Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.wünschen übrig. Ihre Namen sowie die der verschiedenen Viertel muthen hei¬ 144 Kilometer von Petropolis entfernt, 700 Meter über dem Meere liegt Die deutschen Ansiedler in der Provinz S. Paulo sollen etwa 4500 Köpfe wünschen übrig. Ihre Namen sowie die der verschiedenen Viertel muthen hei¬ 144 Kilometer von Petropolis entfernt, 700 Meter über dem Meere liegt Die deutschen Ansiedler in der Provinz S. Paulo sollen etwa 4500 Köpfe <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0315" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/138016"/> <p xml:id="ID_901" prev="#ID_900"> wünschen übrig. Ihre Namen sowie die der verschiedenen Viertel muthen hei¬<lb/> mathlich an: man findet da ein Unterrheinthal, ein Mosel-, ein Nassauerthal<lb/> und dergl. Den Charakter einer Kolonie hat das Städtchen dadurch verloren,<lb/> daß es zeitweise Residenz des Kaisers und Sammelplatz der Aristokratie ist.<lb/> Gasthäuser, andere Spekulationsbauten, Villen drängen sich, wie immer an<lb/> solchen Orten, in den Vordergrund, und die Bevölkerung besteht großenteils<lb/> aus Wirthen, Handelsleuten und Handwerkern, welche letzteren schlecht und<lb/> theuer arbeiten. Die Landwirthschaft wird nur von verhältnißmäßig wenigen<lb/> Händen betrieben. Unter der Bevölkerung herrscht viel Streit, namentlich über<lb/> Kirche und Schule, und der jüngeren Bevölkerung wird ungebührliche Hin¬<lb/> neigung zu brasilianischer Sitte und Sprache sowie Lockerheit der Ansichten in<lb/> moralischen Dingen nachgesagt.</p><lb/> <p xml:id="ID_902"> 144 Kilometer von Petropolis entfernt, 700 Meter über dem Meere liegt<lb/> an der großen Straße durch die Provinzen Rio de Janeiro und Minas Geraes<lb/> die von dem vermögenden Brasilianer Ferreira Lage 1857 gegründete deutsche<lb/> Ansiedelung Juiz de Fora. Vier Jahre lang wollte sie nicht recht gedeihen,<lb/> später besserten sich die Verhältnisse. Der Ort hat 1296 Einwohner, darunter<lb/> 1170 Deutsche, unter denen viele Tiroler und Hessen sowie eine Anzahl<lb/> Preußen, Holsteiner und Badenser sind. Die Erzeugnisse der Kolonie be¬<lb/> stehen vorzüglich aus Mais, Reis, Gemüsen und Früchten. Auch befinden sich<lb/> daselbst Mahl- und Sägemühlen sowie kleine Fabriken. Sehr im Argen liegen<lb/> die kirchlichen Verhältnisse und die Schulen, welche letzteren 1874 von 146<lb/> Kindern besucht wurden.</p><lb/> <p xml:id="ID_903" next="#ID_904"> Die deutschen Ansiedler in der Provinz S. Paulo sollen etwa 4500 Köpfe<lb/> stark sein. Sie arbeiten zum größten Theile auf den Kaffee- und Baum¬<lb/> wollenplantagen der Küstenstriche, wo sie kleine Landgüter besitzen, andere sind<lb/> Kaufleute und Handwerker in den Städten. In Abieaba lebten 1856 etwa<lb/> tausend Deutsche und achthundert Schweizer in leidlichen Verhältnissen. Hemmend<lb/> für ihr Fortkommen waren Bedingungen der Kontrakte, die sie mit Vergueiro<lb/> eingegangen waren und nach denen sie der Grundherr anderen Gutsbesitzern<lb/> überweisen konnte, wenn diese ihm die ihnen gemachten Vorschüsse und Auslagen<lb/> erstatteten, und nach welchen die Familie eines Kolonisten verpflichtet war,<lb/> wenn er starb, für dessen Schulden auszukommen. Schon durch die Kosten<lb/> der Ueberfahrt, welche der Gutsherr vorschoß, stürzte sich der Kolonist bedeutend<lb/> in Schulden. Hierzu kam noch, daß es mindestens sechs Monate dauerte, bis<lb/> die Leute vom Ertrage ihrer Felder eine Ernte erzielen konnten. In der<lb/> Zwischenzeit waren sie auf weitere Vorschüsse angewiesen, und die Schuldenlast<lb/> steigerte sich im Laufe eines Jahres oft bis zu 1200 Thalern, die mit sechs<lb/> Procent verzinst werden mußten. Ein Herausarbeiten aus solcher Lage war</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0315]
wünschen übrig. Ihre Namen sowie die der verschiedenen Viertel muthen hei¬
mathlich an: man findet da ein Unterrheinthal, ein Mosel-, ein Nassauerthal
und dergl. Den Charakter einer Kolonie hat das Städtchen dadurch verloren,
daß es zeitweise Residenz des Kaisers und Sammelplatz der Aristokratie ist.
