Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.und schwärmten unter Tympanon- und Flötenschall auf den Fluren umher. In Argos faud alle fünf Jahre die Darbringung eines voU sechzehn aus- Daß bei den stets mit religiösen Ceremonien verbundenen Hochzeitsfesten und schwärmten unter Tympanon- und Flötenschall auf den Fluren umher. In Argos faud alle fünf Jahre die Darbringung eines voU sechzehn aus- Daß bei den stets mit religiösen Ceremonien verbundenen Hochzeitsfesten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0302" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/138003"/> <p xml:id="ID_845" prev="#ID_844"> und schwärmten unter Tympanon- und Flötenschall auf den Fluren umher.<lb/> Wie das Geschrei von Rasenden hallte ihr Jubel- und Klagerufen in den<lb/> Thälern wieder, der Wald ward erleuchtet von den Fackeln und die Thiere<lb/> des Feldes von dem Jakchosrufen aufgescheucht. „Die Opfer, ein Rind, ein<lb/> Bock, auch wohl Thiere des Waldes, Hirschkälber, Rehe und dergl. wurden ge¬<lb/> schlachtet, die geschlachteten nicht zerlegt, sondern zerrissen, Stücke des Fleisches<lb/> roh verschlungen." Doch war nicht überall dieser Kultus so barbarisch wie<lb/> in Tanagra, Brysä, Argos, auf dem Kithäron, auf Naxos und Kreta. Die<lb/> Namen der feiernden Weiber: Bakchä, Mänaden, Thyiaden, Bassariden u. a.<lb/> sind von der ausgelassenen Art der Feier hergenommen.</p><lb/> <p xml:id="ID_846"> In Argos faud alle fünf Jahre die Darbringung eines voU sechzehn aus-<lb/> erwühlteu Frauen gewebten Kleides im Tempel der Hera und ein Wettlauf<lb/> von Jungfrauen statt. Nach dem Alter in drei Gruppen getheilt, durchliefen<lb/> sie im kurzen Gewände, mit fliegenden Haaren und entblößter rechter Schulter<lb/> die Rennbahn. „Die Siegerinnen bekamen Kränze von Oelzweigen und einen<lb/> Antheil von dem der Hera geopferten Rinde; auch war ihnen gestattet, ihr<lb/> gemaltes Bild als Weihgeschenk im Heiligthum aufzustellen." Die Aphro¬<lb/> ditefeste gaben begreiflicherweise einer Klasse von Mädchen, die, wie ich noch<lb/> zu zeigen haben werde, im Uebrigen gesellschaftlich todt waren, Gelegenheit<lb/> zum öffentlichen Auftreten; doch hatten auch die ehrbare« Frauen ihren An¬<lb/> theil an den Festen der Liebesgöttin. Vorzugsweise von Frauen wurde auch<lb/> das natursymbvlische Fest des Adonis begangen, des schönen Geliebten der<lb/> Aphrodite, dessen Tod man am ersten Tage beklagte, während am nächsten<lb/> sein Wiederaufleben mit Jubel gefeiert wurde.</p><lb/> <p xml:id="ID_847" next="#ID_848"> Daß bei den stets mit religiösen Ceremonien verbundenen Hochzeitsfesten<lb/> die Braut die Hauptrolle spielte, ist selbstverständlich und oben schon kurz be¬<lb/> rührt wordeu. Schon vor der Hochzeit wurden die die Ehe schützenden Gott¬<lb/> heiten ungerufen, besonders Hera, Artemis, Gäa, Aphrodite u. A. In<lb/> Hermione opferten die Bräute der Aphrodite; in Athen wurde die zu Ver¬<lb/> mählende von den Eltern auf die Akropolis in den Tempel der Athene Polias<lb/> geführt, um dere« Segen zu erflehen. In Megara weihten die Brüllte ihr<lb/> Haar der Jphinoö, in Trözen ihren Gürtel der Athene. Die Heimführung<lb/> der Neuvermählten zu Wagen unter festlichem Gesang und Frenndesgeleit fand<lb/> unter ähnlichen Ceremonien wie in der heroischen Zeit statt. An dem Hoch-<lb/> zeitsmcihl im Hanse des Brautvaters nahm die Braut verschleiert Theil; un-<lb/> verschleiert zeigte sie sich ihrem Manne erst am Tage nach der Hochzeit. In<lb/> Sparta herrschte die Sitte, daß der Brüntigam sich der Braut durch eine Art<lb/> von gewaltsamer Entführung bemächtigte, welcher aber gleichfalls die Verlobung<lb/> vorausgegangen war. In das Haus des Mannes eingetreten, stand die Frau</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0302]
und schwärmten unter Tympanon- und Flötenschall auf den Fluren umher.
