Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Güter. Wenn der Spötter Aristophanes der Aspasia-Hera mit diesem Beinamen
eine Art von Herrschaft über ihren Zeus beilegt, so ist dabei sicher nur an
die freiwillige Huldigung zu denken, die der edle Mann der edlen Frau widmet;
denn er, der kraft seiner inneren Ueberlegenheit alle Athener beherrschte, hat
sich sicher von niemand beherrschen lassen.

Diesem geistigen Bunde zwischen dem größten Manne und der geistreichsten
Frau von Hellas fehlte auch der der Herzen nicht. Es war wirkliche Liebe,
die Beide bis zum Tode verband, für beide eine Quelle reinen Glückes, und
wenn dem Bunde, weil Aspasia Ausländerin war, die bürgerliche Anerkennung
fehlte, so war es nichtsdestoweniger eine wirkliche Ehe.

Wenn übrigens durch den geschilderten Einfluß der Hetären die her¬
kömmliche Stellung der Frauen eine Aenderung erlitt, so ist dies keines¬
wegs so aufzufassen, als ob nun das emancipirte Wesen allgemein an
Stelle der alten Eingezogenheit und Einfachheit getreten wäre. Es war
immer nur ein Theil der hellenischen Frauen, der dadurch afficirt werden
konnte, und dem Hetärengewerbe als solchem gaben sich ausnahmslos
nur Ausländerinnen hin. Schon das Fortbestehen der alten Gesetze über das
Verhältniß der Frauen und die große Zahl der Männer konservativer Gesin¬
nung sorgten dafür, daß die freien Sitten nicht allgemein wurden. Es ist kein
einziges Beispiel dafür vorhanden, daß eine attische Bürgertöchter Hetäre ge¬
worden wäre, und der Vater behielt dauernd das Recht, in diesem Falle seine
Tochter als Sklavin zu verkaufen. Gab ein Bürger seine Tochter zu unsitt¬
lichen Zwecken Preis, so stand darauf Todesstrafe, und an der Strenge, mit
welcher man den Ehebruch behandelte, könnte unsere Zeit sich ein Beispiel
nehmen. Nicht nur, daß der Mann gesetzlich zur Scheidung von der Ehebre¬
cherin verpflichtet war; es traf die Letztere überdies bürgerliche Ehrlosigkeit.
Sie durfte die öffentlichen Heiligthümer nicht mehr besuchen noch öffentlich im
Schmuck der ehrbaren Frauen erscheinen, widrigenfalls sie sich der thätlichen
Censur und Beschimpfung eines Jeden aussetzte. Im grellen Widerspruche
damit stand allerdings die Nachsicht des Gesetzes gegenüber ähnlichen Verge¬
hungen der Ehemänner. Denn einer Frau stand in solchen Krünkungsfällen
nur die Scheideklage zu Gebote, und anch diese nur in besonders schweren
Füllen, wie wenn der Mann eine Hetäre im eigenen Hause unterhielt.

Die privatrechtliche Stellung der Frauen blieb immer eine sehr unterge¬
ordnete; sie mußten in allen Rechtsgeschäften von Männern vertreten wer¬
den. In vermögensrechtlicher Beziehung galten sie als Unmündige, indem alle
Rechtsgeschäfte, deren Objekt den Werth eines Scheffels Gerste überstieg, ihnen
untersagt waren; ja selbst Dispositionen der Männer konnten angefochten wer¬
den, wenn sie nachweislich auf Ueberredung durch Frauen beruhten. -- Eine


Güter. Wenn der Spötter Aristophanes der Aspasia-Hera mit diesem Beinamen
eine Art von Herrschaft über ihren Zeus beilegt, so ist dabei sicher nur an
die freiwillige Huldigung zu denken, die der edle Mann der edlen Frau widmet;
denn er, der kraft seiner inneren Ueberlegenheit alle Athener beherrschte, hat
sich sicher von niemand beherrschen lassen.

Diesem geistigen Bunde zwischen dem größten Manne und der geistreichsten
Frau von Hellas fehlte auch der der Herzen nicht. Es war wirkliche Liebe,
die Beide bis zum Tode verband, für beide eine Quelle reinen Glückes, und
wenn dem Bunde, weil Aspasia Ausländerin war, die bürgerliche Anerkennung
fehlte, so war es nichtsdestoweniger eine wirkliche Ehe.

