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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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der Priesterin der Hera, wie in Athen nach dem ersten Archonten. Dem Leiter
der geheimnißvollen Feier bei den eleusinischen Mysterien stand offiziell eine
Priesterin ans dem edeln Geschlechte der Phylliden zur Seite, die nach Be-
kleidung dieses hochheiligen Amtes nur noch mit dem Amtsnamen angeredet
wurde.

Auch als untergeordnete Dienerinnen der Heiligthümer, als Sängerinnen,
Tänzerinnen u. s. w. standen zahlreiche Frauen, meist aber Nichtbürgerinnen
im Kultusdienste, und an den Gottesdiensten, Opfern und Festfeiern nahm der
weibliche Theil der Bürgerschaft natürlich ebenfalls Antheil, ja einige Feste
wurden bloß von den Weibern gefeiert.

Am Frühlingsfeste der Delphinien, um damit zu beginnen, war es eine
Schaar von Jungfrauen, die mit Bittzweigen in den Händen dem Tempel des
Apollon nahte, um ihn zu versöhnen. An dem Feste der Hyakinthien in
Amyklä betheiligten sich die spartanischen Frauen, indem sie gemeinsam dem
Gotte einen Chiton webten, die Jungfrauen, indem sie, auf Korbwagen fahrend,
an der Procession Theil nahmen. Den Glanzpunkt des berühmten Festes
der Panathenäen zu Athen bildete die feierliche Procession, welche der Stadt¬
göttin den von den Bürgerinnen gewebten prachtvollen Peplos darbrachte.
Frauen und Mädchen nahmen daran Theil und brachten in Körben und Ge¬
fäßen der Göttin Gaben dar. Auch beim Feste der Brauronischen Artemis
stellte sich die Blüthe der weiblichen Jugend der Göttin dar. Die Mädchen
zwischen dem fünften und zehnten Jahre wurden zu ihren Schützlingen geweiht,
mit safranfarbenen gestickten Festkleidern von ihren Müttern dem Tempel zu¬
geführt und blieben nun fünf Jahre in diesem Clientelverhältniß. Tan¬
zende Jungfrauenchöre traten beim Feste der Artemis Karyatis in Arkadien auf,
wobei sie "unter andern auch diejenige Stellung anzunehmen hatten, von
welcher die Künstler das Motiv zu den sogenannten Karyatiden hergenommen
haben". Ein eigentliches Frauenfest waren die der Demeter heiligen Thes-
mophorien, welche die athenischen Frauen am Strande bei Kolias feierten. Zu¬
gelassen wurden nur verheirathete Bürgerinnen von echter Herkunft, nntadel-
hastem Wandel und gesetzmüßiger Ehe. Nach einer zweimaligen nächtlichen
Feier im Tempel zu Halimus fand die Rückkehr der Procession nach Athen
und ein weiteres dreitägiges Fest mit Opfer, Fasten und mimischen Tänzen
statt. Auch an den theilweise ausgelassenen und orgiastischen dionysischen
Festfeiern nahmen die Frauen Antheil, und an vielen Orten, wo der wilde
Charakter des aus Thrakien und Phrygien nach Griechenland gekommenen
Festes sich erhalten hatte, führten sie in der unbändigsten Weise die Fest¬
gebräuche an. nächtlicher Weile versammelten sie sich, Frauen und Mädchen,
mit Epheu bekränzt, Thyrsosstäbe und allerlei mystische Symbole in den Händen,


Grenzboten II. 1377. 38

der Priesterin der Hera, wie in Athen nach dem ersten Archonten. Dem Leiter
der geheimnißvollen Feier bei den eleusinischen Mysterien stand offiziell eine
Priesterin ans dem edeln Geschlechte der Phylliden zur Seite, die nach Be-
kleidung dieses hochheiligen Amtes nur noch mit dem Amtsnamen angeredet
wurde.

Auch als untergeordnete Dienerinnen der Heiligthümer, als Sängerinnen,
Tänzerinnen u. s. w. standen zahlreiche Frauen, meist aber Nichtbürgerinnen
im Kultusdienste, und an den Gottesdiensten, Opfern und Festfeiern nahm der
weibliche Theil der Bürgerschaft natürlich ebenfalls Antheil, ja einige Feste
wurden bloß von den Weibern gefeiert.

