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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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Wenn ich im Vorstehenden den Briefwechsel des Fabricius, soweit er
unsern Gegenstand berührt, ausführlich besprochen habe, so geschah es lediglich
in der Absicht, zu zeigen, wie vorsichtig der berühmte Chirurg bei seiner Unter¬
suchung zu Werke ging. Um so überraschender wirkt daher die kurze Ansprache
an den Leser, welche er in der zweiten Ausgabe seiner Beobachtungen dem
Obigen ohne jedes vermittelnde Wort folgen läßt: "Etliche gute Freunde,
gelehrte Leute, haben mich gebeten, ich solle die Observation von dem falschen
und erdichteten Fasten des Mägdleins von Mvers auslöschen und an ihre
Statt eine andere setzen. Weil ich aber bei mir erwogen, es würde solches
dem Leser, welcher die erste Edition dieses Hunderts schon gesehen, irre machen,
so habe ich nichts ändern wollen; denn ich schäme mich nicht, zu bekennen,
daß ich in dieser Sache sei betrogen worden; weil ich weiß, daß es Jeder¬
mann bekannt, dasselbe habe 30 und mehr Jahren unzählbar viel vortreffliche
und gescheidte Leute selbst in der Stadt Moers angeführt. Ich wollte aber
wünschen, daß Einer von denen, welche das Mädchen vor Anfang ihres er¬
dichteten Fastens gekannt, den ganzen Verlauf beschreibe?: und an den Tag
kommen ließe, damit künftighin Jedermann in dergleichen bezüglichen Sachen
und Anführungen desto behutsamer sein könne."

Zorniger und entrüsteter spricht er sich 1628 in einem Briefe an seinen
Freund Peter Affenhand in Frankfurt aus! In demselben heißt es: "O ab¬
scheuliches, teuflisches Laster und Bubenstück, durch welches so viel Menschen
mit und neben mir betrogen worden;' ja selbsten auch der Herr Feldhusius,
Diener am Worte Gottes, und ein trefflicher, frommer Mann! Ich würde
mich wahrhaftig nicht wenig betrüben, daß ich das Geringste von solchem er¬
dichteten Fasten geschrieben, wenn nicht auch so viel ausgezeichnete Männer
von ihr wären geäfft und angeführt worden. Aber das tröstet mich etwas,
daß auch Andere find betrogen worden."

Daß das "Mägdlein von Moers" sich als eine Betrügerin entpuppt habe,
erfuhr Fabricius zuerst im Sommer 1628 durch Gottschall Monheim; leider
theilt derselbe nicht mit, auf welche Weise das Entpuppen stattgefunden.




Herfallendes Wlenthum.
Edward K artn er.*) Jugenderinnerungen von
I. Die Familie von Pruski und ihr Gut.

Die Unterhaltung in dem Landhause der Frau von Pruski war bei
einem Glase Grogg, der nach dem Abendessen den Gästen gehste" wurde, recht

D. Red. ') Aus dem Nachlaß unsres geehrten Mit.n'beilcrs,


Wenn ich im Vorstehenden den Briefwechsel des Fabricius, soweit er
unsern Gegenstand berührt, ausführlich besprochen habe, so geschah es lediglich
in der Absicht, zu zeigen, wie vorsichtig der berühmte Chirurg bei seiner Unter¬
suchung zu Werke ging. Um so überraschender wirkt daher die kurze Ansprache
an den Leser, welche er in der zweiten Ausgabe seiner Beobachtungen dem
Obigen ohne jedes vermittelnde Wort folgen läßt: „Etliche gute Freunde,
gelehrte Leute, haben mich gebeten, ich solle die Observation von dem falschen
und erdichteten Fasten des Mägdleins von Mvers auslöschen und an ihre
Statt eine andere setzen. Weil ich aber bei mir erwogen, es würde solches
dem Leser, welcher die erste Edition dieses Hunderts schon gesehen, irre machen,
so habe ich nichts ändern wollen; denn ich schäme mich nicht, zu bekennen,
daß ich in dieser Sache sei betrogen worden; weil ich weiß, daß es Jeder¬
mann bekannt, dasselbe habe 30 und mehr Jahren unzählbar viel vortreffliche
und gescheidte Leute selbst in der Stadt Moers angeführt. Ich wollte aber
wünschen, daß Einer von denen, welche das Mädchen vor Anfang ihres er¬
dichteten Fastens gekannt, den ganzen Verlauf beschreibe?: und an den Tag
kommen ließe, damit künftighin Jedermann in dergleichen bezüglichen Sachen
und Anführungen desto behutsamer sein könne."

