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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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Anthropologische Betrachtungen zur Irauenfrage.

". Der Magistrat der deutschen Kaiserstadt und der preußische Kultusmi¬
nister sind kürzlich mit einer Petition beglückt worden, in der nichts geringeres
verlangt wurde, als die Einrichtung eines Gymnasiums für Mädchen
in Berlin. Gewisse Vereine und agitirende Damen, die es mit dem weiblichen
Geschlechte herzlich gut meinen, suchen bei uns auch die "Frauenfrage" mehr
und mehr in Fluß zu bringen und gehen dabei von allgemein Humanitären
und sozialen Grundsätzen aus. Auf dieses Gebiet ihnen zu folge:: ist nicht
unsres Amtes, dagegen dürfte es zeitgemäß sein, die "Frage" einmal vom
anthropologischen Standpunkte zu beleuchten, wobei dann freilich einige den
Frauenrechtlern nicht ganz liebsame Wahrheiten zu Tage kommen können.

Ist das Weib dem Manne in intellektueller Beziehung ebenbürtig?
Existiren zwischen beiden natürliche geistige Unterschiede? Sind die allgemein
bemerkbaren Verschiedenheiten in Bezug auf das Denken und Thun der Män¬
ner und Frauen nur auf die Erziehung zurückzuführen, oder sind sie von An¬
fang an vorhanden? Ist das Weib für dieselbe Art der Erziehung empfänglich
wie der Mann, und kann dieselbe Art der Erziehung alle geistigen Unterschiede
zwischen Männern und Frauen beseitigen, so daß das Weib später in allen
Geistesarbeiten erfolgreich mit dem Manne in die Schranken zu trete" vermag?

Die Beantwortung dieser Fragen, mit denen wir uns hier beschäftigen
wollen, ist nicht blos von anthropologischem Interesse, sie ist auch, wie wir
gegenüber der in Rede stehenden Agitation hervorheben wollen, sehr praktischer
Natur. Die am weitesten gehenden Vertreter der "Frauenrechte" behaupten
die Gleichheit zwischen Mann und Weib. Daß eine Gleichheit in Bezug auf
Körpergröße, auf physische Stärke nicht vorhanden sei, werden auch diese Leute
zugeben müssen -- aber, so sagen sie, in intellektueller Beziehung stehen beide
Geschlechter auf gleicher Stufe. Wir leugnen jedoch das letztere und behaup¬
ten, daß, korrespvndireud mit der physischen Organisation beider Geschlechter,
ein radikaler natürlicher und permanenter Unterschied in moralischer und geisti¬
ger Beziehung vorhanden ist. Das Ekelet des Mannes und das des Weibes
sind verschieden; die großen Physiologischen Unterschiede sind nicht zu leugnen;
die meisten Funktionen, der Geschmack, das Vergnügen beider sind anderer Art
man denke an die Rollen, welche Männer und Frauen in der Geschichte ge¬
spielt haben, oder höre ihre Gespräche in der Gesellschaft an, und man wird
schon hieraus erkennen, wie paradox es ist, Mann und Weib in intellektueller
Beziehung auf dieselbe Stufe stellen zu wollen.


Anthropologische Betrachtungen zur Irauenfrage.

«. Der Magistrat der deutschen Kaiserstadt und der preußische Kultusmi¬
nister sind kürzlich mit einer Petition beglückt worden, in der nichts geringeres
verlangt wurde, als die Einrichtung eines Gymnasiums für Mädchen
in Berlin. Gewisse Vereine und agitirende Damen, die es mit dem weiblichen
Geschlechte herzlich gut meinen, suchen bei uns auch die „Frauenfrage" mehr
und mehr in Fluß zu bringen und gehen dabei von allgemein Humanitären
und sozialen Grundsätzen aus. Auf dieses Gebiet ihnen zu folge:: ist nicht
unsres Amtes, dagegen dürfte es zeitgemäß sein, die „Frage" einmal vom
anthropologischen Standpunkte zu beleuchten, wobei dann freilich einige den
Frauenrechtlern nicht ganz liebsame Wahrheiten zu Tage kommen können.

Ist das Weib dem Manne in intellektueller Beziehung ebenbürtig?
Existiren zwischen beiden natürliche geistige Unterschiede? Sind die allgemein
bemerkbaren Verschiedenheiten in Bezug auf das Denken und Thun der Män¬
ner und Frauen nur auf die Erziehung zurückzuführen, oder sind sie von An¬
fang an vorhanden? Ist das Weib für dieselbe Art der Erziehung empfänglich
wie der Mann, und kann dieselbe Art der Erziehung alle geistigen Unterschiede
zwischen Männern und Frauen beseitigen, so daß das Weib später in allen
Geistesarbeiten erfolgreich mit dem Manne in die Schranken zu trete» vermag?

