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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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schon am 11. April auf Chat-ata abmarschirte, bis zu letzterem Orte hinaus¬
geschoben. Hier erfolgte sie am 24. April. Die djisaksche Kolonne hatte gegen
450, die kasalinsskische gegen 700 Werst zurückgelegt. Das vereinigte
turkestanische Detachement trat nunmehr unter den Befehl des Generals
Golowatschew.

Die in Chat-ata angelegte Befestigung -- Se. Georgs-Befestigung ge¬
nannt -- erhielt eine Besatzung von 1 Ins.-Comp., 1 Ssotnie Kasaken und
2 Festungsgeschützen.

Wenn auch Wasser -- die Hauptsache bei einem Steppenfeldzuge --
reichlich vorhanden war, es auch an Nahrungsmitteln keineswegs mangelte, so
war doch der Aufenthalt bei Chat-ata bei einer Temperatur von 39° R.
und den steten Sandstürmen ein sehr unerquicklicher, so daß der Oberst Ko-
lokolzow in seinem Feldtagebuche schreibt: "Unsere Lage war keine Minute
lang eine menschliche, Tag und Nacht ein wahres Chaos, Tag und Nacht eine
Art jüngster Tag ohne Ruhe, ohne Rast". -- Und doch standen die größten
Strapatzen dem Detachement noch bevor.

Nachdem der General von Kaufman schon am 27. April eine kleine Ka-
saken-Abtheilung zum Schutze der Brunnen bei Adam-krylgan (zu deutsch:
"Menschenuntergang") gegen Turkmenen, welche sich bereits am 23. als die
ersten Feinde gezeigt hatten, vorausgeschickt hatte, brach er selbst mit 9 Comp.
Infanterie, ^ Sfotnie Kasaken und 8 reit. Geschützen am 30. April von
Chat-ata ans. Die Cavallerie sollte erst später nachfolgen, das Gros noch
vor dem Anm einholen; die übrigen Truppen aber vorläufig zurückbleiben.
Mit dem ganzen Detachement gleichzeitig den Marsch anzutreten, war unmöglich,
da schon 700 Kameele gefallen waren.

Die 40 Werst von Chat-ata im tiefen Sande bergauf bergab, ohne
Brunnen bis Adam-krylgan zurück zu legen, gebrauchte man von 3 Uhr
Morgens bis 10 Uhr Abends, während welcher Zeit die Truppen nur sechs
Stunden geruht hatten. Der Kameel-train war über fünf Werst lang geworden;
-- die Arrieregarde traf erst um Mitternacht ein.

Auf der letzten etwa noch 75 Werst betragenden Strecke bis zum Ann
bedürfte es der ganzen Energie der Officiere und der Ausdauer der Mann¬
schaften, um im Kampfe mit der Wüste den Sieg davon zu tragen. Der kaum
noch für 2 Tage ausreichende Wasservorrath zwang nämlich das Detachement,
diesen durch die wasserlose Wüste führenden Weg in höchstens zweimal vier¬
undzwanzig Stunden zurückzulegen, sollten nicht Menschen und Thiere der
Gescchr des Verdurstens ausgesetzt werden. Und nur mit genauer Noth ent¬
gingen sie diesem Schicksal. Am 2. Mai 2 Uhr Morgens setzte sich die Ko¬
lonne wieder in Marsch. Bis 9 Uhr Morgens sollte sie 20 Werst zurücklegen,


schon am 11. April auf Chat-ata abmarschirte, bis zu letzterem Orte hinaus¬
geschoben. Hier erfolgte sie am 24. April. Die djisaksche Kolonne hatte gegen
450, die kasalinsskische gegen 700 Werst zurückgelegt. Das vereinigte
turkestanische Detachement trat nunmehr unter den Befehl des Generals
Golowatschew.

Die in Chat-ata angelegte Befestigung — Se. Georgs-Befestigung ge¬
nannt — erhielt eine Besatzung von 1 Ins.-Comp., 1 Ssotnie Kasaken und
2 Festungsgeschützen.

Wenn auch Wasser — die Hauptsache bei einem Steppenfeldzuge —
reichlich vorhanden war, es auch an Nahrungsmitteln keineswegs mangelte, so
war doch der Aufenthalt bei Chat-ata bei einer Temperatur von 39° R.
und den steten Sandstürmen ein sehr unerquicklicher, so daß der Oberst Ko-
lokolzow in seinem Feldtagebuche schreibt: „Unsere Lage war keine Minute
lang eine menschliche, Tag und Nacht ein wahres Chaos, Tag und Nacht eine
Art jüngster Tag ohne Ruhe, ohne Rast". — Und doch standen die größten
Strapatzen dem Detachement noch bevor.