Wenn übrigens durch den geschilderten Einfluß der Hetären die her¬
kömmliche Stellung der Frauen eine Aenderung erlitt, so ist dies keines¬
wegs so aufzufassen, als ob nun das emancipirte Wesen allgemein an
Stelle der alten Eingezogenheit und Einfachheit getreten wäre. Es war
immer nur ein Theil der hellenischen Frauen, der dadurch afficirt werden
konnte, und dem Hetärengewerbe als solchem gaben sich ausnahmslos
nur Ausländerinnen hin. Schon das Fortbestehen der alten Gesetze über das
Verhältniß der Frauen und die große Zahl der Männer konservativer Gesin¬
nung sorgten dafür, daß die freien Sitten nicht allgemein wurden. Es ist kein
einziges Beispiel dafür vorhanden, daß eine attische Bürgertöchter Hetäre ge¬
worden wäre, und der Vater behielt dauernd das Recht, in diesem Falle seine
Tochter als Sklavin zu verkaufen. Gab ein Bürger seine Tochter zu unsitt¬
lichen Zwecken Preis, so stand darauf Todesstrafe, und an der Strenge, mit
welcher man den Ehebruch behandelte, könnte unsere Zeit sich ein Beispiel
nehmen. Nicht nur, daß der Mann gesetzlich zur Scheidung von der Ehebre¬
cherin verpflichtet war; es traf die Letztere überdies bürgerliche Ehrlosigkeit.
Sie durfte die öffentlichen Heiligthümer nicht mehr besuchen noch öffentlich im
Schmuck der ehrbaren Frauen erscheinen, widrigenfalls sie sich der thätlichen
Censur und Beschimpfung eines Jeden aussetzte. Im grellen Widerspruche
damit stand allerdings die Nachsicht des Gesetzes gegenüber ähnlichen Verge¬
hungen der Ehemänner. Denn einer Frau stand in solchen Krünkungsfällen
nur die Scheideklage zu Gebote, und anch diese nur in besonders schweren
Füllen, wie wenn der Mann eine Hetäre im eigenen Hause unterhielt.

Die privatrechtliche Stellung der Frauen blieb immer eine sehr unterge¬
ordnete; sie mußten in allen Rechtsgeschäften von Männern vertreten wer¬
den. In vermögensrechtlicher Beziehung galten sie als Unmündige, indem alle
Rechtsgeschäfte, deren Objekt den Werth eines Scheffels Gerste überstieg, ihnen
untersagt waren; ja selbst Dispositionen der Männer konnten angefochten wer¬
den, wenn sie nachweislich auf Ueberredung durch Frauen beruhten. — Eine


