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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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gesetz v. 5. September 1861 eure auf dem Gemeindeprinzip beruhende Re-
Präsentativverfassilng gegeben, der zufolge sie, mit dem Rechte konstitutioneller
Selbstverwaltung ausgestattet, direkt uuter dem Großherzog als Landesbischof
steht. Die römisch-katholische Kirche hat opponire und protestirt und thut dies
bis zum gegeuwürtigen Augenblick, wo für ihre jungen Theologen das kirchliche
Verbot der Ablegung des staatlich geforderten Examens feststeht. Jeder neue
Akt der Gesetzgebung, welcher die staatliche Souveränetät auf dem staatskirchlichen
Gebiet zum Ausdruck brachte, rief Proteste der Kurie, klerikale Volksdemon¬
strationen, Adressenstürme in Masse hervor. Im Frlchjahr 1869 organisirten
sich die Ultramontanen unter den: Namen "Katholische Volkspartei" und
versuchten durch Aufstellung eines aus dein Jahre 1848 hervorgeholter Programms
(Trennung von Staat und Kirche, direktes Wahlrecht u. s. w.) eine auf den
Sturz des Ministeriums Jolly abzielende Bewegung in weite Kreise zu tragen.
Das Beginnen machte, obwohl es von einer sogenannten "Wahlreform-Liga" der
demokratisch-großdeutschen Partei (v. Edelsheim, v. Berlichingen, dem spezifisch
Mannheimer Demokraten v. Feder und dem alten Burschenschafter Venedey) unter¬
stützt wurde, kläglich Fiasko. In der zweiten Kammer haben die Ultramontanen
gegenwärtig dreizehn Sitze inne, drei sind von den sogenannten Demokraten besetzt
und siebenundvierzig gehören den Nationalliberalen. Einzelne Verstimmungen
zwischen der Regierung und der nationalliberalen Partei, wie z. B. die, welche gegen
Ende des Jahres 1868 in der sogenannten Offenburger Bewegung gipfelte, hoben
sich rasch wieder, und es konnte bis zur Stunde bei dem einträchtigen Zusammen¬
wirken des Fürsten und seiner Regierung mit der Volksvertretung auf Grund des
Programms vom 7. April 1860 bleiben. "In schwerer Probe bewährt wird das
öffentliche Recht des Landes eine neue Weihe empfangen!" Dieses Wort hat
sich bewahrheitet. Das badische Volk keunt die Feinde seiner Selbständigkeit
und Freiheit. Auch Fürst und Regierung kennen sie. Man ist in Baden zu¬
nächst am Feuer gesessen und darum zuerst warm geworden. Anwandlungen
einer sentimentalen Friedensstimmung in Bezug auf den Kampf mit Rom finden
hier keinen Beifall. Sie werden, so vertraut das badische Volk, ihn auch am
Throne nicht finden. Würde es dies nicht vertrauen, so müßte auf den Tag
der Jubelfeier der Ruf der Besten zu den Ohren des Fürsten schallen, getragen
von dem tausendstimmiger Beifall der überwältigenden Mehrheit des Volkes,
der Ruf: Landgraf, werde hart!

Wir haben oben die mit dein Jahre 1860 eingeleitete neue Aera eine
konstitutionelle, und nationale genannt. Es erübrigt, noch in Kürze aufzuzeigen,
wie sehr die Berechtigung gegeben ist, anch diese letztere Bezeichnung auf sie
anzuwenden.

Ein energisches Festhalten und Betonen des nationalen Gedankens konnte


gesetz v. 5. September 1861 eure auf dem Gemeindeprinzip beruhende Re-
Präsentativverfassilng gegeben, der zufolge sie, mit dem Rechte konstitutioneller
Selbstverwaltung ausgestattet, direkt uuter dem Großherzog als Landesbischof
steht. Die römisch-katholische Kirche hat opponire und protestirt und thut dies
bis zum gegeuwürtigen Augenblick, wo für ihre jungen Theologen das kirchliche
Verbot der Ablegung des staatlich geforderten Examens feststeht. Jeder neue
Akt der Gesetzgebung, welcher die staatliche Souveränetät auf dem staatskirchlichen
Gebiet zum Ausdruck brachte, rief Proteste der Kurie, klerikale Volksdemon¬
strationen, Adressenstürme in Masse hervor. Im Frlchjahr 1869 organisirten
sich die Ultramontanen unter den: Namen „Katholische Volkspartei" und
versuchten durch Aufstellung eines aus dein Jahre 1848 hervorgeholter Programms
(Trennung von Staat und Kirche, direktes Wahlrecht u. s. w.) eine auf den
Sturz des Ministeriums Jolly abzielende Bewegung in weite Kreise zu tragen.
Das Beginnen machte, obwohl es von einer sogenannten „Wahlreform-Liga" der
demokratisch-großdeutschen Partei (v. Edelsheim, v. Berlichingen, dem spezifisch
Mannheimer Demokraten v. Feder und dem alten Burschenschafter Venedey) unter¬
stützt wurde, kläglich Fiasko. In der zweiten Kammer haben die Ultramontanen
gegenwärtig dreizehn Sitze inne, drei sind von den sogenannten Demokraten besetzt
und siebenundvierzig gehören den Nationalliberalen. Einzelne Verstimmungen
zwischen der Regierung und der nationalliberalen Partei, wie z. B. die, welche gegen
Ende des Jahres 1868 in der sogenannten Offenburger Bewegung gipfelte, hoben
sich rasch wieder, und es konnte bis zur Stunde bei dem einträchtigen Zusammen¬
wirken des Fürsten und seiner Regierung mit der Volksvertretung auf Grund des
Programms vom 7. April 1860 bleiben. „In schwerer Probe bewährt wird das
öffentliche Recht des Landes eine neue Weihe empfangen!" Dieses Wort hat
sich bewahrheitet. Das badische Volk keunt die Feinde seiner Selbständigkeit
und Freiheit. Auch Fürst und Regierung kennen sie. Man ist in Baden zu¬
nächst am Feuer gesessen und darum zuerst warm geworden. Anwandlungen
einer sentimentalen Friedensstimmung in Bezug auf den Kampf mit Rom finden
hier keinen Beifall. Sie werden, so vertraut das badische Volk, ihn auch am
Throne nicht finden. Würde es dies nicht vertrauen, so müßte auf den Tag
der Jubelfeier der Ruf der Besten zu den Ohren des Fürsten schallen, getragen
von dem tausendstimmiger Beifall der überwältigenden Mehrheit des Volkes,
der Ruf: Landgraf, werde hart!