Wie das Geschrei von Rasenden hallte ihr Jubel- und Klagerufen in den
Thälern wieder, der Wald ward erleuchtet von den Fackeln und die Thiere
des Feldes von dem Jakchosrufen aufgescheucht. „Die Opfer, ein Rind, ein
Bock, auch wohl Thiere des Waldes, Hirschkälber, Rehe und dergl. wurden ge¬
schlachtet, die geschlachteten nicht zerlegt, sondern zerrissen, Stücke des Fleisches
roh verschlungen." Doch war nicht überall dieser Kultus so barbarisch wie
in Tanagra, Brysä, Argos, auf dem Kithäron, auf Naxos und Kreta. Die
Namen der feiernden Weiber: Bakchä, Mänaden, Thyiaden, Bassariden u. a.
sind von der ausgelassenen Art der Feier hergenommen.
In Argos faud alle fünf Jahre die Darbringung eines voU sechzehn aus-
erwühlteu Frauen gewebten Kleides im Tempel der Hera und ein Wettlauf
von Jungfrauen statt. Nach dem Alter in drei Gruppen getheilt, durchliefen
sie im kurzen Gewände, mit fliegenden Haaren und entblößter rechter Schulter
die Rennbahn. „Die Siegerinnen bekamen Kränze von Oelzweigen und einen
Antheil von dem der Hera geopferten Rinde; auch war ihnen gestattet, ihr
gemaltes Bild als Weihgeschenk im Heiligthum aufzustellen." Die Aphro¬
ditefeste gaben begreiflicherweise einer Klasse von Mädchen, die, wie ich noch
zu zeigen haben werde, im Uebrigen gesellschaftlich todt waren, Gelegenheit
zum öffentlichen Auftreten; doch hatten auch die ehrbare« Frauen ihren An¬
theil an den Festen der Liebesgöttin. Vorzugsweise von Frauen wurde auch
das natursymbvlische Fest des Adonis begangen, des schönen Geliebten der
Aphrodite, dessen Tod man am ersten Tage beklagte, während am nächsten
sein Wiederaufleben mit Jubel gefeiert wurde.
Daß bei den stets mit religiösen Ceremonien verbundenen Hochzeitsfesten
die Braut die Hauptrolle spielte, ist selbstverständlich und oben schon kurz be¬
rührt wordeu. Schon vor der Hochzeit wurden die die Ehe schützenden Gott¬
heiten ungerufen, besonders Hera, Artemis, Gäa, Aphrodite u. A. In
Hermione opferten die Bräute der Aphrodite; in Athen wurde die zu Ver¬
mählende von den Eltern auf die Akropolis in den Tempel der Athene Polias
geführt, um dere« Segen zu erflehen. In Megara weihten die Brüllte ihr
Haar der Jphinoö, in Trözen ihren Gürtel der Athene. Die Heimführung
der Neuvermählten zu Wagen unter festlichem Gesang und Frenndesgeleit fand
unter ähnlichen Ceremonien wie in der heroischen Zeit statt. An dem Hoch-
zeitsmcihl im Hanse des Brautvaters nahm die Braut verschleiert Theil; un-
verschleiert zeigte sie sich ihrem Manne erst am Tage nach der Hochzeit. In
Sparta herrschte die Sitte, daß der Brüntigam sich der Braut durch eine Art
von gewaltsamer Entführung bemächtigte, welcher aber gleichfalls die Verlobung
vorausgegangen war. In das Haus des Mannes eingetreten, stand die Frau
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