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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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Geschenken an, und Menelaos gelangt dnrch seine Gattin Helena in den Besitz
des spartanischen Königsthrones. Die Aussteuer wurde der Frau zurückgegeben,
wenn sie nach dem Tode des Mannes von dessen Erben nicht im Hause ge¬
lassen wurde; dagegen konnte der Mann, wenn er die Fran mit Grund ver¬
stieß, seine Freiergaben zurückfordern.

Die vermählte rechtmäßige Gattin nimmt eine durchaus geehrte Stellung
im Hause ein. Rechtmäßige Ehen aber können -- und darin zeigt sich die
heroische Zeit weniger engherzig als die spätere -- selbst unter Angehörigen
verschiedener Staaten geschlossen werden. Ja sogar im Kriege erbeutete Jung¬
frauen konnten die Stelle einer rechtmäßigen Gattin einnehmen, wie Briseis,
die Tochter eines troischen Fürsten, die bei Eroberung ihrer Stadt in die
Hände des Achilles gefallen war, es bezeugt, indem sie in der Klage um deu
gefallenen Patroklos ausruft:


"Du hast, als mir den Gatten getödtet der schnelle Achilles,'
Und des göttlichen Mhncs Stadt zerstörte, die Thränen
Mir getrocknet, indem dn tiersprachst, daß des edeln Achilles
Ehegemahlin ich werd' und in Phthia's Fluren gelandet
Unter den Myrmidonen die Hochzeitsfeier erlange." --

Wenn auch standesmäßige Ehen als die Regel anzusehen sind, so kommt
es doch ebensowohl vor, daß ein vornehmer Freier sich eine schöne oder brave
Gattin aus niederem Stande aussucht, als daß ein reicher Mann seine Tochter
einem unbegüterten Bräutigam, wenn er trefflich ist, zur Ehe gibt.

"Monogamie ist Regel". Ju den homerischen Gedichten findet sich nur
eine Ausnahme und zwar nnter den Troern, wo Priamos neben der Helube
noch eine zweite rechtmäßige Gattin in der Laothoe hat. Dagegen galt es
auch unter den Griechen für nicht unerlaubt, wenn der Mann sich noch ein
Kebsweib aus der Zahl der Sklavinnen nahm, was aber die Gattin oft übel
empfindet.

Die Ehe steht unter dem Schutze der Götter. Ihr Segen wird bei der
Vermählung angerufen; Opfer und Gebet im Hause der Braut wie des Mannes
haben sicher nicht gefehlt. Das Hochzeitsnacht richtet der Vater der Braut in
seinem Hause zu, worauf die Vermählten in feierlichem Zuge unter Fackelglanz
und Begleitung von tanzenden Jünglingen dem Hause des Mannes zugeführt
werden, wovon uns Homer eine liebliche Schilderung giebt:


"Und es war in der Stadt ein Vermählungsfest und Gelage;
Aus dein Palaste wurde die Braut im Glänze der Fackeln
Durch die Straßen geleitet und Hvchzcitslieder erschallten.
Jünglinge tanzten den Reigen; dazwischen aber ertönte
Laut der Citheru und Flöten Musik, und manche der Frauen
Stand an der Pforte des Hauses und schaute staunenden Blickes".

Geschenken an, und Menelaos gelangt dnrch seine Gattin Helena in den Besitz
des spartanischen Königsthrones. Die Aussteuer wurde der Frau zurückgegeben,
wenn sie nach dem Tode des Mannes von dessen Erben nicht im Hause ge¬
lassen wurde; dagegen konnte der Mann, wenn er die Fran mit Grund ver¬
stieß, seine Freiergaben zurückfordern.

Die vermählte rechtmäßige Gattin nimmt eine durchaus geehrte Stellung
im Hause ein. Rechtmäßige Ehen aber können — und darin zeigt sich die
heroische Zeit weniger engherzig als die spätere — selbst unter Angehörigen
verschiedener Staaten geschlossen werden. Ja sogar im Kriege erbeutete Jung¬
frauen konnten die Stelle einer rechtmäßigen Gattin einnehmen, wie Briseis,
die Tochter eines troischen Fürsten, die bei Eroberung ihrer Stadt in die
Hände des Achilles gefallen war, es bezeugt, indem sie in der Klage um deu
gefallenen Patroklos ausruft:


„Du hast, als mir den Gatten getödtet der schnelle Achilles,'
Und des göttlichen Mhncs Stadt zerstörte, die Thränen
Mir getrocknet, indem dn tiersprachst, daß des edeln Achilles
Ehegemahlin ich werd' und in Phthia's Fluren gelandet
Unter den Myrmidonen die Hochzeitsfeier erlange." —

Wenn auch standesmäßige Ehen als die Regel anzusehen sind, so kommt
es doch ebensowohl vor, daß ein vornehmer Freier sich eine schöne oder brave
Gattin aus niederem Stande aussucht, als daß ein reicher Mann seine Tochter
einem unbegüterten Bräutigam, wenn er trefflich ist, zur Ehe gibt.

„Monogamie ist Regel". Ju den homerischen Gedichten findet sich nur
eine Ausnahme und zwar nnter den Troern, wo Priamos neben der Helube
noch eine zweite rechtmäßige Gattin in der Laothoe hat. Dagegen galt es
auch unter den Griechen für nicht unerlaubt, wenn der Mann sich noch ein
Kebsweib aus der Zahl der Sklavinnen nahm, was aber die Gattin oft übel
empfindet.

Die Ehe steht unter dem Schutze der Götter. Ihr Segen wird bei der
Vermählung angerufen; Opfer und Gebet im Hause der Braut wie des Mannes
haben sicher nicht gefehlt. Das Hochzeitsnacht richtet der Vater der Braut in
seinem Hause zu, worauf die Vermählten in feierlichem Zuge unter Fackelglanz
und Begleitung von tanzenden Jünglingen dem Hause des Mannes zugeführt
werden, wovon uns Homer eine liebliche Schilderung giebt:


„Und es war in der Stadt ein Vermählungsfest und Gelage;
Aus dein Palaste wurde die Braut im Glänze der Fackeln
Durch die Straßen geleitet und Hvchzcitslieder erschallten.
Jünglinge tanzten den Reigen; dazwischen aber ertönte
Laut der Citheru und Flöten Musik, und manche der Frauen
Stand an der Pforte des Hauses und schaute staunenden Blickes".

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/211>, abgerufen am 23.07.2024.