Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ihm jedoch keine Unterredung. -- Als man ihn fragte, ob er vor dein Drucke
seines Werkes dein Pater Riccardi Kenntniß gegeben habe von dem Verlauf
jenes Prozesses ans dem Jahre 1616, erwiderte er mit derselben Doppel¬
züngigkeit: er habe dies nicht für nöthig gehalten, da er in seinem Werke
das verbotene System weder behauptet noch vertheidigt habe, sondern es nnr
erkläre. Da Galilei in seinen Werken eine starke satirische Ader verrieth, durch
welche er ebenso wie im persönlichen Umgänge sich viele Feinde geschaffen
hatte, so liegt die Vermuthung nahe, daß auch seine Richter in solchen Ant¬
worten versteckten Hohn finden mußten. Dabei lief noch der unglückliche Um¬
stand mit nnter, daß man zufälligerweise bereits in der obenerwähnten Figur
des bibeltrenen Starrkvpses einige Züge entdecken, wollte, welche ans den Papst
selbst hindenteten. Die Art der Vertheidigung Galileis hatte den natürlichen
Erfolg, daß die Maßregeln gegen den Angeklagten verschärft wurden. Die
Anklage, daß er ein Anhänger des kvpernikanischen Systems sei und ein ihm
ausdrücklich untersagtes Werk geschrieben habe, wurde durchaus aufrecht er¬
halten, und Galilei in deu Palast der Inquisition, übergeführt. Mau wies ihm
dort ein Bedientenzimmer an, und seine Freiheit wurde in jeder Weise beschränkt.

Von dem Pater Commissarius des heiligen Gerichts wurde er hier häufig
besucht, und hatte derselbe mit ihm vielfache Unterredungen. Man wird wohl
nicht fehlgreifen, wenn man diesen Besuchen weniger evangelische Liebe und
zarte Sorge für das Seelenheil des Angeklagten unterlegt, als den Auftrag
der Gerichtsherren, den Ketzer zum Plaudern zu veranlassen. Dieser Vincente
Maeolano macht übrigens im Ganzen den Eindruck eiues wohlwollenden
Mannes. So meldet er eines Tages mit sichtlicher Befriedigung, daß der
Gefangene voller Zerknirschung seine Irrthümer einsehe, und nur noch um etwas
Zeit bitte, seinen Rückzug in ehrenvoller Form antreten zu können. Der Pater
war jedenfalls der Ansicht, man werde auch diesmal Galilei glimpflich ent¬
schlüpfen lassen, wenn er nur Reue bezeige. Bei dem nächsten Verhör, am
30. April, gab denn auch Galilei folgende Darstellung der Sachlage zum
Besten: Er bekenne hiermit, daß bei seinem Versuche, das kopernikanische System
zu widerlegen, er fälschlicher Weise den für dasselbe sprechenden Gründen zu
viel Gewicht beigelegt und dadurch zur Verbreitung eines verderblichen Irr¬
thums beigetragen habe, da er doch eigentlich die Absicht gehabt habe, dies
System zu widerlegen. Er erklärte: "Ich bin gern bereit, das kopernikanische
System durch alle Mittel zu widerlegen, die Gott in meine Hand geben wird!"
Demjenigen, welcher mit der Denk- und Redeweise des damaligen Italiens
vertraut ist, kann der jesuitische Doppelsinn anch dieser scheinbar vollendeten
Aufrichtigkeit uicht entgehen. Seine Richter jedoch, in kluger Würdigung des
Charakters ihres Widersachers, ließen ans den Ausbruch dieser scheinbaren


ihm jedoch keine Unterredung. — Als man ihn fragte, ob er vor dein Drucke
seines Werkes dein Pater Riccardi Kenntniß gegeben habe von dem Verlauf
jenes Prozesses ans dem Jahre 1616, erwiderte er mit derselben Doppel¬
züngigkeit: er habe dies nicht für nöthig gehalten, da er in seinem Werke
das verbotene System weder behauptet noch vertheidigt habe, sondern es nnr
erkläre. Da Galilei in seinen Werken eine starke satirische Ader verrieth, durch
welche er ebenso wie im persönlichen Umgänge sich viele Feinde geschaffen
hatte, so liegt die Vermuthung nahe, daß auch seine Richter in solchen Ant¬
worten versteckten Hohn finden mußten. Dabei lief noch der unglückliche Um¬
stand mit nnter, daß man zufälligerweise bereits in der obenerwähnten Figur
des bibeltrenen Starrkvpses einige Züge entdecken, wollte, welche ans den Papst
selbst hindenteten. Die Art der Vertheidigung Galileis hatte den natürlichen
Erfolg, daß die Maßregeln gegen den Angeklagten verschärft wurden. Die
Anklage, daß er ein Anhänger des kvpernikanischen Systems sei und ein ihm
ausdrücklich untersagtes Werk geschrieben habe, wurde durchaus aufrecht er¬
halten, und Galilei in deu Palast der Inquisition, übergeführt. Mau wies ihm
dort ein Bedientenzimmer an, und seine Freiheit wurde in jeder Weise beschränkt.

