Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.Ministerium Meysenburg-Stengel (1856) wurde, dank hauptsächlich dem die Ministerium Meysenburg-Stengel (1856) wurde, dank hauptsächlich dem die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0170" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/137871"/> <p xml:id="ID_444" prev="#ID_443" next="#ID_445"> Ministerium Meysenburg-Stengel (1856) wurde, dank hauptsächlich dem die<lb/> Staatsautorität fein jesuitisch unterminirenden Bemühen des Legationsraths von<lb/> Urias-Sarcichaga, das Entgegenkommen und die Nachgiebigkeit größer von Jahr<lb/> zu Jahr. Zu seinem im April 1857 gefeierten fünfundzwanzigjährigen Amts¬<lb/> jubiläum wurde der Freiburger Erzbischof vom Großherzog mittelst Hand¬<lb/> schreibens beglückwünscht und ihm die Einrichtung und Leitung des theologischen<lb/> Konvikts freigegeben. Inzwischen war mit dem päpstlichen Stuhl über<lb/> Schlichtung der Wirren verhandelt worden. Die Unterhandlungen, durch<lb/> außerordentliche Gesandte (Graf Leimngen-Billigheim, Staatsrath Brunner,<lb/> zuletzt Freiherr von Berkheim und Oberhofgerichtsrath Roßhirt) geführt,<lb/> endigten mit dem Abschluß des vielberufenen Konkordats. Diese unter dem<lb/> 28. Juni 1859 zu Stande gekommene, von dem päpstlichen Stuhle mittelst der<lb/> Bulle „^etörni ?g,stori8 vioarig," unter dem 10. Oktober publizirte Konvention<lb/> wurde unter dem 5. Dezember durch landesherrliche Anordnung im Regierungs¬<lb/> blatt verkündigt, als eine Vereinbarung, „welcher wir in Anbetracht, daß die<lb/> durch sie der katholischen Kirche eingeräumte größere Selbständigkeit in der<lb/> Leitung ihrer Angelegenheiten Unser unveräußerliches obersthoheitliches Schutz-<lb/> und Aufsichtsrecht nicht beeinträchtigt, unter dem Vorbehalt der ständischen<lb/> Zustimmung zur Aenderung der der Vereinbarung entgegenstehenden<lb/> Gesetzesbestimmungen Unsere höchste Genehmigung ertheilt haben." Selten<lb/> hat die jesuitische Taktik Roms einen völligeren Triumph gefeiert, als<lb/> mit dieser Uebereinkunft, welche der Kirche rundweg alles gewährte,<lb/> was sie verlangt hatte, und den Staat zum dienenden Gehilfen des<lb/> päpstlichen Stuhles degradirte. Der Erzbischof erhielt das Recht, alle Pfrün¬<lb/> den mit Ausnahme der Patronatspfründen zu verleihen, den Generalvikar und<lb/> die außerordentlichen Mitglieder des Ordinariats frei zu ernennen, im Einver¬<lb/> nehmen mit der Regierung religiöse Orden und Kongregationen einzuführen.<lb/> Dem bischöflichen Gerichtshof wurde die Judikatur über Ehesachen zuerkannt<lb/> mit der Klausel, daß das Urtheil über die bürgerlichen Wirkungen der Ehe<lb/> dem weltlichen Gerichte überlassen werde. Dem Erzbischof wurde die volle<lb/> Disziplinargewalt über die Geistlichen zugestanden und die Befugniß, gegen<lb/> Laien, welche sich Uebertretungen kirchlicher Satzungen zu Schulden kommen<lb/> lassen, die kirchlichen Censuren in Anwendung zu bringen. „Mit Rücksicht auf<lb/> die Zeitverhältnisse" willigt der päpstliche Stuhl ein, daß die rein weltlichen<lb/> Rechtssachen der Geistlichen, „wie die Sachen, welche Vertrüge, Schulden,<lb/> Erbschaften betreffen, von dein weltlichen Gericht verhandelt und entschieden<lb/> werden", und „in gleicher Rücksicht ist der heilige Stuhl nicht entgegen, daß<lb/> die Kleriker wegen Verbrechen und Vergehen, welche gegen die Strafgesetze des<lb/> Großherzogthums verstoßen, vor das weltliche Gericht gestellt werden." Ferner</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0170]