Am Frühlingsfeste der Delphinien, um damit zu beginnen, war es eine
Schaar von Jungfrauen, die mit Bittzweigen in den Händen dem Tempel des
Apollon nahte, um ihn zu versöhnen. An dem Feste der Hyakinthien in
Amyklä betheiligten sich die spartanischen Frauen, indem sie gemeinsam dem
Gotte einen Chiton webten, die Jungfrauen, indem sie, auf Korbwagen fahrend,
an der Procession Theil nahmen. Den Glanzpunkt des berühmten Festes
der Panathenäen zu Athen bildete die feierliche Procession, welche der Stadt¬
göttin den von den Bürgerinnen gewebten prachtvollen Peplos darbrachte.
Frauen und Mädchen nahmen daran Theil und brachten in Körben und Ge¬
fäßen der Göttin Gaben dar. Auch beim Feste der Brauronischen Artemis
stellte sich die Blüthe der weiblichen Jugend der Göttin dar. Die Mädchen
zwischen dem fünften und zehnten Jahre wurden zu ihren Schützlingen geweiht,
mit safranfarbenen gestickten Festkleidern von ihren Müttern dem Tempel zu¬
geführt und blieben nun fünf Jahre in diesem Clientelverhältniß. Tan¬
zende Jungfrauenchöre traten beim Feste der Artemis Karyatis in Arkadien auf,
wobei sie „unter andern auch diejenige Stellung anzunehmen hatten, von
welcher die Künstler das Motiv zu den sogenannten Karyatiden hergenommen
haben". Ein eigentliches Frauenfest waren die der Demeter heiligen Thes-
mophorien, welche die athenischen Frauen am Strande bei Kolias feierten. Zu¬
gelassen wurden nur verheirathete Bürgerinnen von echter Herkunft, nntadel-
hastem Wandel und gesetzmüßiger Ehe. Nach einer zweimaligen nächtlichen
Feier im Tempel zu Halimus fand die Rückkehr der Procession nach Athen
und ein weiteres dreitägiges Fest mit Opfer, Fasten und mimischen Tänzen
statt. Auch an den theilweise ausgelassenen und orgiastischen dionysischen
Festfeiern nahmen die Frauen Antheil, und an vielen Orten, wo der wilde
Charakter des aus Thrakien und Phrygien nach Griechenland gekommenen
Festes sich erhalten hatte, führten sie in der unbändigsten Weise die Fest¬
gebräuche an. nächtlicher Weile versammelten sie sich, Frauen und Mädchen,
mit Epheu bekränzt, Thyrsosstäbe und allerlei mystische Symbole in den Händen,


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[0301] der Priesterin der Hera, wie in Athen nach dem ersten Archonten. Dem Leiter der geheimnißvollen Feier bei den eleusinischen Mysterien stand offiziell eine Priesterin ans dem edeln Geschlechte der Phylliden zur Seite, die nach Be- kleidung dieses hochheiligen Amtes nur noch mit dem Amtsnamen angeredet wurde. Auch als untergeordnete Dienerinnen der Heiligthümer, als Sängerinnen, Tänzerinnen u. s. w. standen zahlreiche Frauen, meist aber Nichtbürgerinnen im Kultusdienste, und an den Gottesdiensten, Opfern und Festfeiern nahm der weibliche Theil der Bürgerschaft natürlich ebenfalls Antheil, ja einige Feste wurden bloß von den Weibern gefeiert. Am Frühlingsfeste der Delphinien, um damit zu beginnen, war es eine Schaar von Jungfrauen, die mit Bittzweigen in den Händen dem Tempel des Apollon nahte, um ihn zu versöhnen. An dem Feste der Hyakinthien in Amyklä betheiligten sich die spartanischen Frauen, indem sie gemeinsam dem Gotte einen Chiton webten, die Jungfrauen, indem sie, auf Korbwagen fahrend, an der Procession Theil nahmen. Den Glanzpunkt des berühmten Festes der Panathenäen zu Athen bildete die feierliche Procession, welche der Stadt¬ göttin den von den Bürgerinnen gewebten prachtvollen Peplos darbrachte. Frauen und Mädchen nahmen daran Theil und brachten in Körben und Ge¬ fäßen der Göttin Gaben dar. Auch beim Feste der Brauronischen Artemis stellte sich die Blüthe der weiblichen Jugend der Göttin dar. Die Mädchen zwischen dem fünften und zehnten Jahre wurden zu ihren Schützlingen geweiht, mit safranfarbenen gestickten Festkleidern von ihren Müttern dem Tempel zu¬ geführt und blieben nun fünf Jahre in diesem Clientelverhältniß. Tan¬ zende Jungfrauenchöre traten beim Feste der Artemis Karyatis in Arkadien auf, wobei sie „unter andern auch diejenige Stellung anzunehmen hatten, von welcher die Künstler das Motiv zu den sogenannten Karyatiden hergenommen haben". Ein eigentliches Frauenfest waren die der Demeter heiligen Thes- mophorien, welche die athenischen Frauen am Strande bei Kolias feierten. Zu¬ gelassen wurden nur verheirathete Bürgerinnen von echter Herkunft, nntadel- hastem Wandel und gesetzmüßiger Ehe. Nach einer zweimaligen nächtlichen Feier im Tempel zu Halimus fand die Rückkehr der Procession nach Athen und ein weiteres dreitägiges Fest mit Opfer, Fasten und mimischen Tänzen statt. Auch an den theilweise ausgelassenen und orgiastischen dionysischen Festfeiern nahmen die Frauen Antheil, und an vielen Orten, wo der wilde Charakter des aus Thrakien und Phrygien nach Griechenland gekommenen Festes sich erhalten hatte, führten sie in der unbändigsten Weise die Fest¬ gebräuche an. nächtlicher Weile versammelten sie sich, Frauen und Mädchen, mit Epheu bekränzt, Thyrsosstäbe und allerlei mystische Symbole in den Händen, Grenzboten II. 1377. 38

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/301>, abgerufen am 26.06.2024.