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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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schmälert. Zugleich ist die Basis gestreckter, der Sattelwirbel größer und eine
auffallende Neigung zur Schiefziihnigkeit sowie zur Langköpfigkeit beim Weibe
entwickelt. Man darf deshalb wohl sagen, daß im allgemeinen der
Typus des weiblichen Schädels sich in vieler Beziehung dem¬
jenigen des Kinderschädels, noch mehr aber demjenigen der nie¬
deren Rassen nähert.

Man hört wohl jetzt schon von den Vertretern der Frauenrechte die Be¬
hauptung aufstellen, daß mit der verbesserten Erziehung auch schon die erfolg¬
reiche Konkurrenz der Frauen auf dem Felde der geistigen Arbeit beginne.
Indessen eine Prüfung, die auf den verschiedensten Gebieten angestellt wird,
ergibt denn doch, daß hiervon noch keine Rede sein kann. In der schönen
Literatur beginnen die Frauen mehr denn je sich zu regen, und namentlich ist
das Gebiet der Novellen von ihnen überschwemmt. Im allgemeinen trifft nun
hier zu, daß physische Sterilität, Altjungferlichkeit und große literarische Pro¬
duktivität zusammenfallen. Unverheiratete Frauen sind die besten Novellen-
schreiberinnen, und die Sachen der Marlitt haben einen'Leserkreis, der mit
jenem der Beecher-Stowe fast rivalisirt. Wie sie aber auch heißen mögen alle
die romanschreibenden Damen -- keine hat ein Werk geliefert, welches
sich den Sachen von Walter Scott, Dickens, Gotthelf, Scheffel u. s. w.
an die Seite zu stellen vermöchte. Vom Gebiete des Dramas bleiben die
Frauen ohnehin fern. Alle Frauennovellen aber siud an den meist verfehlten
Zeichnungen der Männercharaktere zu erkennen, die gewöhnlich wie Modelle
oder wie Wachsfiguren im Panoptikon erscheinen; denn schon ein hoher Grad
von Genius gehört dazu, um sich völlig in den Charakter des andern Geschlechts
versetzen zu können. So hat nie ein Weib einen Mann geschildert, wie Shake¬
speare oder Goethe das Weib bis in die tiefsten Tiefen des Herzens hinein.

Auf dem Gebiete der Künste sieht es kaum besser aus. Wie viele Frauen
lernen das Malen; aber über Rosa Bonheur und Angelica Kaufmann ist es
nicht herausgekommen; man nennt sie mit Achtung, denkt aber nicht im ent¬
ferntesten an einen Vergleich mit Rafael, Dürer, Kaulbach u. f. w. Man
kann auch nicht darüber klagen, daß die musikalische Bildung der Frauen ver¬
nachlässigt werde; das Klimpern beginnt fast so früh, wie das Mädchen seine
Hände rühren kann, und, Musik geleitet dasselbe fast durchs Leben --' wo sind
aber die großen weiblichen Komponisten? Wo ist die weibliche Konkurrenz
für Mozart, Beethoven :c.?!

Dagegen bietet die Bühne dem Weibe einen zusagenden Boden, um sein
Talent und seine Fähigkeiten zu entwickeln, was auch vom Standpunkte der
Moralität dagegen gesagt werden mag. Wer will bestreiten, daß die Frauen
vorzügliche Sängerinnen, Tänzerinnen, Schauspielerinnen abgeben? Sie folgen


schmälert. Zugleich ist die Basis gestreckter, der Sattelwirbel größer und eine
auffallende Neigung zur Schiefziihnigkeit sowie zur Langköpfigkeit beim Weibe
entwickelt. Man darf deshalb wohl sagen, daß im allgemeinen der
Typus des weiblichen Schädels sich in vieler Beziehung dem¬
jenigen des Kinderschädels, noch mehr aber demjenigen der nie¬
deren Rassen nähert.

Man hört wohl jetzt schon von den Vertretern der Frauenrechte die Be¬
hauptung aufstellen, daß mit der verbesserten Erziehung auch schon die erfolg¬
reiche Konkurrenz der Frauen auf dem Felde der geistigen Arbeit beginne.
Indessen eine Prüfung, die auf den verschiedensten Gebieten angestellt wird,
ergibt denn doch, daß hiervon noch keine Rede sein kann. In der schönen
Literatur beginnen die Frauen mehr denn je sich zu regen, und namentlich ist
das Gebiet der Novellen von ihnen überschwemmt. Im allgemeinen trifft nun
hier zu, daß physische Sterilität, Altjungferlichkeit und große literarische Pro¬
duktivität zusammenfallen. Unverheiratete Frauen sind die besten Novellen-
schreiberinnen, und die Sachen der Marlitt haben einen'Leserkreis, der mit
jenem der Beecher-Stowe fast rivalisirt. Wie sie aber auch heißen mögen alle
die romanschreibenden Damen — keine hat ein Werk geliefert, welches
sich den Sachen von Walter Scott, Dickens, Gotthelf, Scheffel u. s. w.
an die Seite zu stellen vermöchte. Vom Gebiete des Dramas bleiben die
Frauen ohnehin fern. Alle Frauennovellen aber siud an den meist verfehlten
Zeichnungen der Männercharaktere zu erkennen, die gewöhnlich wie Modelle
oder wie Wachsfiguren im Panoptikon erscheinen; denn schon ein hoher Grad
von Genius gehört dazu, um sich völlig in den Charakter des andern Geschlechts
versetzen zu können. So hat nie ein Weib einen Mann geschildert, wie Shake¬
speare oder Goethe das Weib bis in die tiefsten Tiefen des Herzens hinein.

