Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.nur bei ungewöhnlicher Energie möglich und hing auch dann vom Ausfall der Erfreulicheres hat unsre Schrift von den deutschen Niederlassungen in nur bei ungewöhnlicher Energie möglich und hing auch dann vom Ausfall der Erfreulicheres hat unsre Schrift von den deutschen Niederlassungen in <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0316" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/138017"/> <p xml:id="ID_904" prev="#ID_903"> nur bei ungewöhnlicher Energie möglich und hing auch dann vom Ausfall der<lb/> Kaffeeernte ab, der nicht immer ein günstiger ist. 750 Milreis (1687 Mark)<lb/> Gewinnantheil einer Familie von fünf arbeitenden Personen ist schon ein höchst<lb/> glücklicher Fall, und so konnte sich die fleißigste und Sparsamste Ansiedlerfamilie<lb/> vor Verlauf von fünf Jahren kaum von ihren Schulden befreien. Nicht selten<lb/> kamen Heimweh in dem heißen, von Ungeziefer aller Art geplagten Lande,<lb/> Krankheit, Entmuthigung und Erschlaffung hinzu, und gesteigert wurde die<lb/> allgemeine Unzufriedenheit durch die Uebergriffe des Koloniedirektors und des<lb/> Plantagenverwalters, die vielfach tyrannisch verfuhren. So kam es endlich zu<lb/> einem Aufstande, zur Vertreibung jener kleinen Zwingvögte und zum Zerfall<lb/> der ganzen Niederlassung. Ein ähnliches Ende nahm es mit den Parceria-<lb/> Kolonien zu Ubatuba, Elias Velho u. a. Gegenwärtig bestehen deren noch<lb/> elf mit 1683 Kolonisten, und davon sollen S. Laurer?o, Paraiso und Sele<lb/> quedas sich gedeihlich entwickelt haben. Die größte jener elf ist S. Jeronymo<lb/> mit 643 Bewohnern. Diejenigen Parceria-Ansiedler aber, welche durch fleißige<lb/> Arbeit zu einem gewissen Wohlstand und einiger Selbständigkeit gelangt sind,<lb/> ziehen sich mit ihren Ersparnissen gewöhnlich in die benachbarten Städte zurück,<lb/> wo sie als Gewerbtreibende angenehmer und einträglicher leben können als<lb/> auf dem Lande. Der außerordentliche Aufschwung, den die Kaffeeproduktion<lb/> der Provinz S. Paulo in den letzten Jahrzehnten genommen hat, wird haupt¬<lb/> sächlich den europäischen Einwanderern in den Parceria-Kolonien zugeschrieben,<lb/> und dasselbe gilt von der Baumwollenkultur. Ein ganz besonderes Verdienst<lb/> endlich haben sich die deutschen Ansiedler dieser Gegenden durch die Sorgfalt<lb/> erworben, die sie dem Bau von Gemüsen und der Milchwirthschaft zuwendeten.</p><lb/> <p xml:id="ID_905"> Erfreulicheres hat unsre Schrift von den deutschen Niederlassungen in<lb/> Südbrasilien zu berichten, welche der Verfasser von Porto Allegre aus besuchte.<lb/> Folgen wir ihm auch dahin, und zwar zunächst nach S. Leopold». Dieses<lb/> Städtchen, welches etwa zweitausend Einwohner und große Ähnlichkeit mit<lb/> einem deutscheu Marktflecken hat, liegt auf dem linken Ufer des Rio dos Sinos<lb/> und bildet den Mittelpunkt eines ausgedehnten Bezirks von deutschen An¬<lb/> siedelungen. Es ist ganz regelmäßig angelegt, aber nur an einer Straße<lb/> ziehen sich die Häuser in ununterbrochnem Reihen hin. Die meisten Häuser<lb/> bestehen nur aus einem Erdgeschoß, die Gassen sind ungepflastert. Da der<lb/> Ort in einer Flußniederung liegt und durch keinen Damm gegen das Wasser<lb/> geschützt ist, gibt es alljährlich sehr unbehaglicheUeberschwemmungen. Die Haupt¬<lb/> industrie des Ortes besteht im Handel mit Landesprodukten und der Verarbeitung von<lb/> Häuten zu Leder sowie zu Sattlerwaaren. Für Schulen ist ausgiebig gesorgt.<lb/> Man hat u. a. ein Knaben- und ein Mädcheninstitut, welche zusammen gegen<lb/> 200 Zöglinge haben.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0316]
