Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.Zuthaten. Als die Buchdruckerkunst erfunden wurde, warf sie neben ernster Dieses von Urzeiten her dagewesene, in der Zeit des vierzehnten Jahrhunderts Gleich das nächste Kapitel, welches "Der Humor als Namengeber und Zuthaten. Als die Buchdruckerkunst erfunden wurde, warf sie neben ernster Dieses von Urzeiten her dagewesene, in der Zeit des vierzehnten Jahrhunderts Gleich das nächste Kapitel, welches „Der Humor als Namengeber und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0220" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/137921"/> <p xml:id="ID_585" prev="#ID_584"> Zuthaten. Als die Buchdruckerkunst erfunden wurde, warf sie neben ernster<lb/> Literatur auch eine Fülle vou Schwäukesammluugen auf den Markt. Die<lb/> Sprache bereicherte ihren Schatz an scherzhaften, barocken und ironischen Aus¬<lb/> drücken und Redewendungen. Ernster Sprichwörtern wurde ein Schwänzchen,<lb/> angeblich aus der Erfahrung, angehangen, welches sie in eine komische Anekdote<lb/> verwandelte. Es entstanden wunderliche Familiennamen, die noch heute fort¬<lb/> leben. Die einzelnen Stände und Berufsarten mußten sich Spitznamen geben<lb/> lassen, an die sich allerhand neckische Historien knüpften. Die Städte und<lb/> Dörfer vexirten einander und sagten sich verschiedene einfältige Eigenschaften<lb/> und Sitten, verschiedene grobe Mißverständnisse und Pinselstreiche nach, die<lb/> dann im Buche von den Schildbürgern zusammengefaßt wurden. Lügenlieder,<lb/> Lügenmärchen, Geschichten von dummen Jungen, die durch unerhörte Einfalt<lb/> ergötzten, Münchhausiaden u. d. feierten die verkehrte Welt. Die ausgelassensten<lb/> Trinklieder erschallten in den Weinkellern und Bierschenken. Auch das bisher<lb/> für heilig Gehaltene, sogar das wirklich Heilige verfiel dem souverän gewordenen<lb/> Humor. Nicht blos die Zechstube und der Jahrmarkt erfreute» sich an seinen<lb/> derben Späßen, selbst der Altar mußte sie dulden, und sogar von der Kanzel<lb/> herab schnitt er der andächtigen Gemeinde seine Gesichter.</p><lb/> <p xml:id="ID_586"> Dieses von Urzeiten her dagewesene, in der Zeit des vierzehnten Jahrhunderts<lb/> nur zu höchster Lebendigkeit und größter Reichlichkeit des Schaffens erwachte<lb/> Wohlgefallen an der komischen Seite der Dinge, diese Neigung, die Welt auf<lb/> den Kopf zu stellen, das Große klein und das Kleine groß zu machen und<lb/> selbst am Erhabnen die Achillesferse zu suchen, wo die Waffe des Spottes<lb/> haftet, dieses Auge und dieses Ohr für das Lächerliche, dieser Trieb zu lustigem<lb/> Fabuliren, zum Erfinden von Unsinn, zum Necken und Foppen war nun ein<lb/> Erbe, das den Deutschen die Jahrhunderte hindurch erhalten blieb und, wie<lb/> wir in jedem Rathskeller und jeder Dorfschenke, an jedem Kalender von altem<lb/> Schrot und Korn sehen, und wie der weitere Inhalt des vorliegenden<lb/> Buches mit einer Fülle anmuthiger Beweise belegt, noch heute in der Nation<lb/> fröhlich fortlebt.</p><lb/> <p xml:id="ID_587" next="#ID_588"> Gleich das nächste Kapitel, welches „Der Humor als Namengeber und<lb/> Verlüumder" überschrieben ist, und in welchem die Thatsache, daß die Dentschen<lb/> von alten Zeiten her närrische Seiten an einander herauszufinden oder sich<lb/> lächerliche Züge und Streiche anzudichten liebten, insofern besprochen wird, als<lb/> diese Neigung zur Entstehung komischer Familiennamen und zur Verspottung<lb/> der meisten Handwerke und Berufsarten sowie zu allerhand schlimmer Nach¬<lb/> rede in Betreff einzelner deutscher Stämme führte, enthält eine Menge solcher<lb/> Belege. Besonders reich ist der Abschnitt über die Art und Weise, in welcher<lb/> der Geist des Schabernacks die löbliche Zunft gezaust und mit der Lauge seines</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0220]
