Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.Tolkemit am Frischer Haff, wo der Aal an der großen Kette liegt". Dann: "Von wo bist Du?" -- Vom Ksionsker Rohrbruch, wo der Kiebitz den Recht ergötzlich ist die Anekdote, mit der sich das Volk die Spitznamen Tolkemit am Frischer Haff, wo der Aal an der großen Kette liegt". Dann: „Von wo bist Du?" — Vom Ksionsker Rohrbruch, wo der Kiebitz den Recht ergötzlich ist die Anekdote, mit der sich das Volk die Spitznamen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0225" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/137926"/> <p xml:id="ID_598" prev="#ID_597"> Tolkemit am Frischer Haff, wo der Aal an der großen Kette liegt". Dann:<lb/> „In Tolkemit wohnen nemmndneunzig Töpfer; wenn der hundertste jung wird,<lb/> stirbt einer". Endlich: „Om Tolkemit liggt e grvte Steen, on wenn de Hahn<lb/> kreegt, röhrt he sol" — nämlich der Hahn. „Trink ut on komm on häng de<lb/> Hcindschke äwre Schulter" ist zu Kumehnen im Kreise Fischhausen eine gefähr¬<lb/> liche Aeußerung, die man nur wagen darf, wenn man die Hand schon auf der<lb/> Thürklinke hat. Die Kumehner sollen durch diese Worte zum Heimgehen aus<lb/> dem Kruge aufgefordert, sich darnach aber erst recht festgesetzt haben. „Er ist<lb/> ein Ungetaufter", sagt man in Preußen von den Bewohnern des Dorfes<lb/> Karczupchen im Gumbinner Kreise, weil Leute aus diesem Orte einst mit einem<lb/> Kinde zur Taufe gefahren seien, sich aber unterwegs in der Schenke so gut<lb/> gefallen haben sollen, daß sie die Kirche vergessen und das Kind umgetauft wieder<lb/> uach Hause gebracht hätten.</p><lb/> <p xml:id="ID_599"> „Von wo bist Du?" — Vom Ksionsker Rohrbruch, wo der Kiebitz den<lb/> Bullen todtstieß", ist ein Neckwort im Kreise Strasburg. „Von wo bist Dn?"<lb/> — „Von Jerrentowitz, wo sie die großen Keilchen kochen, vom halben Scheffel drei"<lb/> sagt man bei Rheden, und die Gefoppten geben zur Antwort: „Wir kochen<lb/> nicht vom halben Scheffel, sondern von Mehl Keilchen". In Nikolaiken liegt<lb/> ein Stinthengst an der Kette. „Es giebt dreierlei Menschen: gute, schlechte und<lb/> Pillkaller". „Es gibt verschiedene Menschen: gute Menschen, böse Menschen<lb/> und Tolkemiter." Die Bauern des Dorfes Kromargen führen in der Gegend<lb/> von Eilau den Spitznamen „Klokschieter". Die Rastenbnrger werden mit dem<lb/> Namen „Kapusendiebe" geärgert. Die Gegend von Zinken heißt bei den Nach¬<lb/> barn die „Hundstürkei". Wenn man die Bewohner der Gegend zwischen<lb/> Labiau und Tapiau in den Harnisch bringen will, sagt man von ihnen, sie<lb/> stammten aus dem Hundemacherwinkel. Eine oft gehörte Redensart ist: „Er<lb/> ist dreist wie ein Braunsberger". Leute, die es den Ausländern in der Sprache<lb/> und im Benehmen nachthun wollen, werden „Ausländer aus Zinken" genannt.<lb/> Veranlassung zu dieser Bezeichnung sollen Handwerksburschen aus Zinken ge¬<lb/> geben haben, die sich in Domuau für Weithergewauderte ausgegeben Hütten.<lb/> Von alten Zeiten her führen die Bürger der Stadt Goldapp den Spottnamen<lb/> der „Ferkelmacher", und zwar soll sich derselbe von einem liederlichen Maler<lb/> herschreiben, der das Stadtwappen am Rathhause zu malen beauftragt worden sei.<lb/> Derselbe malte aber zuerst mit Oelfarben eine San mit einer Ferkelfamilie und<lb/> darüber mit Wasserfarben das verlangte Wappen. Die nasse Witterung spülte<lb/> letzteres bald ab, während die Ferkel mit ihrer Mutter blieben, worüber dem<lb/> Maler dann ein großer Prozeß angehangen wurde. Natürlich lassen die<lb/> Goldapper sich an denselben nicht gern erinnern." —</p><lb/> <p xml:id="ID_600" next="#ID_601"> Recht ergötzlich ist die Anekdote, mit der sich das Volk die Spitznamen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0225]