Zorniger und entrüsteter spricht er sich 1628 in einem Briefe an seinen
Freund Peter Affenhand in Frankfurt aus! In demselben heißt es: „O ab¬
scheuliches, teuflisches Laster und Bubenstück, durch welches so viel Menschen
mit und neben mir betrogen worden;' ja selbsten auch der Herr Feldhusius,
Diener am Worte Gottes, und ein trefflicher, frommer Mann! Ich würde
mich wahrhaftig nicht wenig betrüben, daß ich das Geringste von solchem er¬
dichteten Fasten geschrieben, wenn nicht auch so viel ausgezeichnete Männer
von ihr wären geäfft und angeführt worden. Aber das tröstet mich etwas,
daß auch Andere find betrogen worden."

Daß das „Mägdlein von Moers" sich als eine Betrügerin entpuppt habe,
erfuhr Fabricius zuerst im Sommer 1628 durch Gottschall Monheim; leider
theilt derselbe nicht mit, auf welche Weise das Entpuppen stattgefunden.




Herfallendes Wlenthum.
Edward K artn er.*) Jugenderinnerungen von
I. Die Familie von Pruski und ihr Gut.

Die Unterhaltung in dem Landhause der Frau von Pruski war bei
einem Glase Grogg, der nach dem Abendessen den Gästen gehste» wurde, recht

D. Red. ') Aus dem Nachlaß unsres geehrten Mit.n'beilcrs,


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[0082] Wenn ich im Vorstehenden den Briefwechsel des Fabricius, soweit er unsern Gegenstand berührt, ausführlich besprochen habe, so geschah es lediglich in der Absicht, zu zeigen, wie vorsichtig der berühmte Chirurg bei seiner Unter¬ suchung zu Werke ging. Um so überraschender wirkt daher die kurze Ansprache an den Leser, welche er in der zweiten Ausgabe seiner Beobachtungen dem Obigen ohne jedes vermittelnde Wort folgen läßt: „Etliche gute Freunde, gelehrte Leute, haben mich gebeten, ich solle die Observation von dem falschen und erdichteten Fasten des Mägdleins von Mvers auslöschen und an ihre Statt eine andere setzen. Weil ich aber bei mir erwogen, es würde solches dem Leser, welcher die erste Edition dieses Hunderts schon gesehen, irre machen, so habe ich nichts ändern wollen; denn ich schäme mich nicht, zu bekennen, daß ich in dieser Sache sei betrogen worden; weil ich weiß, daß es Jeder¬ mann bekannt, dasselbe habe 30 und mehr Jahren unzählbar viel vortreffliche und gescheidte Leute selbst in der Stadt Moers angeführt. Ich wollte aber wünschen, daß Einer von denen, welche das Mädchen vor Anfang ihres er¬ dichteten Fastens gekannt, den ganzen Verlauf beschreibe?: und an den Tag kommen ließe, damit künftighin Jedermann in dergleichen bezüglichen Sachen und Anführungen desto behutsamer sein könne." Zorniger und entrüsteter spricht er sich 1628 in einem Briefe an seinen Freund Peter Affenhand in Frankfurt aus! In demselben heißt es: „O ab¬ scheuliches, teuflisches Laster und Bubenstück, durch welches so viel Menschen mit und neben mir betrogen worden;' ja selbsten auch der Herr Feldhusius, Diener am Worte Gottes, und ein trefflicher, frommer Mann! Ich würde mich wahrhaftig nicht wenig betrüben, daß ich das Geringste von solchem er¬ dichteten Fasten geschrieben, wenn nicht auch so viel ausgezeichnete Männer von ihr wären geäfft und angeführt worden. Aber das tröstet mich etwas, daß auch Andere find betrogen worden." Daß das „Mägdlein von Moers" sich als eine Betrügerin entpuppt habe, erfuhr Fabricius zuerst im Sommer 1628 durch Gottschall Monheim; leider theilt derselbe nicht mit, auf welche Weise das Entpuppen stattgefunden. Herfallendes Wlenthum. Edward K artn er.*) Jugenderinnerungen von I. Die Familie von Pruski und ihr Gut. Die Unterhaltung in dem Landhause der Frau von Pruski war bei einem Glase Grogg, der nach dem Abendessen den Gästen gehste» wurde, recht D. Red. ') Aus dem Nachlaß unsres geehrten Mit.n'beilcrs,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/82>, abgerufen am 23.07.2024.