Zuthaten. Als die Buchdruckerkunst erfunden wurde, warf sie neben ernster
Literatur auch eine Fülle vou Schwäukesammluugen auf den Markt. Die
Sprache bereicherte ihren Schatz an scherzhaften, barocken und ironischen Aus¬
drücken und Redewendungen. Ernster Sprichwörtern wurde ein Schwänzchen,
angeblich aus der Erfahrung, angehangen, welches sie in eine komische Anekdote
verwandelte. Es entstanden wunderliche Familiennamen, die noch heute fort¬
leben. Die einzelnen Stände und Berufsarten mußten sich Spitznamen geben
lassen, an die sich allerhand neckische Historien knüpften. Die Städte und
Dörfer vexirten einander und sagten sich verschiedene einfältige Eigenschaften
und Sitten, verschiedene grobe Mißverständnisse und Pinselstreiche nach, die
dann im Buche von den Schildbürgern zusammengefaßt wurden. Lügenlieder,
Lügenmärchen, Geschichten von dummen Jungen, die durch unerhörte Einfalt
ergötzten, Münchhausiaden u. d. feierten die verkehrte Welt. Die ausgelassensten
Trinklieder erschallten in den Weinkellern und Bierschenken. Auch das bisher
für heilig Gehaltene, sogar das wirklich Heilige verfiel dem souverän gewordenen
Humor. Nicht blos die Zechstube und der Jahrmarkt erfreute» sich an seinen
derben Späßen, selbst der Altar mußte sie dulden, und sogar von der Kanzel
herab schnitt er der andächtigen Gemeinde seine Gesichter.
Dieses von Urzeiten her dagewesene, in der Zeit des vierzehnten Jahrhunderts
nur zu höchster Lebendigkeit und größter Reichlichkeit des Schaffens erwachte
Wohlgefallen an der komischen Seite der Dinge, diese Neigung, die Welt auf
den Kopf zu stellen, das Große klein und das Kleine groß zu machen und
selbst am Erhabnen die Achillesferse zu suchen, wo die Waffe des Spottes
haftet, dieses Auge und dieses Ohr für das Lächerliche, dieser Trieb zu lustigem
Fabuliren, zum Erfinden von Unsinn, zum Necken und Foppen war nun ein
Erbe, das den Deutschen die Jahrhunderte hindurch erhalten blieb und, wie
wir in jedem Rathskeller und jeder Dorfschenke, an jedem Kalender von altem
Schrot und Korn sehen, und wie der weitere Inhalt des vorliegenden
Buches mit einer Fülle anmuthiger Beweise belegt, noch heute in der Nation
fröhlich fortlebt.
Gleich das nächste Kapitel, welches „Der Humor als Namengeber und
Verlüumder" überschrieben ist, und in welchem die Thatsache, daß die Dentschen
von alten Zeiten her närrische Seiten an einander herauszufinden oder sich
lächerliche Züge und Streiche anzudichten liebten, insofern besprochen wird, als
diese Neigung zur Entstehung komischer Familiennamen und zur Verspottung
der meisten Handwerke und Berufsarten sowie zu allerhand schlimmer Nach¬
rede in Betreff einzelner deutscher Stämme führte, enthält eine Menge solcher
Belege. Besonders reich ist der Abschnitt über die Art und Weise, in welcher
der Geist des Schabernacks die löbliche Zunft gezaust und mit der Lauge seines
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