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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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"Vaterland" in Wien, der "Volksbote" in München und die "Rheinische
Volkshalle" in Köln, die, 1848 gegründet, 1855 einging. Ein ähnliches
Schicksal wie letztere hatte später die Zeitung "Deutschland", welche 1856
entstand und 1858 aus Mangel an Unterstützung zu erscheinen aufhörte.

Allmählich traten hierzu kleinere Blätter, die nur Sonntags oder zweimal
die Woche erschienen, und Kirchenzeitungen, welche im ultramontanen Sinne
die Massen bearbeiteten und aufregten. Aber erst mit dem Kulturkampf, der
1871 durch die Bildung einer ansgesprochenermcißen staatsfeindlichen, das neue
deutsche Reich Roms Interessen dienstbar zu machen bestrebten Partei im
Reichstage provozirt wurde, begann die ultramontane Presse eine der Be¬
achtung werthe Macht zu werden. "Gegenwärtig zählen wir", sagt der Ver¬
fasser, "allein in Deutschland mehrere hundert Blätter, welche zum Theil in
bedeutenden Auflagen verbreitet sind und an dem großen Geisterkampfe einen
hervorragenden Antheil nehmen." Allein sie find vielfach auch darnach. "Die
katholische Presse der Gegenwart ist ein Kind der Noth" -- wir hätten gesagt:
der Mache -- "sie hat die Mängel alles dessen, was nicht den naturgemäßen
Gang der Entwickelung durchgemacht hat." Oft fehlt es auch "den Leitern
der größeren Journale nicht nur an allgemeiner und vielseitiger wissenschaft¬
licher Bildung," (hätten sie die, so würden sie selbstverständlich nicht ultra¬
montane Blätter redigiren) "sondern auch an jener sittlichen Integrität, welche
der Sache, die sie vertheidigen, würdig ist." "Zu oft müssen Geistliche in die
Bresche eintreten, und das geistliche Element ist in unverhältnißmäßigen Grade
in den Redaktionen vertreten." "Der Mangel an geeigneten katholischen Jour¬
nalisten hat hier und da" (wirklich blos hier und da?) "Elemente an die
Spitze katholischer Blätter gebracht, welche in Sprache und Kampfweise der
katholischen Sache keine Ehre machen. Es gibt auch unter den katholischen
Journalisten einige von den verkannten Genies, welchen es wenig um die
Sache, aber sehr viel um sich selbst zu thun ist. Ohne sich sonderlich um das
Wohl der katholischen Partei zu kümmern, führen diese Leute auf eigene Faust
Krieg gegen Liberale wie gegen Katholiken, wie es ihnen der Augenblick" (nicht
der tingere Bischof) "eingibt, und so dürfen wir uns nicht wundern, wenn sie
Zwietracht im eigenen Lager anstiften."

Die ultramontane Presse ist am stärksten in den Rheinlanden und in
Westfalen entwickelt, aber auch Süddeutschland hat einige geschickt redigirte
und weit verbreitete Blätter. Das wird der folgende Auszug aus der ersten
Hälfte unserer Schrift zeigen.

In Hessen mich in erster Linie das "Mainzer Journal" genannt werden,
welches alle Wochentage in großem Format erscheint, seit fast drei Jahrzehnten
besteht und etwa dreitausend dreihundert Exemplare absetzt, die sich über das


„Vaterland" in Wien, der „Volksbote" in München und die „Rheinische
Volkshalle" in Köln, die, 1848 gegründet, 1855 einging. Ein ähnliches
Schicksal wie letztere hatte später die Zeitung „Deutschland", welche 1856
entstand und 1858 aus Mangel an Unterstützung zu erscheinen aufhörte.

Allmählich traten hierzu kleinere Blätter, die nur Sonntags oder zweimal
die Woche erschienen, und Kirchenzeitungen, welche im ultramontanen Sinne
die Massen bearbeiteten und aufregten. Aber erst mit dem Kulturkampf, der
1871 durch die Bildung einer ansgesprochenermcißen staatsfeindlichen, das neue
deutsche Reich Roms Interessen dienstbar zu machen bestrebten Partei im
Reichstage provozirt wurde, begann die ultramontane Presse eine der Be¬
achtung werthe Macht zu werden. „Gegenwärtig zählen wir", sagt der Ver¬
fasser, „allein in Deutschland mehrere hundert Blätter, welche zum Theil in
bedeutenden Auflagen verbreitet sind und an dem großen Geisterkampfe einen
hervorragenden Antheil nehmen." Allein sie find vielfach auch darnach. „Die
katholische Presse der Gegenwart ist ein Kind der Noth" — wir hätten gesagt:
der Mache — „sie hat die Mängel alles dessen, was nicht den naturgemäßen
Gang der Entwickelung durchgemacht hat." Oft fehlt es auch „den Leitern
der größeren Journale nicht nur an allgemeiner und vielseitiger wissenschaft¬
licher Bildung," (hätten sie die, so würden sie selbstverständlich nicht ultra¬
montane Blätter redigiren) „sondern auch an jener sittlichen Integrität, welche
der Sache, die sie vertheidigen, würdig ist." „Zu oft müssen Geistliche in die
Bresche eintreten, und das geistliche Element ist in unverhältnißmäßigen Grade
in den Redaktionen vertreten." „Der Mangel an geeigneten katholischen Jour¬
nalisten hat hier und da" (wirklich blos hier und da?) „Elemente an die
Spitze katholischer Blätter gebracht, welche in Sprache und Kampfweise der
katholischen Sache keine Ehre machen. Es gibt auch unter den katholischen
Journalisten einige von den verkannten Genies, welchen es wenig um die
Sache, aber sehr viel um sich selbst zu thun ist. Ohne sich sonderlich um das
Wohl der katholischen Partei zu kümmern, führen diese Leute auf eigene Faust
Krieg gegen Liberale wie gegen Katholiken, wie es ihnen der Augenblick" (nicht
der tingere Bischof) „eingibt, und so dürfen wir uns nicht wundern, wenn sie
Zwietracht im eigenen Lager anstiften."

Die ultramontane Presse ist am stärksten in den Rheinlanden und in
Westfalen entwickelt, aber auch Süddeutschland hat einige geschickt redigirte
und weit verbreitete Blätter. Das wird der folgende Auszug aus der ersten
Hälfte unserer Schrift zeigen.

In Hessen mich in erster Linie das „Mainzer Journal" genannt werden,
welches alle Wochentage in großem Format erscheint, seit fast drei Jahrzehnten
besteht und etwa dreitausend dreihundert Exemplare absetzt, die sich über das


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/20>, abgerufen am 23.07.2024.