Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.rief die Gemeinde, "was sagst Du uns von dem Klimsklums? Den Bauern "Hietsch! Hietsch!" ist in der Gegend von Lötzen ein Ruf, mit dein man Stark verspottet werden die Bewohner von Mühlhausen an der Ostbahn, rief die Gemeinde, „was sagst Du uns von dem Klimsklums? Den Bauern „Hietsch! Hietsch!" ist in der Gegend von Lötzen ein Ruf, mit dein man Stark verspottet werden die Bewohner von Mühlhausen an der Ostbahn, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0224" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/137925"/> <p xml:id="ID_595" prev="#ID_594"> rief die Gemeinde, „was sagst Du uns von dem Klimsklums? Den Bauern<lb/> vom Hause, oder wir wollen Dir etwas Anderes zeigen."</p><lb/> <p xml:id="ID_596"> „Hietsch! Hietsch!" ist in der Gegend von Lötzen ein Ruf, mit dein man<lb/> junge Pferde an sich lockt, dann aber auch ein Spitzname für die Bewohner<lb/> des Dorfes Wissowatten. In der Nähe desselben soll ehedem ein großer Wald<lb/> gestanden haben. Der dortige Förster lud die Bauern ein, bei ihm zu Mittage<lb/> zu essen; er wolle ihnen ein Elennthier vorsetzen, welches er geschossen habe.<lb/> Das Fleisch mundete den Leuten, aber nach der Mahlzeit offenbarte ihnen der<lb/> Jäger, daß sie ein Füllen verspeist hatten. Seit der Zeit werden sie damit<lb/> geneckt. Nach einer alten Urkunde soll der, welcher durch Wissowatten reist<lb/> und „Hietsch! Hietsch!" ruft, zur Strafe eine Tonne Bier und eine Leine<lb/> Kringel zahlen. Vou Rückgarbeu, einem Dorfe bei Schippenbeil, sagt man in<lb/> der Umgegend; „Hei hefft et önnerlich wie de röckgarwsche Kinder." Bei einer<lb/> Visitation bekam der Superintendent von den Schülern keine Antworten, der<lb/> Lehrer aber entschuldigte sich damit, daß er sagte, „sie Hütten es innerlich". Wer<lb/> nach Frauenburg kommt, ist „in den Bockstall" gerathen; die Bewohner der<lb/> Stadt sind „Bockstoßer".</p><lb/> <p xml:id="ID_597" next="#ID_598"> Stark verspottet werden die Bewohner von Mühlhausen an der Ostbahn,<lb/> „wo sie mit dem Langholz querüber hereinkommen", wo sie ferner „die großen<lb/> Keilchen" und „die lange Suppe machen", und wo sie den großen Krebs im<lb/> Teiche an einer Kette liegen haben, weil er ihnen die Stadtmauer ungefressen<lb/> hat. In Perwnsen, einem Dorfe zwischen Man und Barteustein, gehen die<lb/> Hunde mit „Schlorren" (Pantoffeln) umher und bellen mit den Schwänzen-<lb/> Das Dorf Draupchen bei Jnsterburg führt den Spitznamen Pieptrurig, welcher<lb/> einen Betrübten bezeichnet. Den Pillkallern sagt man spöttisch nach,' daß sie<lb/> sich die Zähne stocherten, wenn sie Milch genossen Hütten. Die Bewohner des<lb/> Kirchdorff Goldbach bei Tapiau werden „Pracherterrieter" (Bettlerzerreißer)<lb/> gescholten, weil die Sage erzählt, sie hätten einst ruhig zugesehen, wie ihre<lb/> Hunde einen Bettler in Stücke zerrissen. Noch jetzt sollen sie „Flicker" von<lb/> den Kleidern des Unglücklichen zwischen den Zähnen haben. Außerdem wird<lb/> ihnen von den Nachbarn Neigung zum Klatschen und Schanden Schuld gegeben.<lb/> In Prvbbernan, einem Dorfe um ünßersten Ende der Danziger Nehrung, «ist<lb/> die Welt mit Bretern verschlagen", auch bellen die Hunde hier gleichfalls mit<lb/> dem Schwänze. Von dem Dorfe Ratsche im Kreise Pillkallen geht die Redens¬<lb/> art: „Du böse woll von Ratsche, wo se de Flinse (Buchweizeukttchen) op me<lb/> Sid backe on de Wagens op me Sid schmere?" was man zu Jedem sagt, der<lb/> eine Arbeit ungeschickt oder blos halb macht. Die Bewohner von Tolkcinit<lb/> nennt man „Stmtstecher", und es heißt, daß der Ort einmal von einem Heere<lb/> von Stinten belagert und erobert worden sei. Ferner sagt man: „Er ist ans</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0224]
rief die Gemeinde, „was sagst Du uns von dem Klimsklums? Den Bauern
vom Hause, oder wir wollen Dir etwas Anderes zeigen."