Ministerium Meysenburg-Stengel (1856) wurde, dank hauptsächlich dem die
Staatsautorität fein jesuitisch unterminirenden Bemühen des Legationsraths von
Urias-Sarcichaga, das Entgegenkommen und die Nachgiebigkeit größer von Jahr
zu Jahr. Zu seinem im April 1857 gefeierten fünfundzwanzigjährigen Amts¬
jubiläum wurde der Freiburger Erzbischof vom Großherzog mittelst Hand¬
schreibens beglückwünscht und ihm die Einrichtung und Leitung des theologischen
Konvikts freigegeben. Inzwischen war mit dem päpstlichen Stuhl über
Schlichtung der Wirren verhandelt worden. Die Unterhandlungen, durch
außerordentliche Gesandte (Graf Leimngen-Billigheim, Staatsrath Brunner,
zuletzt Freiherr von Berkheim und Oberhofgerichtsrath Roßhirt) geführt,
endigten mit dem Abschluß des vielberufenen Konkordats. Diese unter dem
28. Juni 1859 zu Stande gekommene, von dem päpstlichen Stuhle mittelst der
Bulle „^etörni ?g,stori8 vioarig," unter dem 10. Oktober publizirte Konvention
wurde unter dem 5. Dezember durch landesherrliche Anordnung im Regierungs¬
blatt verkündigt, als eine Vereinbarung, „welcher wir in Anbetracht, daß die
durch sie der katholischen Kirche eingeräumte größere Selbständigkeit in der
Leitung ihrer Angelegenheiten Unser unveräußerliches obersthoheitliches Schutz-
und Aufsichtsrecht nicht beeinträchtigt, unter dem Vorbehalt der ständischen
Zustimmung zur Aenderung der der Vereinbarung entgegenstehenden
Gesetzesbestimmungen Unsere höchste Genehmigung ertheilt haben." Selten
hat die jesuitische Taktik Roms einen völligeren Triumph gefeiert, als
mit dieser Uebereinkunft, welche der Kirche rundweg alles gewährte,
was sie verlangt hatte, und den Staat zum dienenden Gehilfen des
päpstlichen Stuhles degradirte. Der Erzbischof erhielt das Recht, alle Pfrün¬
den mit Ausnahme der Patronatspfründen zu verleihen, den Generalvikar und
die außerordentlichen Mitglieder des Ordinariats frei zu ernennen, im Einver¬
nehmen mit der Regierung religiöse Orden und Kongregationen einzuführen.
Dem bischöflichen Gerichtshof wurde die Judikatur über Ehesachen zuerkannt
mit der Klausel, daß das Urtheil über die bürgerlichen Wirkungen der Ehe
dem weltlichen Gerichte überlassen werde. Dem Erzbischof wurde die volle
Disziplinargewalt über die Geistlichen zugestanden und die Befugniß, gegen
Laien, welche sich Uebertretungen kirchlicher Satzungen zu Schulden kommen
lassen, die kirchlichen Censuren in Anwendung zu bringen. „Mit Rücksicht auf
die Zeitverhältnisse" willigt der päpstliche Stuhl ein, daß die rein weltlichen
Rechtssachen der Geistlichen, „wie die Sachen, welche Vertrüge, Schulden,
Erbschaften betreffen, von dein weltlichen Gericht verhandelt und entschieden
werden", und „in gleicher Rücksicht ist der heilige Stuhl nicht entgegen, daß
die Kleriker wegen Verbrechen und Vergehen, welche gegen die Strafgesetze des
Großherzogthums verstoßen, vor das weltliche Gericht gestellt werden." Ferner
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