Auf dem Gebiete der Künste sieht es kaum besser aus. Wie viele Frauen
lernen das Malen; aber über Rosa Bonheur und Angelica Kaufmann ist es
nicht herausgekommen; man nennt sie mit Achtung, denkt aber nicht im ent¬
ferntesten an einen Vergleich mit Rafael, Dürer, Kaulbach u. f. w. Man
kann auch nicht darüber klagen, daß die musikalische Bildung der Frauen ver¬
nachlässigt werde; das Klimpern beginnt fast so früh, wie das Mädchen seine
Hände rühren kann, und, Musik geleitet dasselbe fast durchs Leben —' wo sind
aber die großen weiblichen Komponisten? Wo ist die weibliche Konkurrenz
für Mozart, Beethoven :c.?!

Dagegen bietet die Bühne dem Weibe einen zusagenden Boden, um sein
Talent und seine Fähigkeiten zu entwickeln, was auch vom Standpunkte der
Moralität dagegen gesagt werden mag. Wer will bestreiten, daß die Frauen
vorzügliche Sängerinnen, Tänzerinnen, Schauspielerinnen abgeben? Sie folgen


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[0121] schmälert. Zugleich ist die Basis gestreckter, der Sattelwirbel größer und eine auffallende Neigung zur Schiefziihnigkeit sowie zur Langköpfigkeit beim Weibe entwickelt. Man darf deshalb wohl sagen, daß im allgemeinen der Typus des weiblichen Schädels sich in vieler Beziehung dem¬ jenigen des Kinderschädels, noch mehr aber demjenigen der nie¬ deren Rassen nähert. Man hört wohl jetzt schon von den Vertretern der Frauenrechte die Be¬ hauptung aufstellen, daß mit der verbesserten Erziehung auch schon die erfolg¬ reiche Konkurrenz der Frauen auf dem Felde der geistigen Arbeit beginne. Indessen eine Prüfung, die auf den verschiedensten Gebieten angestellt wird, ergibt denn doch, daß hiervon noch keine Rede sein kann. In der schönen Literatur beginnen die Frauen mehr denn je sich zu regen, und namentlich ist das Gebiet der Novellen von ihnen überschwemmt. Im allgemeinen trifft nun hier zu, daß physische Sterilität, Altjungferlichkeit und große literarische Pro¬ duktivität zusammenfallen. Unverheiratete Frauen sind die besten Novellen- schreiberinnen, und die Sachen der Marlitt haben einen'Leserkreis, der mit jenem der Beecher-Stowe fast rivalisirt. Wie sie aber auch heißen mögen alle die romanschreibenden Damen — keine hat ein Werk geliefert, welches sich den Sachen von Walter Scott, Dickens, Gotthelf, Scheffel u. s. w. an die Seite zu stellen vermöchte. Vom Gebiete des Dramas bleiben die Frauen ohnehin fern. Alle Frauennovellen aber siud an den meist verfehlten Zeichnungen der Männercharaktere zu erkennen, die gewöhnlich wie Modelle oder wie Wachsfiguren im Panoptikon erscheinen; denn schon ein hoher Grad von Genius gehört dazu, um sich völlig in den Charakter des andern Geschlechts versetzen zu können. So hat nie ein Weib einen Mann geschildert, wie Shake¬ speare oder Goethe das Weib bis in die tiefsten Tiefen des Herzens hinein. Auf dem Gebiete der Künste sieht es kaum besser aus. Wie viele Frauen lernen das Malen; aber über Rosa Bonheur und Angelica Kaufmann ist es nicht herausgekommen; man nennt sie mit Achtung, denkt aber nicht im ent¬ ferntesten an einen Vergleich mit Rafael, Dürer, Kaulbach u. f. w. Man kann auch nicht darüber klagen, daß die musikalische Bildung der Frauen ver¬ nachlässigt werde; das Klimpern beginnt fast so früh, wie das Mädchen seine Hände rühren kann, und, Musik geleitet dasselbe fast durchs Leben —' wo sind aber die großen weiblichen Komponisten? Wo ist die weibliche Konkurrenz für Mozart, Beethoven :c.?! Dagegen bietet die Bühne dem Weibe einen zusagenden Boden, um sein Talent und seine Fähigkeiten zu entwickeln, was auch vom Standpunkte der Moralität dagegen gesagt werden mag. Wer will bestreiten, daß die Frauen vorzügliche Sängerinnen, Tänzerinnen, Schauspielerinnen abgeben? Sie folgen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/121>, abgerufen am 01.07.2024.