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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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Wie der Herr, so der Diener, die Großen thun es dem Monarchen nach.
"Wie man etwa eine im Mittelpunkte Frankreichs aufgestellte Kolvssalbildsüule
aus kostbarem Marmor auf ein kleines Format reduciren und in Tausenden
von Exemplaren in der Provinz verkaufen würde, so wiederholt sich das
königliche Leben in kleineren Verhältnissen selbst aus den entlegensten Edelhöfen.
Man repräsentirt und empfängt, man macht Staat und verbringt seine Zeit
in Gesellschaft." Vor Allem ist hier das Dutzend fürstlicher Höfe in der Nähe
des königlichen zu nennen. Jeder Prinz und jede Prinzessin von Geblüt hat,
wie schon bemerkt, einen vollständig eingerichteten Haushalt, dessen Kosten ganz
oder theilweise ans dem Staatsschatze bestritten werden. Dasselbe ist der Fall
mit der Königin, ihren Kindern und denen der Prinzen. Diese Kinder
empfangen schon von ihrem sechsten oder siebenten Jahre an Gesellschaft.
1777 haben auch die Herzöge von Orleans, von Bourbon, von Penthiövre,
die Herzogin von Bourbon, die Prinzen Cord6 und Conti, die Grafen Clermont
und La Marche sowie die verwittwete Fürstin Conti ihren Hof, d. h, abgesehen
von ihrer Wohnung beim König, ihr Schloß, wo sie Cerele halten. Die Königin
thut dies in Trianon und Samt Cloud, der Graf von Provence in Luxembourg
und in Brunoy, der Graf von Artois zu Meudon und Bagatelle. Beim Herzog
von Orleans im Palais Royal dürfen alle eingeführten Leute an Opernabenden
zum Souper erscheinen. Beim Herzog vonPeuthievre werden Alle, die ihm ihreAuf-
wartung machen, zum Diner herangezogen, die Adeligen speisen an der Tafel des
Herzogs selbst, die Uebrigen an der des "ersten Edelmannes." Im Temple,
der Residenz des Fürsten Conti, sind bei den Montags-Soupers 150 Gäste zugegen.

Aber uicht bloß die Verwandten des Königs, sondern alle, die bei Hofe
eine Rolle spielen, thun dasselbe zu Hause in ihren Hotels zu Versailles oder
Paris oder in ihren Villen in der Nachbarschaft dieser Städte. In allen
Memoiren finden wir Schilderungen hiervon. "Nehmen wird als Beispiel
den Herzog von Gövres. Er ist erster Kammeredelmann, Gouverneur von
Paris und von Frcmcien, Spezialgvnvernenr von Laon, von Soissons, von
Noyon, von Crespy und Valois, Jagdhanptmcmn von Mousseaux. Er hat
zwanzigtausend Livres Pension und ist ein echter Hofmann, ein Hautrelieftypus
seiner Klasse. Mit seinen Aemtern, seinem Luxus, seiner Verschwendung, seinen
Neigungen, seinen Beschäftigungen, der Richtung seines Geistes, der Gunst,
deren er sich erfreut, dem Ansehen, das er genießt, bildet er eine ganze "kumm
monäs" in kleinem Maßstabe. Sein Gedächtniß für Verwandtschaften und
Stanttnbäume ist ganz erstaunlich und seine Kenntniß in der Wissenschaft
der Etiquette die gründlichste. Diese Eigenschaften machen ihn zu einem viel¬
befragten Orakel. Sein Haus ist mit einer großen Zahl von Edelleuten,
Pagen und Domestiken aller Art ausgestattet. Seine Ausgaben sind ungeheuer.


Wie der Herr, so der Diener, die Großen thun es dem Monarchen nach.
„Wie man etwa eine im Mittelpunkte Frankreichs aufgestellte Kolvssalbildsüule
aus kostbarem Marmor auf ein kleines Format reduciren und in Tausenden
von Exemplaren in der Provinz verkaufen würde, so wiederholt sich das
königliche Leben in kleineren Verhältnissen selbst aus den entlegensten Edelhöfen.
Man repräsentirt und empfängt, man macht Staat und verbringt seine Zeit
in Gesellschaft." Vor Allem ist hier das Dutzend fürstlicher Höfe in der Nähe
des königlichen zu nennen. Jeder Prinz und jede Prinzessin von Geblüt hat,
wie schon bemerkt, einen vollständig eingerichteten Haushalt, dessen Kosten ganz
oder theilweise ans dem Staatsschatze bestritten werden. Dasselbe ist der Fall
mit der Königin, ihren Kindern und denen der Prinzen. Diese Kinder
empfangen schon von ihrem sechsten oder siebenten Jahre an Gesellschaft.
1777 haben auch die Herzöge von Orleans, von Bourbon, von Penthiövre,
die Herzogin von Bourbon, die Prinzen Cord6 und Conti, die Grafen Clermont
und La Marche sowie die verwittwete Fürstin Conti ihren Hof, d. h, abgesehen
von ihrer Wohnung beim König, ihr Schloß, wo sie Cerele halten. Die Königin
thut dies in Trianon und Samt Cloud, der Graf von Provence in Luxembourg
und in Brunoy, der Graf von Artois zu Meudon und Bagatelle. Beim Herzog
von Orleans im Palais Royal dürfen alle eingeführten Leute an Opernabenden
zum Souper erscheinen. Beim Herzog vonPeuthievre werden Alle, die ihm ihreAuf-
wartung machen, zum Diner herangezogen, die Adeligen speisen an der Tafel des
Herzogs selbst, die Uebrigen an der des „ersten Edelmannes." Im Temple,
der Residenz des Fürsten Conti, sind bei den Montags-Soupers 150 Gäste zugegen.

