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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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Zur Steuer der Wahrheit will ich bemerken, daß die Idee nicht ganz neu
ist. Schon Overbeck hat in dem "Atlas", den er aus den Holzschnitten seiner
"Geschichte der griechischen Plastik" hat zusammenstellen lassen, (Hinrichs, 1869)
denselben Gedanken gehabt, und nach ihm sind Brunn und Conze in ihren
billigen, durch Authographie hergestellten Abbildungen antiker Sarkvphagreliefs
und Vasenbilder offenbar von ähnlichen Erwägungen geleitet worden. Beide
Publikationen aber sind nie für etwas anderes als für den archäologischen
Unterricht an der Universität bestimmt gewesen, und einer weiteren Verbreitung
stand bei der letzteren der Umstand, daß sie nur in größeren Partieen abgegeben
wurde, bei dem Overbeck'schen Atlas aber der entschieden etwas zu hoch ge¬
griffene Preis entgegen. Die Seemann'schen Bilderbogen find also wenigstens
insofern entschieden ein Novum, als sie zum ersten Male wirklich alle die Vor¬
theile frei machen, die in der ganzen Idee gleichsam latent sind: Reichhaltig¬
keit, volle, an keine Bedingungen geknüpfte Freiheit bei der Anschaffung, billigen
Preis.

Die zunächst ausgegebene erste Serie besteht aus 24 Bogen mit 292 ein¬
zelnen Darstellungen. Diese umfassen die gesammte griechische und römische
Architektur mit 193 und die griechische Plastik bis auf Alexander den Großen
mit 99 Nummern. Um von der Fülle des Gebotenen im Einzelnen eine Vor-
stellung zu geben, müßte man ein vollständiges Verzeichniß aller Darstellungen
mittheilen, was sich hier von selbst verbietet. Für die Zwecke des Gymnasiums
enthalten die Tafeln -- das ist sicher -- eher zu viel als zu wenig, aber sie
sind ja eben nicht für das Gymnasium allein, sondern auch für andre Unter¬
richtsanstalten bestimmt, von denen sich jede mit Leichtigkeit das, was sie braucht,
wird abgrenzen können; das Uebrige wird bei der klaren und übersichtlichen
Gruppirung -- die übrigens theilweise von stilistischen, theilweise von histo¬
rischen Gesichtspunkten aus gemacht ist und bei welcher außerdem die sicherlich
nicht leichte Aufgabe zu lösen war, den Raum jedes Bogens angemessen und
in einer dem Auge wohlgefälligen Weise zu füllen -- stets zur Erweiterung
und Vervollständigung und nie zur Verwirrung dienen. Jede einzelne Dar¬
stellung trügt ihre Unterschrift. Bei den zahlreichen architektonischen Details
sind überall sorgfältig die antiken technischen Ausdrücke, bei den Werken der
Skulptur, wenn sie sich nicht mehr an Ort und Stelle befiudeu, stets die
Sammlung und der sichere oder muthmaßliche Künstlername, auf den das
Original zurückgeht, hinzugefügt. Ebenso fehlt es nirgends an der Angabe
bestimmter oder wenigstes annähernder chronologischer Daten. Die Holzschnitte
selbst sind, wie in allen unsern illustrirten kunstgeschichtlichen Werken, nicht alle von
gleichmäßiger, im Ganzen aber entschieden von guter, in den meisten Fällen
von vorzüglicher Ausführung; Papier und typographische Herstellung lassen


Zur Steuer der Wahrheit will ich bemerken, daß die Idee nicht ganz neu
ist. Schon Overbeck hat in dem „Atlas", den er aus den Holzschnitten seiner
„Geschichte der griechischen Plastik" hat zusammenstellen lassen, (Hinrichs, 1869)
denselben Gedanken gehabt, und nach ihm sind Brunn und Conze in ihren
billigen, durch Authographie hergestellten Abbildungen antiker Sarkvphagreliefs
und Vasenbilder offenbar von ähnlichen Erwägungen geleitet worden. Beide
Publikationen aber sind nie für etwas anderes als für den archäologischen
Unterricht an der Universität bestimmt gewesen, und einer weiteren Verbreitung
stand bei der letzteren der Umstand, daß sie nur in größeren Partieen abgegeben
wurde, bei dem Overbeck'schen Atlas aber der entschieden etwas zu hoch ge¬
griffene Preis entgegen. Die Seemann'schen Bilderbogen find also wenigstens
insofern entschieden ein Novum, als sie zum ersten Male wirklich alle die Vor¬
theile frei machen, die in der ganzen Idee gleichsam latent sind: Reichhaltig¬
keit, volle, an keine Bedingungen geknüpfte Freiheit bei der Anschaffung, billigen
Preis.

Die zunächst ausgegebene erste Serie besteht aus 24 Bogen mit 292 ein¬
zelnen Darstellungen. Diese umfassen die gesammte griechische und römische
Architektur mit 193 und die griechische Plastik bis auf Alexander den Großen
mit 99 Nummern. Um von der Fülle des Gebotenen im Einzelnen eine Vor-
stellung zu geben, müßte man ein vollständiges Verzeichniß aller Darstellungen
mittheilen, was sich hier von selbst verbietet. Für die Zwecke des Gymnasiums
enthalten die Tafeln — das ist sicher — eher zu viel als zu wenig, aber sie
sind ja eben nicht für das Gymnasium allein, sondern auch für andre Unter¬
richtsanstalten bestimmt, von denen sich jede mit Leichtigkeit das, was sie braucht,
wird abgrenzen können; das Uebrige wird bei der klaren und übersichtlichen
Gruppirung — die übrigens theilweise von stilistischen, theilweise von histo¬
rischen Gesichtspunkten aus gemacht ist und bei welcher außerdem die sicherlich
nicht leichte Aufgabe zu lösen war, den Raum jedes Bogens angemessen und
in einer dem Auge wohlgefälligen Weise zu füllen — stets zur Erweiterung
und Vervollständigung und nie zur Verwirrung dienen. Jede einzelne Dar¬
stellung trügt ihre Unterschrift. Bei den zahlreichen architektonischen Details
sind überall sorgfältig die antiken technischen Ausdrücke, bei den Werken der
Skulptur, wenn sie sich nicht mehr an Ort und Stelle befiudeu, stets die
Sammlung und der sichere oder muthmaßliche Künstlername, auf den das
Original zurückgeht, hinzugefügt. Ebenso fehlt es nirgends an der Angabe
bestimmter oder wenigstes annähernder chronologischer Daten. Die Holzschnitte
selbst sind, wie in allen unsern illustrirten kunstgeschichtlichen Werken, nicht alle von
gleichmäßiger, im Ganzen aber entschieden von guter, in den meisten Fällen
von vorzüglicher Ausführung; Papier und typographische Herstellung lassen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/332>, abgerufen am 29.06.2024.