„Hietsch! Hietsch!" ist in der Gegend von Lötzen ein Ruf, mit dein man
junge Pferde an sich lockt, dann aber auch ein Spitzname für die Bewohner
des Dorfes Wissowatten. In der Nähe desselben soll ehedem ein großer Wald
gestanden haben. Der dortige Förster lud die Bauern ein, bei ihm zu Mittage
zu essen; er wolle ihnen ein Elennthier vorsetzen, welches er geschossen habe.
Das Fleisch mundete den Leuten, aber nach der Mahlzeit offenbarte ihnen der
Jäger, daß sie ein Füllen verspeist hatten. Seit der Zeit werden sie damit
geneckt. Nach einer alten Urkunde soll der, welcher durch Wissowatten reist
und „Hietsch! Hietsch!" ruft, zur Strafe eine Tonne Bier und eine Leine
Kringel zahlen. Vou Rückgarbeu, einem Dorfe bei Schippenbeil, sagt man in
der Umgegend; „Hei hefft et önnerlich wie de röckgarwsche Kinder." Bei einer
Visitation bekam der Superintendent von den Schülern keine Antworten, der
Lehrer aber entschuldigte sich damit, daß er sagte, „sie Hütten es innerlich". Wer
nach Frauenburg kommt, ist „in den Bockstall" gerathen; die Bewohner der
Stadt sind „Bockstoßer".
Stark verspottet werden die Bewohner von Mühlhausen an der Ostbahn,
„wo sie mit dem Langholz querüber hereinkommen", wo sie ferner „die großen
Keilchen" und „die lange Suppe machen", und wo sie den großen Krebs im
Teiche an einer Kette liegen haben, weil er ihnen die Stadtmauer ungefressen
hat. In Perwnsen, einem Dorfe zwischen Man und Barteustein, gehen die
Hunde mit „Schlorren" (Pantoffeln) umher und bellen mit den Schwänzen-
Das Dorf Draupchen bei Jnsterburg führt den Spitznamen Pieptrurig, welcher
einen Betrübten bezeichnet. Den Pillkallern sagt man spöttisch nach,' daß sie
sich die Zähne stocherten, wenn sie Milch genossen Hütten. Die Bewohner des
Kirchdorff Goldbach bei Tapiau werden „Pracherterrieter" (Bettlerzerreißer)
gescholten, weil die Sage erzählt, sie hätten einst ruhig zugesehen, wie ihre
Hunde einen Bettler in Stücke zerrissen. Noch jetzt sollen sie „Flicker" von
den Kleidern des Unglücklichen zwischen den Zähnen haben. Außerdem wird
ihnen von den Nachbarn Neigung zum Klatschen und Schanden Schuld gegeben.
In Prvbbernan, einem Dorfe um ünßersten Ende der Danziger Nehrung, «ist
die Welt mit Bretern verschlagen", auch bellen die Hunde hier gleichfalls mit
dem Schwänze. Von dem Dorfe Ratsche im Kreise Pillkallen geht die Redens¬
art: „Du böse woll von Ratsche, wo se de Flinse (Buchweizeukttchen) op me
Sid backe on de Wagens op me Sid schmere?" was man zu Jedem sagt, der
eine Arbeit ungeschickt oder blos halb macht. Die Bewohner von Tolkcinit
nennt man „Stmtstecher", und es heißt, daß der Ort einmal von einem Heere
von Stinten belagert und erobert worden sei. Ferner sagt man: „Er ist ans
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |