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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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So dieser erste Brief des Fabricius; der Antwort des Professor Pfister
ist ein sehr gelehrtes Schreiben vom Doctor Zwinger beigefügt, dessen Resüm6
sich in den: Satz zusammenfassen läßt: "solches wundersame Fasten stimmt
nicht mit den Satzungen der Natur überein und ist daher unter die Wunder
zu rend neu."

Der zweite Brief des Fabricius an Pfister ist datirt vom 19. Februar
1626; er theilt uns darin mit, was er vom Apotheker Gottschall Monheimius
in Düsseldorf und dessen Sohn, Doctor meäieiuae daselbst erfahren hat. Der
Erstere schreibt am 28. Februar 1623: "Das Mägdlein von Moers, Eva
Flegen, lebt noch in demselben Stand, wie sie der Herr gesehen hat 1612.
Sie isset und trinket nicht das Geringste, doch giebt sie vor, daß alle Morgen,
wann sie im Garten umwandere, sie empfinde, wie ihre Lippen gleichsam mit
einem sehr lieblichen Thau befeuchtet werden; vieles sagt sie vorher, welches
von redlichen Leuten nicht verworfen wird, und dessen Wahrheit der Ausgang
bezeuget."

Der Doctor Franziscus Monheimius bestätigt zwei Jahre danach die
Angaben seines Vaters und sagt: "Es ist ein Wunderwerk, darüber sich zu
entsetzen, zu dieser unserer Zeit, um welches sich billig alle Geistliche, Medici
und Philosophi ihre Kopfe brechen und ihre Sinne üben sollten. Vieles von
dem, was sie vorher gesagt, ist eingetroffen, sonderlich die große Bedrängniß
der Bürger- und Bauerschaft und die traurige Verwüstung dieser so frucht¬
baren Grafschaft. Es fehlt uur die Belagerung, welche aber auch geschehen
wäre, wenn nicht der gütige Gott sie durch Krankheit und Tod verhindert
hätte."

Fabricius wollte, "daß solches Wunder Gottes uicht in Vergessenheit ge-
rathe, sondern vielmehr auch deu Nachkommenden bekannt und in Schriften
verzeichnet werde" und hatte deshalb beschlossen, alles, was er über das
Mägdlein in Erfahrung gebracht, in das fünfte Hundert seiner Beobachtungen
aufzunehmen. Um jedoch möglichst sicher zu gehen, begnügte er sich mit dem
Zeugniß der beiden Monheimii nicht, sondern wandte sich vielmehr an den
hochangesehenen Bredorovius, Rath der vereinten Städte im Niederland, mit
der Bitte, Nachforschungen darüber anzustellen, was sich seit 1612 mit der
Eva Flegen zugetragen. Bredorovius sandte diesen Brief an Bilaerbeck in
Cöln, der ihn seinerseits an Becker in Moers schickte. Dieser Letztere nun
antwortet am 18. Januar 1624: "Das Mäglein lebt in derselben Weise, wie
es Herr Fabricius aus Hilden im Jahre 1612 gesehen!" Wir erfahren von
ihm nur das Neue, daß die bereits erwähnte 12tägige Beobachtung des
Mägdleins durch den Pfarrer Conrnd Feldhns ans Befehl der Obrigkeit ge¬
schehen sei."


Grenzboten I. 1877. 10

So dieser erste Brief des Fabricius; der Antwort des Professor Pfister
ist ein sehr gelehrtes Schreiben vom Doctor Zwinger beigefügt, dessen Resüm6
sich in den: Satz zusammenfassen läßt: „solches wundersame Fasten stimmt
nicht mit den Satzungen der Natur überein und ist daher unter die Wunder
zu rend neu."

Der zweite Brief des Fabricius an Pfister ist datirt vom 19. Februar
1626; er theilt uns darin mit, was er vom Apotheker Gottschall Monheimius
in Düsseldorf und dessen Sohn, Doctor meäieiuae daselbst erfahren hat. Der
Erstere schreibt am 28. Februar 1623: „Das Mägdlein von Moers, Eva
Flegen, lebt noch in demselben Stand, wie sie der Herr gesehen hat 1612.
Sie isset und trinket nicht das Geringste, doch giebt sie vor, daß alle Morgen,
wann sie im Garten umwandere, sie empfinde, wie ihre Lippen gleichsam mit
einem sehr lieblichen Thau befeuchtet werden; vieles sagt sie vorher, welches
von redlichen Leuten nicht verworfen wird, und dessen Wahrheit der Ausgang
bezeuget."

Der Doctor Franziscus Monheimius bestätigt zwei Jahre danach die
Angaben seines Vaters und sagt: „Es ist ein Wunderwerk, darüber sich zu
entsetzen, zu dieser unserer Zeit, um welches sich billig alle Geistliche, Medici
und Philosophi ihre Kopfe brechen und ihre Sinne üben sollten. Vieles von
dem, was sie vorher gesagt, ist eingetroffen, sonderlich die große Bedrängniß
der Bürger- und Bauerschaft und die traurige Verwüstung dieser so frucht¬
baren Grafschaft. Es fehlt uur die Belagerung, welche aber auch geschehen
wäre, wenn nicht der gütige Gott sie durch Krankheit und Tod verhindert
hätte."

