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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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der Wiener Weltausstellung Ungarn durch 42 Maler, 7 Bildhauer und 2
Kupferstecher mit 155 Kunstwerken vertreten war, von denen 17 prümiirt
wurden.

Dem höheren Musikunterricht dient das 1841 durch einen Verein ins
Leben gerufene pester Nationalkonservatorium, welches seit 1871 vom Reichs¬
tage subventionirt wird und 12 Lehrer sowie 217 Schüler hat. Die ofener
Musikschule ist ein ähnliches Unternehmen, welches ebenfalls eine Staatssnb-
vention genießt. 186s: wurde eine Theaterschule zur Ausbildung von Schau¬
spielern und Sängern für das Nationaltheater errichtet, für die jetzt im Staats¬
budget die Summe von 15,000 Gulden ausgeworfen ist. Im Jahre 1875 trat
diesen Anstalten noch eine Landes-Musikakademie an die Seite, welche die Aus¬
gabe hat, "die höheren theoretischen und praktischen Zweige der Tonkunst
systematisch zu lehren und zu Pflegen, in Verbindung mit dem theoretischen
und wissenschaftlichen Unterricht in der ungarischen Musik" (was ist das?
Zigeunermusik?); dem allgemeinen Wunsche des Landes entsprechend, hat Franz
Liszt die Direktion dieser Anstalt übernommen. Endlich mag noch erwähnt
werden, daß seit 1868 in den Volks- und Bürgerschule" der Gesang unter die
obligaten Lehrgegenstände aufgenommen ist.

Die Entwickelung des ungarischen Nationaltheaters bildet ein interessantes
Kapitel der nationalen Bewegung Ungarns. "Nach langen Kämpfen und
schweren Geburtswehen", sagt der Verfasser unsrer Skizze, "kam am 22. August
1837 das erste ungarische ständige Theater als Eigenthum einer Aktiengesell¬
schaft zu Stande. 1840 erhob es der Reichstag zum Nationaltheater, indem
er zu seiner Erhaltung 400,000 Gulden Konventionsmünze votirte und es
unter die Aussicht eines Landescomites stellte. In den ersten Jahren dommirten
auf der Bühne die Mediokritäten der deutschen Literatur (womit unsre Skizze
hoffentlich nicht auch die Stücke unsrer Klassiker meint). Aber sehr bald ent¬
wickelte sich eine blühende und fruchtbare dramatische Literatur mit entschieden
nationaler Tendenz, welche auch in der Oper, ja selbst im Ballet zur Geltung
gebracht wurde (und keine Mediokritäten leistete?). Daneben bemühte sich die
Anstalt, dem Publikum die dem edleren Geschmack huldigenden Schöpfungen
der Weltliteratur und der Opernmusik immer möglichst bald und in möglichst
gelungener Weise vorzuführen, die Geschmack und Sitten verderbenden neueren
Produktionen aber sern zu halten." Im Theaterjahr 1875--76 wurden an
ungarischen Stücken 14 Trauerspiele und Dramen, 10 Lustspiele, 16 Volksstücke
und 4 Opern, an ausländischen Stücken 31 Trauerspiele und Dramen, 2<i Lust¬
spiele und 37 Opern gegeben, unter denen Verdi's "Alba" 18mal zur Auf¬
führung kam. Meyerbeer's Opern füllten 22, Moliere und Shakespeare nur
12 Abende aus. Das Theaterpersonal zählte im dramatischen Fach 41, im


der Wiener Weltausstellung Ungarn durch 42 Maler, 7 Bildhauer und 2
Kupferstecher mit 155 Kunstwerken vertreten war, von denen 17 prümiirt
wurden.

Dem höheren Musikunterricht dient das 1841 durch einen Verein ins
Leben gerufene pester Nationalkonservatorium, welches seit 1871 vom Reichs¬
tage subventionirt wird und 12 Lehrer sowie 217 Schüler hat. Die ofener
Musikschule ist ein ähnliches Unternehmen, welches ebenfalls eine Staatssnb-
vention genießt. 186s: wurde eine Theaterschule zur Ausbildung von Schau¬
spielern und Sängern für das Nationaltheater errichtet, für die jetzt im Staats¬
budget die Summe von 15,000 Gulden ausgeworfen ist. Im Jahre 1875 trat
diesen Anstalten noch eine Landes-Musikakademie an die Seite, welche die Aus¬
gabe hat, „die höheren theoretischen und praktischen Zweige der Tonkunst
systematisch zu lehren und zu Pflegen, in Verbindung mit dem theoretischen
und wissenschaftlichen Unterricht in der ungarischen Musik" (was ist das?
Zigeunermusik?); dem allgemeinen Wunsche des Landes entsprechend, hat Franz
Liszt die Direktion dieser Anstalt übernommen. Endlich mag noch erwähnt
werden, daß seit 1868 in den Volks- und Bürgerschule» der Gesang unter die
obligaten Lehrgegenstände aufgenommen ist.