Wir haben oben die mit dein Jahre 1860 eingeleitete neue Aera eine
konstitutionelle, und nationale genannt. Es erübrigt, noch in Kürze aufzuzeigen,
wie sehr die Berechtigung gegeben ist, anch diese letztere Bezeichnung auf sie
anzuwenden.

Ein energisches Festhalten und Betonen des nationalen Gedankens konnte


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[0179] gesetz v. 5. September 1861 eure auf dem Gemeindeprinzip beruhende Re- Präsentativverfassilng gegeben, der zufolge sie, mit dem Rechte konstitutioneller Selbstverwaltung ausgestattet, direkt uuter dem Großherzog als Landesbischof steht. Die römisch-katholische Kirche hat opponire und protestirt und thut dies bis zum gegeuwürtigen Augenblick, wo für ihre jungen Theologen das kirchliche Verbot der Ablegung des staatlich geforderten Examens feststeht. Jeder neue Akt der Gesetzgebung, welcher die staatliche Souveränetät auf dem staatskirchlichen Gebiet zum Ausdruck brachte, rief Proteste der Kurie, klerikale Volksdemon¬ strationen, Adressenstürme in Masse hervor. Im Frlchjahr 1869 organisirten sich die Ultramontanen unter den: Namen „Katholische Volkspartei" und versuchten durch Aufstellung eines aus dein Jahre 1848 hervorgeholter Programms (Trennung von Staat und Kirche, direktes Wahlrecht u. s. w.) eine auf den Sturz des Ministeriums Jolly abzielende Bewegung in weite Kreise zu tragen. Das Beginnen machte, obwohl es von einer sogenannten „Wahlreform-Liga" der demokratisch-großdeutschen Partei (v. Edelsheim, v. Berlichingen, dem spezifisch Mannheimer Demokraten v. Feder und dem alten Burschenschafter Venedey) unter¬ stützt wurde, kläglich Fiasko. In der zweiten Kammer haben die Ultramontanen gegenwärtig dreizehn Sitze inne, drei sind von den sogenannten Demokraten besetzt und siebenundvierzig gehören den Nationalliberalen. Einzelne Verstimmungen zwischen der Regierung und der nationalliberalen Partei, wie z. B. die, welche gegen Ende des Jahres 1868 in der sogenannten Offenburger Bewegung gipfelte, hoben sich rasch wieder, und es konnte bis zur Stunde bei dem einträchtigen Zusammen¬ wirken des Fürsten und seiner Regierung mit der Volksvertretung auf Grund des Programms vom 7. April 1860 bleiben. „In schwerer Probe bewährt wird das öffentliche Recht des Landes eine neue Weihe empfangen!" Dieses Wort hat sich bewahrheitet. Das badische Volk keunt die Feinde seiner Selbständigkeit und Freiheit. Auch Fürst und Regierung kennen sie. Man ist in Baden zu¬ nächst am Feuer gesessen und darum zuerst warm geworden. Anwandlungen einer sentimentalen Friedensstimmung in Bezug auf den Kampf mit Rom finden hier keinen Beifall. Sie werden, so vertraut das badische Volk, ihn auch am Throne nicht finden. Würde es dies nicht vertrauen, so müßte auf den Tag der Jubelfeier der Ruf der Besten zu den Ohren des Fürsten schallen, getragen von dem tausendstimmiger Beifall der überwältigenden Mehrheit des Volkes, der Ruf: Landgraf, werde hart! Wir haben oben die mit dein Jahre 1860 eingeleitete neue Aera eine konstitutionelle, und nationale genannt. Es erübrigt, noch in Kürze aufzuzeigen, wie sehr die Berechtigung gegeben ist, anch diese letztere Bezeichnung auf sie anzuwenden. Ein energisches Festhalten und Betonen des nationalen Gedankens konnte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/179>, abgerufen am 03.07.2024.