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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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dann 7--8 Stunden ruhen und dann weiter marschiren. Die Avantgarde
erfüllte -- wenn auch mit großer Mühe -- den ersten Theil dieser Aufgabe.
Der Train aber blieb in Folge des so schwierigen Marsches über die von
tiefem Sande gebildeten Hügel weit zurück, und konnte theilweise nicht
nachgeführt werden. Vor Mitternacht war an einen Weitermarsch gar nicht
zu denken.

Wie nun aber bei den geringen Wasservorräthen den Ann erreichen, wenn
nicht irgendwo Wasser gefunden würde? -- In dieser entsetzlichen Lage ertönte
plötzlich um 11 Uhr Nachts der Ruf "Wasser! Wasser!" Ein kirgisischer Führer
hatte 7--8 Werst seitwärts einen Brunnen entdeckt. Um 1 Uhr Nachts brach
mau dorthin ans, und um 6 Uhr Morgens lagerte die Truppe bei Alty-
kuduk. -- Die Brunnen waren aber doch zu wenig ergiebig, als daß sie das
ganze Detachement für den Weitermarsch genügend mit Wasser hätten versorgen
können. In Folge dessen sandte der General-Gouverneur einen Theil der
Kolonne und speziell alle Pferde und Kameele nach Adam-krylgcm zurück. Es
sollten dort soviel wie möglich Brunnen gegraben, die Thiere getränkt, ein von
Chat-ata eintreffender Prvviantzug abgewartet und dann möglichst viel Wasser
mit zurückgebracht werden.

Am 9. Mai war der Befehl ausgeführt und die Kolonne wieder in Alty-
kuduk zurück. Unverzüglich begann der Weitermarsch. Ein Theil des Trains
mußte aber unter einer Bedeckung zurückbleiben, da von den 2800 aus Chalata
mitgenommenen Kameelen nur noch 1240 vorhanden waren. Am folgenden
Tage -- am 11. Mai -- bezogen die Truppen das Bivak bereits angesichts
von Atfeh-uschak. Der grausige Kampf mit den Elementen in der Wüste wär
überstanden; man war am Ann, am Rande der Oase, angekommen. Nun
galt es nur noch mit den Waffen in der Hand zu kämpfen, -- ein Kinderspiel
nach jenen überstandenen Strapatzen, nach jenein fast die Menschenkräfte über¬
steigenden Ringen in der Wüsteneinöde.

Am 9. Mai hatten sich bereits Turkmenen gezeigt, und eingebrachte Ge¬
fangene hatten ausgesagt, daß am Ann gegen 3500 Turkmenen und Kirgisen
den Russen den Weg verlegen würden. Schon in der Nacht machten sie einen
Angriff auf das russische Lager, und wurden zurückgewiesen. Am 11. Mai
rückten die russischen Truppen -- zum ersten Male zum Gefechte geordnet --
vor, wo der Feind sich entgegenstellte, wurde er geworfen. Auch in seinem auf
den Höhen am Ann aufgeschlagenen Lager hielt er nicht Stand: die Russen
nahmen von dem Lager Besitz: der Schlüssel der Chiwa - Oase war in ihren
Händen.

Anderen Tags setzte der General von Kaufman den Vormarsch in der
Richtung auf Schurachcm fort. Ohne weiter auf den Feind zu stoßen erreich-


dann 7—8 Stunden ruhen und dann weiter marschiren. Die Avantgarde
erfüllte — wenn auch mit großer Mühe — den ersten Theil dieser Aufgabe.
Der Train aber blieb in Folge des so schwierigen Marsches über die von
tiefem Sande gebildeten Hügel weit zurück, und konnte theilweise nicht
nachgeführt werden. Vor Mitternacht war an einen Weitermarsch gar nicht
zu denken.

Wie nun aber bei den geringen Wasservorräthen den Ann erreichen, wenn
nicht irgendwo Wasser gefunden würde? — In dieser entsetzlichen Lage ertönte
plötzlich um 11 Uhr Nachts der Ruf „Wasser! Wasser!" Ein kirgisischer Führer
hatte 7—8 Werst seitwärts einen Brunnen entdeckt. Um 1 Uhr Nachts brach
mau dorthin ans, und um 6 Uhr Morgens lagerte die Truppe bei Alty-
kuduk. — Die Brunnen waren aber doch zu wenig ergiebig, als daß sie das
ganze Detachement für den Weitermarsch genügend mit Wasser hätten versorgen
können. In Folge dessen sandte der General-Gouverneur einen Theil der
Kolonne und speziell alle Pferde und Kameele nach Adam-krylgcm zurück. Es
sollten dort soviel wie möglich Brunnen gegraben, die Thiere getränkt, ein von
Chat-ata eintreffender Prvviantzug abgewartet und dann möglichst viel Wasser
mit zurückgebracht werden.

Am 9. Mai war der Befehl ausgeführt und die Kolonne wieder in Alty-
kuduk zurück. Unverzüglich begann der Weitermarsch. Ein Theil des Trains
mußte aber unter einer Bedeckung zurückbleiben, da von den 2800 aus Chalata
mitgenommenen Kameelen nur noch 1240 vorhanden waren. Am folgenden
Tage — am 11. Mai — bezogen die Truppen das Bivak bereits angesichts
von Atfeh-uschak. Der grausige Kampf mit den Elementen in der Wüste wär
überstanden; man war am Ann, am Rande der Oase, angekommen. Nun
galt es nur noch mit den Waffen in der Hand zu kämpfen, — ein Kinderspiel
nach jenen überstandenen Strapatzen, nach jenein fast die Menschenkräfte über¬
steigenden Ringen in der Wüsteneinöde.

Am 9. Mai hatten sich bereits Turkmenen gezeigt, und eingebrachte Ge¬
fangene hatten ausgesagt, daß am Ann gegen 3500 Turkmenen und Kirgisen
den Russen den Weg verlegen würden. Schon in der Nacht machten sie einen
Angriff auf das russische Lager, und wurden zurückgewiesen. Am 11. Mai
rückten die russischen Truppen — zum ersten Male zum Gefechte geordnet —
vor, wo der Feind sich entgegenstellte, wurde er geworfen. Auch in seinem auf
den Höhen am Ann aufgeschlagenen Lager hielt er nicht Stand: die Russen
nahmen von dem Lager Besitz: der Schlüssel der Chiwa - Oase war in ihren
Händen.

Anderen Tags setzte der General von Kaufman den Vormarsch in der
Richtung auf Schurachcm fort. Ohne weiter auf den Feind zu stoßen erreich-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/53>, abgerufen am 01.10.2024.