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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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den Rest zu bezahlen, und die hat es hier meistens in der Hand abzuwägen,
wie viel ihr größere Breite, bequeme Steigungen und dergl. mehr werth ist,
denn Alles dieses beeinflußt die Kosten solcher Bauten sehr erheblich, während
die Bahn absolut kein Interesse an diesen Fragen hat, oder doch nur in den
allerseltensten Fällen.

Derartige Fälle kommen heutzutage bei allen Bahnen in sehr großer An¬
zahl vor, und die Summen, die so an Stelle der Gemeinden von den Bahnen
bezahlt werden müssen, repräsentiren solche Kapitalien, daß man für deren Zinsen
die Tarife recht erheblich ermäßigen könnte.

Wie wird nun aber gar erst in Großstädten verfahren, wenn die Ver¬
kehrszunahme eine wesentliche Erweiterung der Bahnhofsgeleiseanlagen noth¬
wendig macht. Seit Erbauung der Bahn haben sich gerade um diese herum
blühende Stadttheile entwickelt, deren Verbindungen untereinander und mit
anderen Stadttheilen wegen der dazwischen liegenden Bahn mangelhafte sind.
In wessen Interesse liegt es nun, diese Stadttheile mit besseren Kommuni¬
kationen zu versehen, im Interesse der Gesammtheit, welche die betreffende
Eisenbahn benutzen und also auch verzinsen muß, oder im Interesse der Stadt
resp, der Stadttheile? Meines Dafürhaltens doch ausschließlich im Interesse der
Letzteren. Nichtsdestoweniger wird aber jede derartige Gelegenheit benutzt, um
die Eisenbahn dazu zu veranlassen, die bestehenden Verhältnisse auf ihre Kosten
zu verbessern, und bisher stets mit dem besten Erfolge. Man betrachte einmal
die in den letzten Jahrzehnten in Berlin ausgeführten Höherlegungen verschie¬
dener Bahnhöfe, die lediglich deßwegen ausgeführt wurden, weil es für noth¬
wendig befunden wurde, an Stelle früherer untergeordneter Fuß- und Feldwege
städtische Straßen durch die Bahnen hindurch zu führen. Dies kann aber in
solchen Fällen nur durch Höher- oder Tieferlegung der ganzen weiten Bahn¬
hofsfläche um vier bis fünf Meter erreicht werden, und daß solche Niveau¬
veränderungen bei Flächen von 7200 Ar Millionen verschlingen, ist leicht
einleuchtend. Sind nun solche Summen im Interesse und zum Wohle der
Gesammtheit nutzbringend verausgabt? Ganz gewiß nicht. Berlin hat zwar
den größten Nutzen daraus gezogen, sonst -- aber nicht ein Fuß breit deutschen
Landes, überhaupt sonst Niemand. Ist es da ein Wunder, daß trotz der er¬
höhten Tarife und trotz der Verkehrszunahme die Renten der Bahnen immer
tiefer sinken? Und nun gar die luxuriös nusgestatteten Paläste, die in Gro߬
städten neuerdings als Empfangsgebände errichtet worden sind, wo es sich doch
uur um einen Nützlichkeitsbau, nicht um Räume für Kunst und Wissenschaft
handelt. Die Schuld hierfür trifft freilich die Bahnen selbst, aber sie scheuen
sich einfache Gebäude herzustellen, weil sofort die ganze Lokalpresse und öffent¬
liche Meinung über die "divideudenschneidenden" Aktionäre bei Privatbahnen


den Rest zu bezahlen, und die hat es hier meistens in der Hand abzuwägen,
wie viel ihr größere Breite, bequeme Steigungen und dergl. mehr werth ist,
denn Alles dieses beeinflußt die Kosten solcher Bauten sehr erheblich, während
die Bahn absolut kein Interesse an diesen Fragen hat, oder doch nur in den
allerseltensten Fällen.

Derartige Fälle kommen heutzutage bei allen Bahnen in sehr großer An¬
zahl vor, und die Summen, die so an Stelle der Gemeinden von den Bahnen
bezahlt werden müssen, repräsentiren solche Kapitalien, daß man für deren Zinsen
die Tarife recht erheblich ermäßigen könnte.

Wie wird nun aber gar erst in Großstädten verfahren, wenn die Ver¬
kehrszunahme eine wesentliche Erweiterung der Bahnhofsgeleiseanlagen noth¬
wendig macht. Seit Erbauung der Bahn haben sich gerade um diese herum
blühende Stadttheile entwickelt, deren Verbindungen untereinander und mit
anderen Stadttheilen wegen der dazwischen liegenden Bahn mangelhafte sind.
In wessen Interesse liegt es nun, diese Stadttheile mit besseren Kommuni¬
kationen zu versehen, im Interesse der Gesammtheit, welche die betreffende
Eisenbahn benutzen und also auch verzinsen muß, oder im Interesse der Stadt
resp, der Stadttheile? Meines Dafürhaltens doch ausschließlich im Interesse der
Letzteren. Nichtsdestoweniger wird aber jede derartige Gelegenheit benutzt, um
die Eisenbahn dazu zu veranlassen, die bestehenden Verhältnisse auf ihre Kosten
zu verbessern, und bisher stets mit dem besten Erfolge. Man betrachte einmal
die in den letzten Jahrzehnten in Berlin ausgeführten Höherlegungen verschie¬
dener Bahnhöfe, die lediglich deßwegen ausgeführt wurden, weil es für noth¬
wendig befunden wurde, an Stelle früherer untergeordneter Fuß- und Feldwege
städtische Straßen durch die Bahnen hindurch zu führen. Dies kann aber in
solchen Fällen nur durch Höher- oder Tieferlegung der ganzen weiten Bahn¬
hofsfläche um vier bis fünf Meter erreicht werden, und daß solche Niveau¬
veränderungen bei Flächen von 7200 Ar Millionen verschlingen, ist leicht
einleuchtend. Sind nun solche Summen im Interesse und zum Wohle der
Gesammtheit nutzbringend verausgabt? Ganz gewiß nicht. Berlin hat zwar
den größten Nutzen daraus gezogen, sonst — aber nicht ein Fuß breit deutschen
Landes, überhaupt sonst Niemand. Ist es da ein Wunder, daß trotz der er¬
höhten Tarife und trotz der Verkehrszunahme die Renten der Bahnen immer
tiefer sinken? Und nun gar die luxuriös nusgestatteten Paläste, die in Gro߬
städten neuerdings als Empfangsgebände errichtet worden sind, wo es sich doch
uur um einen Nützlichkeitsbau, nicht um Räume für Kunst und Wissenschaft
handelt. Die Schuld hierfür trifft freilich die Bahnen selbst, aber sie scheuen
sich einfache Gebäude herzustellen, weil sofort die ganze Lokalpresse und öffent¬
liche Meinung über die „divideudenschneidenden" Aktionäre bei Privatbahnen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/255>, abgerufen am 28.09.2024.