Nachdem der General von Kaufman schon am 27. April eine kleine Ka-
saken-Abtheilung zum Schutze der Brunnen bei Adam-krylgan (zu deutsch:
„Menschenuntergang") gegen Turkmenen, welche sich bereits am 23. als die
ersten Feinde gezeigt hatten, vorausgeschickt hatte, brach er selbst mit 9 Comp.
Infanterie, ^ Sfotnie Kasaken und 8 reit. Geschützen am 30. April von
Chat-ata ans. Die Cavallerie sollte erst später nachfolgen, das Gros noch
vor dem Anm einholen; die übrigen Truppen aber vorläufig zurückbleiben.
Mit dem ganzen Detachement gleichzeitig den Marsch anzutreten, war unmöglich,
da schon 700 Kameele gefallen waren.

Die 40 Werst von Chat-ata im tiefen Sande bergauf bergab, ohne
Brunnen bis Adam-krylgan zurück zu legen, gebrauchte man von 3 Uhr
Morgens bis 10 Uhr Abends, während welcher Zeit die Truppen nur sechs
Stunden geruht hatten. Der Kameel-train war über fünf Werst lang geworden;
— die Arrieregarde traf erst um Mitternacht ein.

Auf der letzten etwa noch 75 Werst betragenden Strecke bis zum Ann
bedürfte es der ganzen Energie der Officiere und der Ausdauer der Mann¬
schaften, um im Kampfe mit der Wüste den Sieg davon zu tragen. Der kaum
noch für 2 Tage ausreichende Wasservorrath zwang nämlich das Detachement,
diesen durch die wasserlose Wüste führenden Weg in höchstens zweimal vier¬
undzwanzig Stunden zurückzulegen, sollten nicht Menschen und Thiere der
Gescchr des Verdurstens ausgesetzt werden. Und nur mit genauer Noth ent¬
gingen sie diesem Schicksal. Am 2. Mai 2 Uhr Morgens setzte sich die Ko¬
lonne wieder in Marsch. Bis 9 Uhr Morgens sollte sie 20 Werst zurücklegen,


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[0052] schon am 11. April auf Chat-ata abmarschirte, bis zu letzterem Orte hinaus¬ geschoben. Hier erfolgte sie am 24. April. Die djisaksche Kolonne hatte gegen 450, die kasalinsskische gegen 700 Werst zurückgelegt. Das vereinigte turkestanische Detachement trat nunmehr unter den Befehl des Generals Golowatschew. Die in Chat-ata angelegte Befestigung — Se. Georgs-Befestigung ge¬ nannt — erhielt eine Besatzung von 1 Ins.-Comp., 1 Ssotnie Kasaken und 2 Festungsgeschützen. Wenn auch Wasser — die Hauptsache bei einem Steppenfeldzuge — reichlich vorhanden war, es auch an Nahrungsmitteln keineswegs mangelte, so war doch der Aufenthalt bei Chat-ata bei einer Temperatur von 39° R. und den steten Sandstürmen ein sehr unerquicklicher, so daß der Oberst Ko- lokolzow in seinem Feldtagebuche schreibt: „Unsere Lage war keine Minute lang eine menschliche, Tag und Nacht ein wahres Chaos, Tag und Nacht eine Art jüngster Tag ohne Ruhe, ohne Rast". — Und doch standen die größten Strapatzen dem Detachement noch bevor. Nachdem der General von Kaufman schon am 27. April eine kleine Ka- saken-Abtheilung zum Schutze der Brunnen bei Adam-krylgan (zu deutsch: „Menschenuntergang") gegen Turkmenen, welche sich bereits am 23. als die ersten Feinde gezeigt hatten, vorausgeschickt hatte, brach er selbst mit 9 Comp. Infanterie, ^ Sfotnie Kasaken und 8 reit. Geschützen am 30. April von Chat-ata ans. Die Cavallerie sollte erst später nachfolgen, das Gros noch vor dem Anm einholen; die übrigen Truppen aber vorläufig zurückbleiben. Mit dem ganzen Detachement gleichzeitig den Marsch anzutreten, war unmöglich, da schon 700 Kameele gefallen waren. Die 40 Werst von Chat-ata im tiefen Sande bergauf bergab, ohne Brunnen bis Adam-krylgan zurück zu legen, gebrauchte man von 3 Uhr Morgens bis 10 Uhr Abends, während welcher Zeit die Truppen nur sechs Stunden geruht hatten. Der Kameel-train war über fünf Werst lang geworden; — die Arrieregarde traf erst um Mitternacht ein. Auf der letzten etwa noch 75 Werst betragenden Strecke bis zum Ann bedürfte es der ganzen Energie der Officiere und der Ausdauer der Mann¬ schaften, um im Kampfe mit der Wüste den Sieg davon zu tragen. Der kaum noch für 2 Tage ausreichende Wasservorrath zwang nämlich das Detachement, diesen durch die wasserlose Wüste führenden Weg in höchstens zweimal vier¬ undzwanzig Stunden zurückzulegen, sollten nicht Menschen und Thiere der Gescchr des Verdurstens ausgesetzt werden. Und nur mit genauer Noth ent¬ gingen sie diesem Schicksal. Am 2. Mai 2 Uhr Morgens setzte sich die Ko¬ lonne wieder in Marsch. Bis 9 Uhr Morgens sollte sie 20 Werst zurücklegen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/52>, abgerufen am 01.07.2024.