Tolkemit am Frischer Haff, wo der Aal an der großen Kette liegt". Dann:
„In Tolkemit wohnen nemmndneunzig Töpfer; wenn der hundertste jung wird,
stirbt einer". Endlich: „Om Tolkemit liggt e grvte Steen, on wenn de Hahn
kreegt, röhrt he sol" — nämlich der Hahn. „Trink ut on komm on häng de
Hcindschke äwre Schulter" ist zu Kumehnen im Kreise Fischhausen eine gefähr¬
liche Aeußerung, die man nur wagen darf, wenn man die Hand schon auf der
Thürklinke hat. Die Kumehner sollen durch diese Worte zum Heimgehen aus
dem Kruge aufgefordert, sich darnach aber erst recht festgesetzt haben. „Er ist
ein Ungetaufter", sagt man in Preußen von den Bewohnern des Dorfes
Karczupchen im Gumbinner Kreise, weil Leute aus diesem Orte einst mit einem
Kinde zur Taufe gefahren seien, sich aber unterwegs in der Schenke so gut
gefallen haben sollen, daß sie die Kirche vergessen und das Kind umgetauft wieder
uach Hause gebracht hätten.
„Von wo bist Du?" — Vom Ksionsker Rohrbruch, wo der Kiebitz den
Bullen todtstieß", ist ein Neckwort im Kreise Strasburg. „Von wo bist Dn?"
— „Von Jerrentowitz, wo sie die großen Keilchen kochen, vom halben Scheffel drei"
sagt man bei Rheden, und die Gefoppten geben zur Antwort: „Wir kochen
nicht vom halben Scheffel, sondern von Mehl Keilchen". In Nikolaiken liegt
ein Stinthengst an der Kette. „Es giebt dreierlei Menschen: gute, schlechte und
Pillkaller". „Es gibt verschiedene Menschen: gute Menschen, böse Menschen
und Tolkemiter." Die Bauern des Dorfes Kromargen führen in der Gegend
von Eilau den Spitznamen „Klokschieter". Die Rastenbnrger werden mit dem
Namen „Kapusendiebe" geärgert. Die Gegend von Zinken heißt bei den Nach¬
barn die „Hundstürkei". Wenn man die Bewohner der Gegend zwischen
Labiau und Tapiau in den Harnisch bringen will, sagt man von ihnen, sie
stammten aus dem Hundemacherwinkel. Eine oft gehörte Redensart ist: „Er
ist dreist wie ein Braunsberger". Leute, die es den Ausländern in der Sprache
und im Benehmen nachthun wollen, werden „Ausländer aus Zinken" genannt.
Veranlassung zu dieser Bezeichnung sollen Handwerksburschen aus Zinken ge¬
geben haben, die sich in Domuau für Weithergewauderte ausgegeben Hütten.
Von alten Zeiten her führen die Bürger der Stadt Goldapp den Spottnamen
der „Ferkelmacher", und zwar soll sich derselbe von einem liederlichen Maler
herschreiben, der das Stadtwappen am Rathhause zu malen beauftragt worden sei.
Derselbe malte aber zuerst mit Oelfarben eine San mit einer Ferkelfamilie und
darüber mit Wasserfarben das verlangte Wappen. Die nasse Witterung spülte
letzteres bald ab, während die Ferkel mit ihrer Mutter blieben, worüber dem
Maler dann ein großer Prozeß angehangen wurde. Natürlich lassen die
Goldapper sich an denselben nicht gern erinnern." —
Recht ergötzlich ist die Anekdote, mit der sich das Volk die Spitznamen
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