Fabricius wollte, „daß solches Wunder Gottes uicht in Vergessenheit ge-
rathe, sondern vielmehr auch deu Nachkommenden bekannt und in Schriften
verzeichnet werde" und hatte deshalb beschlossen, alles, was er über das
Mägdlein in Erfahrung gebracht, in das fünfte Hundert seiner Beobachtungen
aufzunehmen. Um jedoch möglichst sicher zu gehen, begnügte er sich mit dem
Zeugniß der beiden Monheimii nicht, sondern wandte sich vielmehr an den
hochangesehenen Bredorovius, Rath der vereinten Städte im Niederland, mit
der Bitte, Nachforschungen darüber anzustellen, was sich seit 1612 mit der
Eva Flegen zugetragen. Bredorovius sandte diesen Brief an Bilaerbeck in
Cöln, der ihn seinerseits an Becker in Moers schickte. Dieser Letztere nun
antwortet am 18. Januar 1624: „Das Mäglein lebt in derselben Weise, wie
es Herr Fabricius aus Hilden im Jahre 1612 gesehen!" Wir erfahren von
ihm nur das Neue, daß die bereits erwähnte 12tägige Beobachtung des
Mägdleins durch den Pfarrer Conrnd Feldhns ans Befehl der Obrigkeit ge¬
schehen sei."


Grenzboten I. 1877. 10
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[0081] So dieser erste Brief des Fabricius; der Antwort des Professor Pfister ist ein sehr gelehrtes Schreiben vom Doctor Zwinger beigefügt, dessen Resüm6 sich in den: Satz zusammenfassen läßt: „solches wundersame Fasten stimmt nicht mit den Satzungen der Natur überein und ist daher unter die Wunder zu rend neu." Der zweite Brief des Fabricius an Pfister ist datirt vom 19. Februar 1626; er theilt uns darin mit, was er vom Apotheker Gottschall Monheimius in Düsseldorf und dessen Sohn, Doctor meäieiuae daselbst erfahren hat. Der Erstere schreibt am 28. Februar 1623: „Das Mägdlein von Moers, Eva Flegen, lebt noch in demselben Stand, wie sie der Herr gesehen hat 1612. Sie isset und trinket nicht das Geringste, doch giebt sie vor, daß alle Morgen, wann sie im Garten umwandere, sie empfinde, wie ihre Lippen gleichsam mit einem sehr lieblichen Thau befeuchtet werden; vieles sagt sie vorher, welches von redlichen Leuten nicht verworfen wird, und dessen Wahrheit der Ausgang bezeuget." Der Doctor Franziscus Monheimius bestätigt zwei Jahre danach die Angaben seines Vaters und sagt: „Es ist ein Wunderwerk, darüber sich zu entsetzen, zu dieser unserer Zeit, um welches sich billig alle Geistliche, Medici und Philosophi ihre Kopfe brechen und ihre Sinne üben sollten. Vieles von dem, was sie vorher gesagt, ist eingetroffen, sonderlich die große Bedrängniß der Bürger- und Bauerschaft und die traurige Verwüstung dieser so frucht¬ baren Grafschaft. Es fehlt uur die Belagerung, welche aber auch geschehen wäre, wenn nicht der gütige Gott sie durch Krankheit und Tod verhindert hätte." Fabricius wollte, „daß solches Wunder Gottes uicht in Vergessenheit ge- rathe, sondern vielmehr auch deu Nachkommenden bekannt und in Schriften verzeichnet werde" und hatte deshalb beschlossen, alles, was er über das Mägdlein in Erfahrung gebracht, in das fünfte Hundert seiner Beobachtungen aufzunehmen. Um jedoch möglichst sicher zu gehen, begnügte er sich mit dem Zeugniß der beiden Monheimii nicht, sondern wandte sich vielmehr an den hochangesehenen Bredorovius, Rath der vereinten Städte im Niederland, mit der Bitte, Nachforschungen darüber anzustellen, was sich seit 1612 mit der Eva Flegen zugetragen. Bredorovius sandte diesen Brief an Bilaerbeck in Cöln, der ihn seinerseits an Becker in Moers schickte. Dieser Letztere nun antwortet am 18. Januar 1624: „Das Mäglein lebt in derselben Weise, wie es Herr Fabricius aus Hilden im Jahre 1612 gesehen!" Wir erfahren von ihm nur das Neue, daß die bereits erwähnte 12tägige Beobachtung des Mägdleins durch den Pfarrer Conrnd Feldhns ans Befehl der Obrigkeit ge¬ schehen sei." Grenzboten I. 1877. 10

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/81>, abgerufen am 23.07.2024.