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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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Die katholische Presse in Europa 1877. Von Leo Woerl. Zweite ver¬
mehrte Auflage. Würzburg, 1377, Verlag von L. Woerl.

Der Verfasser hat sich den Dank auch der Gegner der Partei verdient,
welcher er hier ihre Streitkräfte auf dem Gebiete des Journalismus zeigt.
Auch wir erfahren auf diese Weise, daß die katholische Presse, die Presse der
wahren sechsten Großmacht, des Ultramontanismus, in den letzten zwei Jahr¬
zehnten einen ganz außerordentlichen Aufschwung genommen hat, wir sehen
ferner einigermaßen, wie das gemacht wird, und wir blicken hier und da in
die Wünsche und Pläne hinein, welche die Führer der römischen Feinde des
deutschen Staates auf diesem Gebiete für die Zukunft hegen. Sehr interessant
sind auch die Geständnisse des Herrn Woerl, nach denen Verschiedenes hier
stark im Argen liegt. Im Uebrigen müssen wir anerkennen, daß der Verfasser
in der Form "keiner von den Schlimmsten" ist, sich vielmehr fast durchgehends
einer ziemlich gemäßigten Sprache befleißigt, womit aber keineswegs gesagt
sein soll, daß wir diese Klasse unserer Gegner für die am wenigsten gefähr¬
liche halten.

Die Entstehung und die spätere große Ausbreitung der katholischen Presse
in Deutschland schreibt sich von zwei Ursachen her, vom Emporkommen der
nationalen und liberalen Bestrebungen seit 1848, durch welches sich Rom in
seinem Bestände doppelt bedroht sah, und von der Preßfreiheit, durch welche
der Staat auf einen Theil seiner Gewalt zur Eindämmung ihm feindlicher
Absichten verzichtete. Jeder nationale Staat ist dem Jesuitismus, der in Rom
und seinen Filialen diesseits der Alpen Rathgeber und Gebieter ist, als ein
Gegensatz der von ihm erstrebten mittelalterlichen Herrschaft des Papstthums
über die Welt ein Greuel. Jede Freiheit ist ihm ein Dorn im Auge, aus¬
genommen die Freiheit zur Bekämpfung solcher unbequemen Staaten, und diese
Freiheit wurde ihm auf dem Gebiete der Presse 1848 zu Theil, in den Jahren
der Reaktion, die in den Römlingen Verbündete erblickte, kaum hier und da
beschränkt und durch die Gesetzgebung des deutschen Reiches noch erheblich
erweitert.

Die Anfänge der "katholischen", richtiger ausgedrückt der ultramontanen,
vom Jesuitismus inspirirter Publizistik sind ziemlich unscheinbar. Zunächst
lehnte sie sich an "christlich konservative" ältere Blätter wie die "Augsburger
Postzeitung", die "Volks- und Schützenzeitung" in Innsbruck und den "West-
Mischen Merkur" an. Von neuen Zeitungen entstanden das "Mainzer Jour¬
nal", das "Deutsche Volksblatt" in Stuttgart, der "Volksfreund" und das


Die katholische Presse in Europa 1877. Von Leo Woerl. Zweite ver¬
mehrte Auflage. Würzburg, 1377, Verlag von L. Woerl.

Der Verfasser hat sich den Dank auch der Gegner der Partei verdient,
welcher er hier ihre Streitkräfte auf dem Gebiete des Journalismus zeigt.
Auch wir erfahren auf diese Weise, daß die katholische Presse, die Presse der
wahren sechsten Großmacht, des Ultramontanismus, in den letzten zwei Jahr¬
zehnten einen ganz außerordentlichen Aufschwung genommen hat, wir sehen
ferner einigermaßen, wie das gemacht wird, und wir blicken hier und da in
die Wünsche und Pläne hinein, welche die Führer der römischen Feinde des
deutschen Staates auf diesem Gebiete für die Zukunft hegen. Sehr interessant
sind auch die Geständnisse des Herrn Woerl, nach denen Verschiedenes hier
stark im Argen liegt. Im Uebrigen müssen wir anerkennen, daß der Verfasser
in der Form „keiner von den Schlimmsten" ist, sich vielmehr fast durchgehends
einer ziemlich gemäßigten Sprache befleißigt, womit aber keineswegs gesagt
sein soll, daß wir diese Klasse unserer Gegner für die am wenigsten gefähr¬
liche halten.