Die Entwickelung des ungarischen Nationaltheaters bildet ein interessantes
Kapitel der nationalen Bewegung Ungarns. „Nach langen Kämpfen und
schweren Geburtswehen", sagt der Verfasser unsrer Skizze, „kam am 22. August
1837 das erste ungarische ständige Theater als Eigenthum einer Aktiengesell¬
schaft zu Stande. 1840 erhob es der Reichstag zum Nationaltheater, indem
er zu seiner Erhaltung 400,000 Gulden Konventionsmünze votirte und es
unter die Aussicht eines Landescomites stellte. In den ersten Jahren dommirten
auf der Bühne die Mediokritäten der deutschen Literatur (womit unsre Skizze
hoffentlich nicht auch die Stücke unsrer Klassiker meint). Aber sehr bald ent¬
wickelte sich eine blühende und fruchtbare dramatische Literatur mit entschieden
nationaler Tendenz, welche auch in der Oper, ja selbst im Ballet zur Geltung
gebracht wurde (und keine Mediokritäten leistete?). Daneben bemühte sich die
Anstalt, dem Publikum die dem edleren Geschmack huldigenden Schöpfungen
der Weltliteratur und der Opernmusik immer möglichst bald und in möglichst
gelungener Weise vorzuführen, die Geschmack und Sitten verderbenden neueren
Produktionen aber sern zu halten." Im Theaterjahr 1875—76 wurden an
ungarischen Stücken 14 Trauerspiele und Dramen, 10 Lustspiele, 16 Volksstücke
und 4 Opern, an ausländischen Stücken 31 Trauerspiele und Dramen, 2<i Lust¬
spiele und 37 Opern gegeben, unter denen Verdi's „Alba" 18mal zur Auf¬
führung kam. Meyerbeer's Opern füllten 22, Moliere und Shakespeare nur
12 Abende aus. Das Theaterpersonal zählte im dramatischen Fach 41, im


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[0427] der Wiener Weltausstellung Ungarn durch 42 Maler, 7 Bildhauer und 2 Kupferstecher mit 155 Kunstwerken vertreten war, von denen 17 prümiirt wurden. Dem höheren Musikunterricht dient das 1841 durch einen Verein ins Leben gerufene pester Nationalkonservatorium, welches seit 1871 vom Reichs¬ tage subventionirt wird und 12 Lehrer sowie 217 Schüler hat. Die ofener Musikschule ist ein ähnliches Unternehmen, welches ebenfalls eine Staatssnb- vention genießt. 186s: wurde eine Theaterschule zur Ausbildung von Schau¬ spielern und Sängern für das Nationaltheater errichtet, für die jetzt im Staats¬ budget die Summe von 15,000 Gulden ausgeworfen ist. Im Jahre 1875 trat diesen Anstalten noch eine Landes-Musikakademie an die Seite, welche die Aus¬ gabe hat, „die höheren theoretischen und praktischen Zweige der Tonkunst systematisch zu lehren und zu Pflegen, in Verbindung mit dem theoretischen und wissenschaftlichen Unterricht in der ungarischen Musik" (was ist das? Zigeunermusik?); dem allgemeinen Wunsche des Landes entsprechend, hat Franz Liszt die Direktion dieser Anstalt übernommen. Endlich mag noch erwähnt werden, daß seit 1868 in den Volks- und Bürgerschule» der Gesang unter die obligaten Lehrgegenstände aufgenommen ist. Die Entwickelung des ungarischen Nationaltheaters bildet ein interessantes Kapitel der nationalen Bewegung Ungarns. „Nach langen Kämpfen und schweren Geburtswehen", sagt der Verfasser unsrer Skizze, „kam am 22. August 1837 das erste ungarische ständige Theater als Eigenthum einer Aktiengesell¬ schaft zu Stande. 1840 erhob es der Reichstag zum Nationaltheater, indem er zu seiner Erhaltung 400,000 Gulden Konventionsmünze votirte und es unter die Aussicht eines Landescomites stellte. In den ersten Jahren dommirten auf der Bühne die Mediokritäten der deutschen Literatur (womit unsre Skizze hoffentlich nicht auch die Stücke unsrer Klassiker meint). Aber sehr bald ent¬ wickelte sich eine blühende und fruchtbare dramatische Literatur mit entschieden nationaler Tendenz, welche auch in der Oper, ja selbst im Ballet zur Geltung gebracht wurde (und keine Mediokritäten leistete?). Daneben bemühte sich die Anstalt, dem Publikum die dem edleren Geschmack huldigenden Schöpfungen der Weltliteratur und der Opernmusik immer möglichst bald und in möglichst gelungener Weise vorzuführen, die Geschmack und Sitten verderbenden neueren Produktionen aber sern zu halten." Im Theaterjahr 1875—76 wurden an ungarischen Stücken 14 Trauerspiele und Dramen, 10 Lustspiele, 16 Volksstücke und 4 Opern, an ausländischen Stücken 31 Trauerspiele und Dramen, 2<i Lust¬ spiele und 37 Opern gegeben, unter denen Verdi's „Alba" 18mal zur Auf¬ führung kam. Meyerbeer's Opern füllten 22, Moliere und Shakespeare nur 12 Abende aus. Das Theaterpersonal zählte im dramatischen Fach 41, im

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/427>, abgerufen am 26.06.2024.