Gasthäuser, andere Spekulationsbauten, Villen drängen sich, wie immer an
solchen Orten, in den Vordergrund, und die Bevölkerung besteht großenteils
aus Wirthen, Handelsleuten und Handwerkern, welche letzteren schlecht und
theuer arbeiten. Die Landwirthschaft wird nur von verhältnißmäßig wenigen
Händen betrieben. Unter der Bevölkerung herrscht viel Streit, namentlich über
Kirche und Schule, und der jüngeren Bevölkerung wird ungebührliche Hin¬
neigung zu brasilianischer Sitte und Sprache sowie Lockerheit der Ansichten in
moralischen Dingen nachgesagt.
144 Kilometer von Petropolis entfernt, 700 Meter über dem Meere liegt
an der großen Straße durch die Provinzen Rio de Janeiro und Minas Geraes
die von dem vermögenden Brasilianer Ferreira Lage 1857 gegründete deutsche
Ansiedelung Juiz de Fora. Vier Jahre lang wollte sie nicht recht gedeihen,
später besserten sich die Verhältnisse. Der Ort hat 1296 Einwohner, darunter
1170 Deutsche, unter denen viele Tiroler und Hessen sowie eine Anzahl
Preußen, Holsteiner und Badenser sind. Die Erzeugnisse der Kolonie be¬
stehen vorzüglich aus Mais, Reis, Gemüsen und Früchten. Auch befinden sich
daselbst Mahl- und Sägemühlen sowie kleine Fabriken. Sehr im Argen liegen
die kirchlichen Verhältnisse und die Schulen, welche letzteren 1874 von 146
Kindern besucht wurden.
Die deutschen Ansiedler in der Provinz S. Paulo sollen etwa 4500 Köpfe
stark sein. Sie arbeiten zum größten Theile auf den Kaffee- und Baum¬
wollenplantagen der Küstenstriche, wo sie kleine Landgüter besitzen, andere sind
Kaufleute und Handwerker in den Städten. In Abieaba lebten 1856 etwa
tausend Deutsche und achthundert Schweizer in leidlichen Verhältnissen. Hemmend
für ihr Fortkommen waren Bedingungen der Kontrakte, die sie mit Vergueiro
eingegangen waren und nach denen sie der Grundherr anderen Gutsbesitzern
überweisen konnte, wenn diese ihm die ihnen gemachten Vorschüsse und Auslagen
erstatteten, und nach welchen die Familie eines Kolonisten verpflichtet war,
wenn er starb, für dessen Schulden auszukommen. Schon durch die Kosten
der Ueberfahrt, welche der Gutsherr vorschoß, stürzte sich der Kolonist bedeutend
in Schulden. Hierzu kam noch, daß es mindestens sechs Monate dauerte, bis
die Leute vom Ertrage ihrer Felder eine Ernte erzielen konnten. In der
Zwischenzeit waren sie auf weitere Vorschüsse angewiesen, und die Schuldenlast
steigerte sich im Laufe eines Jahres oft bis zu 1200 Thalern, die mit sechs
Procent verzinst werden mußten. Ein Herausarbeiten aus solcher Lage war
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