Aber uicht bloß die Verwandten des Königs, sondern alle, die bei Hofe
eine Rolle spielen, thun dasselbe zu Hause in ihren Hotels zu Versailles oder
Paris oder in ihren Villen in der Nachbarschaft dieser Städte. In allen
Memoiren finden wir Schilderungen hiervon. „Nehmen wird als Beispiel
den Herzog von Gövres. Er ist erster Kammeredelmann, Gouverneur von
Paris und von Frcmcien, Spezialgvnvernenr von Laon, von Soissons, von
Noyon, von Crespy und Valois, Jagdhanptmcmn von Mousseaux. Er hat
zwanzigtausend Livres Pension und ist ein echter Hofmann, ein Hautrelieftypus
seiner Klasse. Mit seinen Aemtern, seinem Luxus, seiner Verschwendung, seinen
Neigungen, seinen Beschäftigungen, der Richtung seines Geistes, der Gunst,
deren er sich erfreut, dem Ansehen, das er genießt, bildet er eine ganze „kumm
monäs" in kleinem Maßstabe. Sein Gedächtniß für Verwandtschaften und
Stanttnbäume ist ganz erstaunlich und seine Kenntniß in der Wissenschaft
der Etiquette die gründlichste. Diese Eigenschaften machen ihn zu einem viel¬
befragten Orakel. Sein Haus ist mit einer großen Zahl von Edelleuten,
Pagen und Domestiken aller Art ausgestattet. Seine Ausgaben sind ungeheuer.


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[0348] Wie der Herr, so der Diener, die Großen thun es dem Monarchen nach. „Wie man etwa eine im Mittelpunkte Frankreichs aufgestellte Kolvssalbildsüule aus kostbarem Marmor auf ein kleines Format reduciren und in Tausenden von Exemplaren in der Provinz verkaufen würde, so wiederholt sich das königliche Leben in kleineren Verhältnissen selbst aus den entlegensten Edelhöfen. Man repräsentirt und empfängt, man macht Staat und verbringt seine Zeit in Gesellschaft." Vor Allem ist hier das Dutzend fürstlicher Höfe in der Nähe des königlichen zu nennen. Jeder Prinz und jede Prinzessin von Geblüt hat, wie schon bemerkt, einen vollständig eingerichteten Haushalt, dessen Kosten ganz oder theilweise ans dem Staatsschatze bestritten werden. Dasselbe ist der Fall mit der Königin, ihren Kindern und denen der Prinzen. Diese Kinder empfangen schon von ihrem sechsten oder siebenten Jahre an Gesellschaft. 1777 haben auch die Herzöge von Orleans, von Bourbon, von Penthiövre, die Herzogin von Bourbon, die Prinzen Cord6 und Conti, die Grafen Clermont und La Marche sowie die verwittwete Fürstin Conti ihren Hof, d. h, abgesehen von ihrer Wohnung beim König, ihr Schloß, wo sie Cerele halten. Die Königin thut dies in Trianon und Samt Cloud, der Graf von Provence in Luxembourg und in Brunoy, der Graf von Artois zu Meudon und Bagatelle. Beim Herzog von Orleans im Palais Royal dürfen alle eingeführten Leute an Opernabenden zum Souper erscheinen. Beim Herzog vonPeuthievre werden Alle, die ihm ihreAuf- wartung machen, zum Diner herangezogen, die Adeligen speisen an der Tafel des Herzogs selbst, die Uebrigen an der des „ersten Edelmannes." Im Temple, der Residenz des Fürsten Conti, sind bei den Montags-Soupers 150 Gäste zugegen. Aber uicht bloß die Verwandten des Königs, sondern alle, die bei Hofe eine Rolle spielen, thun dasselbe zu Hause in ihren Hotels zu Versailles oder Paris oder in ihren Villen in der Nachbarschaft dieser Städte. In allen Memoiren finden wir Schilderungen hiervon. „Nehmen wird als Beispiel den Herzog von Gövres. Er ist erster Kammeredelmann, Gouverneur von Paris und von Frcmcien, Spezialgvnvernenr von Laon, von Soissons, von Noyon, von Crespy und Valois, Jagdhanptmcmn von Mousseaux. Er hat zwanzigtausend Livres Pension und ist ein echter Hofmann, ein Hautrelieftypus seiner Klasse. Mit seinen Aemtern, seinem Luxus, seiner Verschwendung, seinen Neigungen, seinen Beschäftigungen, der Richtung seines Geistes, der Gunst, deren er sich erfreut, dem Ansehen, das er genießt, bildet er eine ganze „kumm monäs" in kleinem Maßstabe. Sein Gedächtniß für Verwandtschaften und Stanttnbäume ist ganz erstaunlich und seine Kenntniß in der Wissenschaft der Etiquette die gründlichste. Diese Eigenschaften machen ihn zu einem viel¬ befragten Orakel. Sein Haus ist mit einer großen Zahl von Edelleuten, Pagen und Domestiken aller Art ausgestattet. Seine Ausgaben sind ungeheuer.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/348>, abgerufen am 03.07.2024.