Die Beantwortung dieser Fragen, mit denen wir uns hier beschäftigen
wollen, ist nicht blos von anthropologischem Interesse, sie ist auch, wie wir
gegenüber der in Rede stehenden Agitation hervorheben wollen, sehr praktischer
Natur. Die am weitesten gehenden Vertreter der „Frauenrechte" behaupten
die Gleichheit zwischen Mann und Weib. Daß eine Gleichheit in Bezug auf
Körpergröße, auf physische Stärke nicht vorhanden sei, werden auch diese Leute
zugeben müssen — aber, so sagen sie, in intellektueller Beziehung stehen beide
Geschlechter auf gleicher Stufe. Wir leugnen jedoch das letztere und behaup¬
ten, daß, korrespvndireud mit der physischen Organisation beider Geschlechter,
ein radikaler natürlicher und permanenter Unterschied in moralischer und geisti¬
ger Beziehung vorhanden ist. Das Ekelet des Mannes und das des Weibes
sind verschieden; die großen Physiologischen Unterschiede sind nicht zu leugnen;
die meisten Funktionen, der Geschmack, das Vergnügen beider sind anderer Art
man denke an die Rollen, welche Männer und Frauen in der Geschichte ge¬
spielt haben, oder höre ihre Gespräche in der Gesellschaft an, und man wird
schon hieraus erkennen, wie paradox es ist, Mann und Weib in intellektueller
Beziehung auf dieselbe Stufe stellen zu wollen.


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[0118] Anthropologische Betrachtungen zur Irauenfrage. «. Der Magistrat der deutschen Kaiserstadt und der preußische Kultusmi¬ nister sind kürzlich mit einer Petition beglückt worden, in der nichts geringeres verlangt wurde, als die Einrichtung eines Gymnasiums für Mädchen in Berlin. Gewisse Vereine und agitirende Damen, die es mit dem weiblichen Geschlechte herzlich gut meinen, suchen bei uns auch die „Frauenfrage" mehr und mehr in Fluß zu bringen und gehen dabei von allgemein Humanitären und sozialen Grundsätzen aus. Auf dieses Gebiet ihnen zu folge:: ist nicht unsres Amtes, dagegen dürfte es zeitgemäß sein, die „Frage" einmal vom anthropologischen Standpunkte zu beleuchten, wobei dann freilich einige den Frauenrechtlern nicht ganz liebsame Wahrheiten zu Tage kommen können. Ist das Weib dem Manne in intellektueller Beziehung ebenbürtig? Existiren zwischen beiden natürliche geistige Unterschiede? Sind die allgemein bemerkbaren Verschiedenheiten in Bezug auf das Denken und Thun der Män¬ ner und Frauen nur auf die Erziehung zurückzuführen, oder sind sie von An¬ fang an vorhanden? Ist das Weib für dieselbe Art der Erziehung empfänglich wie der Mann, und kann dieselbe Art der Erziehung alle geistigen Unterschiede zwischen Männern und Frauen beseitigen, so daß das Weib später in allen Geistesarbeiten erfolgreich mit dem Manne in die Schranken zu trete» vermag? Die Beantwortung dieser Fragen, mit denen wir uns hier beschäftigen wollen, ist nicht blos von anthropologischem Interesse, sie ist auch, wie wir gegenüber der in Rede stehenden Agitation hervorheben wollen, sehr praktischer Natur. Die am weitesten gehenden Vertreter der „Frauenrechte" behaupten die Gleichheit zwischen Mann und Weib. Daß eine Gleichheit in Bezug auf Körpergröße, auf physische Stärke nicht vorhanden sei, werden auch diese Leute zugeben müssen — aber, so sagen sie, in intellektueller Beziehung stehen beide Geschlechter auf gleicher Stufe. Wir leugnen jedoch das letztere und behaup¬ ten, daß, korrespvndireud mit der physischen Organisation beider Geschlechter, ein radikaler natürlicher und permanenter Unterschied in moralischer und geisti¬ ger Beziehung vorhanden ist. Das Ekelet des Mannes und das des Weibes sind verschieden; die großen Physiologischen Unterschiede sind nicht zu leugnen; die meisten Funktionen, der Geschmack, das Vergnügen beider sind anderer Art man denke an die Rollen, welche Männer und Frauen in der Geschichte ge¬ spielt haben, oder höre ihre Gespräche in der Gesellschaft an, und man wird schon hieraus erkennen, wie paradox es ist, Mann und Weib in intellektueller Beziehung auf dieselbe Stufe stellen zu wollen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/118>, abgerufen am 26.06.2024.