Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.Daß aber die "heidnischen" Griechen wohl wußten, was sie von den "Mögen die Götter dir geben, was irgend im Herzen du wünschest: Auch Wohlstand und Kindersegen werdeu als eine Gabe der Götter be¬ In dein Gemahl sieht die Frau natürlich ihren Herrn, dem sie Treue, "Jeglicher Manu, der gut und verständig im Herzen gesinnt ist, Die Frau ist in ihrem Kreise ebenso geachtet wie der Mann in dem seinen "Sie webte ein großes Die strenge Getrenntheit, in welcher die beiden Geschlechter von einander Daß aber die „heidnischen" Griechen wohl wußten, was sie von den „Mögen die Götter dir geben, was irgend im Herzen du wünschest: Auch Wohlstand und Kindersegen werdeu als eine Gabe der Götter be¬ In dein Gemahl sieht die Frau natürlich ihren Herrn, dem sie Treue, „Jeglicher Manu, der gut und verständig im Herzen gesinnt ist, Die Frau ist in ihrem Kreise ebenso geachtet wie der Mann in dem seinen „Sie webte ein großes Die strenge Getrenntheit, in welcher die beiden Geschlechter von einander <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0212" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/137913"/> <p xml:id="ID_554"> Daß aber die „heidnischen" Griechen wohl wußten, was sie von den<lb/> Göttern für die Ehe zu erbitten hatten, das zeigen uns die Worte, die<lb/> Odysseus zur Nausikaa spricht, indem er von ihrer dereinstigen Vermählung redet:</p><lb/> <quote> „Mögen die Götter dir geben, was irgend im Herzen du wünschest:<lb/> Einen Gemahl und ein Haus und dazu noch selige Eintracht.<lb/> Denn nichts Besseres ja, nichts Wünschenswertheres giebt es<lb/> Als wenn Gatte und Weib in eintrachtsvoller Gesinnung<lb/> Schalten und walten im Haus". —</quote><lb/> <p xml:id="ID_555"> Auch Wohlstand und Kindersegen werdeu als eine Gabe der Götter be¬<lb/> zeichnet, und selbst der Gedanke findet sich ausgesprochen, daß Gatte und<lb/> Gattin vom Schicksal für einander bestimmt sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_556"> In dein Gemahl sieht die Frau natürlich ihren Herrn, dem sie Treue,<lb/> Liebe und Gehorsam schuldig ist. Eine Dienerin oder Sklavin aber ist sie<lb/> ihm keineswegs, sondern sie kann auch von ihm Treue, Rücksicht und Vertrauen<lb/> fordern, und jeder edle Manu hält sich dazu für verpflichtet, wie es Achill in<lb/> den Worten ausspricht:</p><lb/> <quote> „Jeglicher Manu, der gut und verständig im Herzen gesinnt ist,<lb/> Liebt und achtet sein Weib und widmet ihr herzliche Sorge".</quote><lb/> <p xml:id="ID_557"> Die Frau ist in ihrem Kreise ebenso geachtet wie der Mann in dem seinen<lb/> und steht Dienern, Dienerinnen und andern Hausgenossen als Herrin gegen¬<lb/> über. Ihre Thätigkeit ist von der Leitung des Haushalts, der Beaufsichtigung<lb/> der Dienenden, der Unterweisung und Erziehung der Töchter in Anspruch ge¬<lb/> nommen. In der freien Zeit sitzt sie im Kreise der Mägde am Webstuhl, zu¬<lb/> weilen auch am Heerde im Münnersaale und hört dem Gespräch der Männer<lb/> und dem herzerfreuenden Gesänge der fahrenden Dichter zu. Was zur<lb/> Kleidung gehört, wird von den Frauen im Hause verfertigt; Spinnen und<lb/> Weben ist selbst für fürstliche Frauen so wenig eine erniedrigende Beschäftigung<lb/> wie das Hüten der Heerden für die Königssöhne und erhielt sich ungleich<lb/> länger als die letztere Sitte. Die Kunstfertigkeit in weiblichen Arbeiten war<lb/> etwas, worin die Frauen ihren Ruhm suchten, und es setzt eine bedeutende Ge-<lb/> schicklichkeit voraus, wenn Homer von Helena singen kann:</p><lb/> <quote> „Sie webte ein großes<lb/> Doppeltes Purpurgewand und bildete Kämpfe darinnen<lb/> Zwischen den reisigen Troern und erzgeriistetcn Griechen".