nur bei ungewöhnlicher Energie möglich und hing auch dann vom Ausfall der
Kaffeeernte ab, der nicht immer ein günstiger ist. 750 Milreis (1687 Mark)
Gewinnantheil einer Familie von fünf arbeitenden Personen ist schon ein höchst
glücklicher Fall, und so konnte sich die fleißigste und Sparsamste Ansiedlerfamilie
vor Verlauf von fünf Jahren kaum von ihren Schulden befreien. Nicht selten
kamen Heimweh in dem heißen, von Ungeziefer aller Art geplagten Lande,
Krankheit, Entmuthigung und Erschlaffung hinzu, und gesteigert wurde die
allgemeine Unzufriedenheit durch die Uebergriffe des Koloniedirektors und des
Plantagenverwalters, die vielfach tyrannisch verfuhren. So kam es endlich zu
einem Aufstande, zur Vertreibung jener kleinen Zwingvögte und zum Zerfall
der ganzen Niederlassung. Ein ähnliches Ende nahm es mit den Parceria-
Kolonien zu Ubatuba, Elias Velho u. a. Gegenwärtig bestehen deren noch
elf mit 1683 Kolonisten, und davon sollen S. Laurer?o, Paraiso und Sele
quedas sich gedeihlich entwickelt haben. Die größte jener elf ist S. Jeronymo
mit 643 Bewohnern. Diejenigen Parceria-Ansiedler aber, welche durch fleißige
Arbeit zu einem gewissen Wohlstand und einiger Selbständigkeit gelangt sind,
ziehen sich mit ihren Ersparnissen gewöhnlich in die benachbarten Städte zurück,
wo sie als Gewerbtreibende angenehmer und einträglicher leben können als
auf dem Lande. Der außerordentliche Aufschwung, den die Kaffeeproduktion
der Provinz S. Paulo in den letzten Jahrzehnten genommen hat, wird haupt¬
sächlich den europäischen Einwanderern in den Parceria-Kolonien zugeschrieben,
und dasselbe gilt von der Baumwollenkultur. Ein ganz besonderes Verdienst
endlich haben sich die deutschen Ansiedler dieser Gegenden durch die Sorgfalt
erworben, die sie dem Bau von Gemüsen und der Milchwirthschaft zuwendeten.
Erfreulicheres hat unsre Schrift von den deutschen Niederlassungen in
Südbrasilien zu berichten, welche der Verfasser von Porto Allegre aus besuchte.
Folgen wir ihm auch dahin, und zwar zunächst nach S. Leopold». Dieses
Städtchen, welches etwa zweitausend Einwohner und große Ähnlichkeit mit
einem deutscheu Marktflecken hat, liegt auf dem linken Ufer des Rio dos Sinos
und bildet den Mittelpunkt eines ausgedehnten Bezirks von deutschen An¬
siedelungen. Es ist ganz regelmäßig angelegt, aber nur an einer Straße
ziehen sich die Häuser in ununterbrochnem Reihen hin. Die meisten Häuser
bestehen nur aus einem Erdgeschoß, die Gassen sind ungepflastert. Da der
Ort in einer Flußniederung liegt und durch keinen Damm gegen das Wasser
geschützt ist, gibt es alljährlich sehr unbehaglicheUeberschwemmungen. Die Haupt¬
industrie des Ortes besteht im Handel mit Landesprodukten und der Verarbeitung von
Häuten zu Leder sowie zu Sattlerwaaren. Für Schulen ist ausgiebig gesorgt.
Man hat u. a. ein Knaben- und ein Mädcheninstitut, welche zusammen gegen
200 Zöglinge haben.
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