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0308" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/138009"/>
          <p xml:id="ID_867" prev="#ID_866"> Güter. Wenn der Spötter Aristophanes der Aspasia-Hera mit diesem Beinamen<lb/>
eine Art von Herrschaft über ihren Zeus beilegt, so ist dabei sicher nur an<lb/>
die freiwillige Huldigung zu denken, die der edle Mann der edlen Frau widmet;<lb/>
denn er, der kraft seiner inneren Ueberlegenheit alle Athener beherrschte, hat<lb/>
sich sicher von niemand beherrschen lassen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_868"> Diesem geistigen Bunde zwischen dem größten Manne und der geistreichsten<lb/>
Frau von Hellas fehlte auch der der Herzen nicht. Es war wirkliche Liebe,<lb/>
die Beide bis zum Tode verband, für beide eine Quelle reinen Glückes, und<lb/>
wenn dem Bunde, weil Aspasia Ausländerin war, die bürgerliche Anerkennung<lb/>
fehlte, so war es nichtsdestoweniger eine wirkliche Ehe.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_869"> Wenn übrigens durch den geschilderten Einfluß der Hetären die her¬<lb/>
kömmliche Stellung der Frauen eine Aenderung erlitt, so ist dies keines¬<lb/>
wegs so aufzufassen, als ob nun das emancipirte Wesen allgemein an<lb/>
Stelle der alten Eingezogenheit und Einfachheit getreten wäre. Es war<lb/>
immer nur ein Theil der hellenischen Frauen, der dadurch afficirt werden<lb/>
konnte, und dem Hetärengewerbe als solchem gaben sich ausnahmslos<lb/>
nur Ausländerinnen hin. Schon das Fortbestehen der alten Gesetze über das<lb/>
Verhältniß der Frauen und die große Zahl der Männer konservativer Gesin¬<lb/>
nung sorgten dafür, daß die freien Sitten nicht allgemein wurden. Es ist kein<lb/>
einziges Beispiel dafür vorhanden, daß eine attische Bürgertöchter Hetäre ge¬<lb/>
worden wäre, und der Vater behielt dauernd das Recht, in diesem Falle seine<lb/>
Tochter als Sklavin zu verkaufen. Gab ein Bürger seine Tochter zu unsitt¬<lb/>
lichen Zwecken Preis, so stand darauf Todesstrafe, und an der Strenge, mit<lb/>
welcher man den Ehebruch behandelte, könnte unsere Zeit sich ein Beispiel<lb/>
nehmen. Nicht nur, daß der Mann gesetzlich zur Scheidung von der Ehebre¬<lb/>
cherin verpflichtet war; es traf die Letztere überdies bürgerliche Ehrlosigkeit.<lb/>
Sie durfte die öffentlichen Heiligthümer nicht mehr besuchen noch öffentlich im<lb/>
Schmuck der ehrbaren Frauen erscheinen, widrigenfalls sie sich der thätlichen<lb/>
Censur und Beschimpfung eines Jeden aussetzte. Im grellen Widerspruche<lb/>
damit stand allerdings die Nachsicht des Gesetzes gegenüber ähnlichen Verge¬<lb/>
hungen der Ehemänner. Denn einer Frau stand in solchen Krünkungsfällen<lb/>
nur die Scheideklage zu Gebote, und anch diese nur in besonders schweren<lb/>
Füllen, wie wenn der Mann eine Hetäre im eigenen Hause unterhielt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_870" next="#ID_871"> Die privatrechtliche Stellung der Frauen blieb immer eine sehr unterge¬<lb/>
ordnete; sie mußten in allen Rechtsgeschäften von Männern vertreten wer¬<lb/>
den. In vermögensrechtlicher Beziehung galten sie als Unmündige, indem alle<lb/>
Rechtsgeschäfte, deren Objekt den Werth eines Scheffels Gerste überstieg, ihnen<lb/>
untersagt waren; ja selbst Dispositionen der Männer konnten angefochten wer¬<lb/>
den, wenn sie nachweislich auf Ueberredung durch Frauen beruhten. &#x2014; Eine</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0308] Güter. Wenn der Spötter Aristophanes der Aspasia-Hera mit diesem Beinamen eine Art von Herrschaft über ihren Zeus beilegt, so ist dabei sicher nur an die freiwillige Huldigung zu denken, die der edle Mann der edlen Frau widmet; denn er, der kraft seiner inneren Ueberlegenheit alle Athener beherrschte, hat sich sicher von niemand beherrschen lassen. Diesem geistigen Bunde zwischen dem größten Manne und der geistreichsten Frau von Hellas fehlte auch der der Herzen nicht. Es war wirkliche Liebe, die Beide bis zum Tode verband, für beide eine Quelle reinen Glückes, und wenn dem Bunde, weil Aspasia Ausländerin war, die bürgerliche Anerkennung fehlte, so war es nichtsdestoweniger eine wirkliche Ehe. Wenn übrigens durch den geschilderten Einfluß der Hetären die her¬ kömmliche Stellung der Frauen eine Aenderung erlitt, so ist dies keines¬ wegs so aufzufassen, als ob nun das emancipirte Wesen allgemein an Stelle der alten Eingezogenheit und Einfachheit getreten wäre. Es war immer nur ein Theil der hellenischen Frauen, der dadurch afficirt werden konnte, und dem Hetärengewerbe als solchem gaben sich ausnahmslos nur Ausländerinnen hin. Schon das Fortbestehen der alten Gesetze über das Verhältniß der Frauen und die große Zahl der Männer konservativer Gesin¬ nung sorgten dafür, daß die freien Sitten nicht allgemein wurden. Es ist kein einziges Beispiel dafür vorhanden, daß eine attische Bürgertöchter Hetäre ge¬ worden wäre, und der Vater behielt dauernd das Recht, in diesem Falle seine Tochter als Sklavin zu verkaufen. Gab ein Bürger seine Tochter zu unsitt¬ lichen Zwecken Preis, so stand darauf Todesstrafe, und an der Strenge, mit welcher man den Ehebruch behandelte, könnte unsere Zeit sich ein Beispiel nehmen. Nicht nur, daß der Mann gesetzlich zur Scheidung von der Ehebre¬ cherin verpflichtet war; es traf die Letztere überdies bürgerliche Ehrlosigkeit. Sie durfte die öffentlichen Heiligthümer nicht mehr besuchen noch öffentlich im Schmuck der ehrbaren Frauen erscheinen, widrigenfalls sie sich der thätlichen Censur und Beschimpfung eines Jeden aussetzte. Im grellen Widerspruche damit stand allerdings die Nachsicht des Gesetzes gegenüber ähnlichen Verge¬ hungen der Ehemänner. Denn einer Frau stand in solchen Krünkungsfällen nur die Scheideklage zu Gebote, und anch diese nur in besonders schweren Füllen, wie wenn der Mann eine Hetäre im eigenen Hause unterhielt. Die privatrechtliche Stellung der Frauen blieb immer eine sehr unterge¬ ordnete; sie mußten in allen Rechtsgeschäften von Männern vertreten wer¬ den. In vermögensrechtlicher Beziehung galten sie als Unmündige, indem alle Rechtsgeschäfte, deren Objekt den Werth eines Scheffels Gerste überstieg, ihnen untersagt waren; ja selbst Dispositionen der Männer konnten angefochten wer¬ den, wenn sie nachweislich auf Ueberredung durch Frauen beruhten. — Eine

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/308
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/308>, abgerufen am 23.07.2024.