</quote><lb/> <p xml:id="ID_558" next="#ID_559"> Die strenge Getrenntheit, in welcher die beiden Geschlechter von einander<lb/> gehalten wurden, läßt voraussetzen, daß das Verhältniß zwischen ihnen ein<lb/> durchaus gemessenes gewesen ist. Von leichtfertigen Verkehr oder Lauheit im<lb/> Punkte der Sitten findet sich keine Spur, wohl aber hören wir von Gewohn¬<lb/> heiten und Gebräuchen, die ein außerordentliches Maß von Unbefangenheit</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0212]
Daß aber die „heidnischen" Griechen wohl wußten, was sie von den
Göttern für die Ehe zu erbitten hatten, das zeigen uns die Worte, die
Odysseus zur Nausikaa spricht, indem er von ihrer dereinstigen Vermählung redet:
„Mögen die Götter dir geben, was irgend im Herzen du wünschest:
Einen Gemahl und ein Haus und dazu noch selige Eintracht.
Denn nichts Besseres ja, nichts Wünschenswertheres giebt es
Als wenn Gatte und Weib in eintrachtsvoller Gesinnung
Schalten und walten im Haus". —
Auch Wohlstand und Kindersegen werdeu als eine Gabe der Götter be¬
zeichnet, und selbst der Gedanke findet sich ausgesprochen, daß Gatte und
Gattin vom Schicksal für einander bestimmt sind.
In dein Gemahl sieht die Frau natürlich ihren Herrn, dem sie Treue,
Liebe und Gehorsam schuldig ist. Eine Dienerin oder Sklavin aber ist sie
ihm keineswegs, sondern sie kann auch von ihm Treue, Rücksicht und Vertrauen
fordern, und jeder edle Manu hält sich dazu für verpflichtet, wie es Achill in
den Worten ausspricht:
„Jeglicher Manu, der gut und verständig im Herzen gesinnt ist,
Liebt und achtet sein Weib und widmet ihr herzliche Sorge".
Die Frau ist in ihrem Kreise ebenso geachtet wie der Mann in dem seinen
und steht Dienern, Dienerinnen und andern Hausgenossen als Herrin gegen¬
über. Ihre Thätigkeit ist von der Leitung des Haushalts, der Beaufsichtigung
der Dienenden, der Unterweisung und Erziehung der Töchter in Anspruch ge¬
nommen. In der freien Zeit sitzt sie im Kreise der Mägde am Webstuhl, zu¬
weilen auch am Heerde im Münnersaale und hört dem Gespräch der Männer
und dem herzerfreuenden Gesänge der fahrenden Dichter zu. Was zur
Kleidung gehört, wird von den Frauen im Hause verfertigt; Spinnen und
Weben ist selbst für fürstliche Frauen so wenig eine erniedrigende Beschäftigung
wie das Hüten der Heerden für die Königssöhne und erhielt sich ungleich
länger als die letztere Sitte. Die Kunstfertigkeit in weiblichen Arbeiten war
etwas, worin die Frauen ihren Ruhm suchten, und es setzt eine bedeutende Ge-
schicklichkeit voraus, wenn Homer von Helena singen kann:
„Sie webte ein großes
Doppeltes Purpurgewand und bildete Kämpfe darinnen
Zwischen den reisigen Troern und erzgeriistetcn Griechen".
Die strenge Getrenntheit, in welcher die beiden Geschlechter von einander
gehalten wurden, läßt voraussetzen, daß das Verhältniß zwischen ihnen ein
durchaus gemessenes gewesen ist. Von leichtfertigen Verkehr oder Lauheit im
Punkte der Sitten findet sich keine Spur, wohl aber hören wir von Gewohn¬
heiten und Gebräuchen, die ein außerordentliches Maß von Unbefangenheit
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