ist, an die Stelle einer Akademie der bildenden Künste zu treten, das Aufblühen der höheren Kunstindustrie durch zweckentsprechenden Fachunterricht zu fördern und Zeichenlehrer zu bilden. Im letztvergaugnen Jahre wirkten an ihr neun Lehrer, und die Zahl der Zöglinge betrug 119, darunter 12 weibliche. Im Jahre 1839 entstand ferner der Kunstverein, der in manchem der folgenden Jahre bis zu dreißigtausend Gulden auf Anschaffung von Gemälden verwenden konnte. Neben denselben trat 1861 der ungarische Verein für bildende Künste, der 1869 mit jenem verschmolz. Die beiden Vereine besaßen im Jahre 1876 ein Vermögen von 278,607 Gulden und zählten 850 Mitglieder, welche jedes jähr¬ lich zehn Gulden Beitrag entrichteten. Die Lokalitäten befinden sich gegenwärtig noch im Akademiepalaste, aber in einigen Monaten wird den Verein das in¬ zwischen an der neuen Radialstraße erbaute prachtvolle Künstlerhaus aufnehmen. Schließlich verdient noch Erwähnung, daß man im Begriff steht, auf öffent¬ lichen Plätzen der Hauptstadt die Statuen des Grafen Stephan Szechenyi, des Barons Joseph Eötvös und des Dichters Petöfi aufzustellen, und daß auf

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/426>, abgerufen am 29.06.2024.