Die Entstehung und die spätere große Ausbreitung der katholischen Presse
in Deutschland schreibt sich von zwei Ursachen her, vom Emporkommen der
nationalen und liberalen Bestrebungen seit 1848, durch welches sich Rom in
seinem Bestände doppelt bedroht sah, und von der Preßfreiheit, durch welche
der Staat auf einen Theil seiner Gewalt zur Eindämmung ihm feindlicher
Absichten verzichtete. Jeder nationale Staat ist dem Jesuitismus, der in Rom
und seinen Filialen diesseits der Alpen Rathgeber und Gebieter ist, als ein
Gegensatz der von ihm erstrebten mittelalterlichen Herrschaft des Papstthums
über die Welt ein Greuel. Jede Freiheit ist ihm ein Dorn im Auge, aus¬
genommen die Freiheit zur Bekämpfung solcher unbequemen Staaten, und diese
Freiheit wurde ihm auf dem Gebiete der Presse 1848 zu Theil, in den Jahren
der Reaktion, die in den Römlingen Verbündete erblickte, kaum hier und da
beschränkt und durch die Gesetzgebung des deutschen Reiches noch erheblich
erweitert.

Die Anfänge der „katholischen", richtiger ausgedrückt der ultramontanen,
vom Jesuitismus inspirirter Publizistik sind ziemlich unscheinbar. Zunächst
lehnte sie sich an „christlich konservative" ältere Blätter wie die „Augsburger
Postzeitung", die „Volks- und Schützenzeitung" in Innsbruck und den „West-
Mischen Merkur" an. Von neuen Zeitungen entstanden das „Mainzer Jour¬
nal", das „Deutsche Volksblatt" in Stuttgart, der „Volksfreund" und das


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[0019] Die katholische Presse in Europa 1877. Von Leo Woerl. Zweite ver¬ mehrte Auflage. Würzburg, 1377, Verlag von L. Woerl. Der Verfasser hat sich den Dank auch der Gegner der Partei verdient, welcher er hier ihre Streitkräfte auf dem Gebiete des Journalismus zeigt. Auch wir erfahren auf diese Weise, daß die katholische Presse, die Presse der wahren sechsten Großmacht, des Ultramontanismus, in den letzten zwei Jahr¬ zehnten einen ganz außerordentlichen Aufschwung genommen hat, wir sehen ferner einigermaßen, wie das gemacht wird, und wir blicken hier und da in die Wünsche und Pläne hinein, welche die Führer der römischen Feinde des deutschen Staates auf diesem Gebiete für die Zukunft hegen. Sehr interessant sind auch die Geständnisse des Herrn Woerl, nach denen Verschiedenes hier stark im Argen liegt. Im Uebrigen müssen wir anerkennen, daß der Verfasser in der Form „keiner von den Schlimmsten" ist, sich vielmehr fast durchgehends einer ziemlich gemäßigten Sprache befleißigt, womit aber keineswegs gesagt sein soll, daß wir diese Klasse unserer Gegner für die am wenigsten gefähr¬ liche halten. Die Entstehung und die spätere große Ausbreitung der katholischen Presse in Deutschland schreibt sich von zwei Ursachen her, vom Emporkommen der nationalen und liberalen Bestrebungen seit 1848, durch welches sich Rom in seinem Bestände doppelt bedroht sah, und von der Preßfreiheit, durch welche der Staat auf einen Theil seiner Gewalt zur Eindämmung ihm feindlicher Absichten verzichtete. Jeder nationale Staat ist dem Jesuitismus, der in Rom und seinen Filialen diesseits der Alpen Rathgeber und Gebieter ist, als ein Gegensatz der von ihm erstrebten mittelalterlichen Herrschaft des Papstthums über die Welt ein Greuel. Jede Freiheit ist ihm ein Dorn im Auge, aus¬ genommen die Freiheit zur Bekämpfung solcher unbequemen Staaten, und diese Freiheit wurde ihm auf dem Gebiete der Presse 1848 zu Theil, in den Jahren der Reaktion, die in den Römlingen Verbündete erblickte, kaum hier und da beschränkt und durch die Gesetzgebung des deutschen Reiches noch erheblich erweitert. Die Anfänge der „katholischen", richtiger ausgedrückt der ultramontanen, vom Jesuitismus inspirirter Publizistik sind ziemlich unscheinbar. Zunächst lehnte sie sich an „christlich konservative" ältere Blätter wie die „Augsburger Postzeitung", die „Volks- und Schützenzeitung" in Innsbruck und den „West- Mischen Merkur" an. Von neuen Zeitungen entstanden das „Mainzer Jour¬ nal", das „Deutsche Volksblatt" in Stuttgart, der „Volksfreund" und das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/19>, abgerufen am 03.07.2024.