Von dem Pater Commissarius des heiligen Gerichts wurde er hier häufig
besucht, und hatte derselbe mit ihm vielfache Unterredungen. Man wird wohl
nicht fehlgreifen, wenn man diesen Besuchen weniger evangelische Liebe und
zarte Sorge für das Seelenheil des Angeklagten unterlegt, als den Auftrag
der Gerichtsherren, den Ketzer zum Plaudern zu veranlassen. Dieser Vincente
Maeolano macht übrigens im Ganzen den Eindruck eiues wohlwollenden
Mannes. So meldet er eines Tages mit sichtlicher Befriedigung, daß der
Gefangene voller Zerknirschung seine Irrthümer einsehe, und nur noch um etwas
Zeit bitte, seinen Rückzug in ehrenvoller Form antreten zu können. Der Pater
war jedenfalls der Ansicht, man werde auch diesmal Galilei glimpflich ent¬
schlüpfen lassen, wenn er nur Reue bezeige. Bei dem nächsten Verhör, am
30. April, gab denn auch Galilei folgende Darstellung der Sachlage zum
Besten: Er bekenne hiermit, daß bei seinem Versuche, das kopernikanische System
zu widerlegen, er fälschlicher Weise den für dasselbe sprechenden Gründen zu
viel Gewicht beigelegt und dadurch zur Verbreitung eines verderblichen Irr¬
thums beigetragen habe, da er doch eigentlich die Absicht gehabt habe, dies
System zu widerlegen. Er erklärte: „Ich bin gern bereit, das kopernikanische
System durch alle Mittel zu widerlegen, die Gott in meine Hand geben wird!"
Demjenigen, welcher mit der Denk- und Redeweise des damaligen Italiens
vertraut ist, kann der jesuitische Doppelsinn anch dieser scheinbar vollendeten
Aufrichtigkeit uicht entgehen. Seine Richter jedoch, in kluger Würdigung des
Charakters ihres Widersachers, ließen ans den Ausbruch dieser scheinbaren


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0500" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/137673"/>
          <p xml:id="ID_1597" prev="#ID_1596"> ihm jedoch keine Unterredung. &#x2014; Als man ihn fragte, ob er vor dein Drucke<lb/>
seines Werkes dein Pater Riccardi Kenntniß gegeben habe von dem Verlauf<lb/>
jenes Prozesses ans dem Jahre 1616, erwiderte er mit derselben Doppel¬<lb/>
züngigkeit: er habe dies nicht für nöthig gehalten, da er in seinem Werke<lb/>
das verbotene System weder behauptet noch vertheidigt habe, sondern es nnr<lb/>
erkläre. Da Galilei in seinen Werken eine starke satirische Ader verrieth, durch<lb/>
welche er ebenso wie im persönlichen Umgänge sich viele Feinde geschaffen<lb/>
hatte, so liegt die Vermuthung nahe, daß auch seine Richter in solchen Ant¬<lb/>
worten versteckten Hohn finden mußten. Dabei lief noch der unglückliche Um¬<lb/>
stand mit nnter, daß man zufälligerweise bereits in der obenerwähnten Figur<lb/>
des bibeltrenen Starrkvpses einige Züge entdecken, wollte, welche ans den Papst<lb/>
selbst hindenteten. Die Art der Vertheidigung Galileis hatte den natürlichen<lb/>
Erfolg, daß die Maßregeln gegen den Angeklagten verschärft wurden. Die<lb/>
Anklage, daß er ein Anhänger des kvpernikanischen Systems sei und ein ihm<lb/>
ausdrücklich untersagtes Werk geschrieben habe, wurde durchaus aufrecht er¬<lb/>
halten, und Galilei in deu Palast der Inquisition, übergeführt. Mau wies ihm<lb/>
dort ein Bedientenzimmer an, und seine Freiheit wurde in jeder Weise beschränkt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1598" next="#ID_1599"> Von dem Pater Commissarius des heiligen Gerichts wurde er hier häufig<lb/>
besucht, und hatte derselbe mit ihm vielfache Unterredungen. Man wird wohl<lb/>
nicht fehlgreifen, wenn man diesen Besuchen weniger evangelische Liebe und<lb/>
zarte Sorge für das Seelenheil des Angeklagten unterlegt, als den Auftrag<lb/>
der Gerichtsherren, den Ketzer zum Plaudern zu veranlassen. Dieser Vincente<lb/>
Maeolano macht übrigens im Ganzen den Eindruck eiues wohlwollenden<lb/>
Mannes. So meldet er eines Tages mit sichtlicher Befriedigung, daß der<lb/>
Gefangene voller Zerknirschung seine Irrthümer einsehe, und nur noch um etwas<lb/>
Zeit bitte, seinen Rückzug in ehrenvoller Form antreten zu können. Der Pater<lb/>
war jedenfalls der Ansicht, man werde auch diesmal Galilei glimpflich ent¬<lb/>
schlüpfen lassen, wenn er nur Reue bezeige. Bei dem nächsten Verhör, am<lb/>
30. April, gab denn auch Galilei folgende Darstellung der Sachlage zum<lb/>
Besten: Er bekenne hiermit, daß bei seinem Versuche, das kopernikanische System<lb/>
zu widerlegen, er fälschlicher Weise den für dasselbe sprechenden Gründen zu<lb/>
viel Gewicht beigelegt und dadurch zur Verbreitung eines verderblichen Irr¬<lb/>
thums beigetragen habe, da er doch eigentlich die Absicht gehabt habe, dies<lb/>
System zu widerlegen. Er erklärte: &#x201E;Ich bin gern bereit, das kopernikanische<lb/>
System durch alle Mittel zu widerlegen, die Gott in meine Hand geben wird!"<lb/>
Demjenigen, welcher mit der Denk- und Redeweise des damaligen Italiens<lb/>
vertraut ist, kann der jesuitische Doppelsinn anch dieser scheinbar vollendeten<lb/>
Aufrichtigkeit uicht entgehen. Seine Richter jedoch, in kluger Würdigung des<lb/>
Charakters ihres Widersachers, ließen ans den Ausbruch dieser scheinbaren</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0500] ihm jedoch keine Unterredung. — Als man ihn fragte, ob er vor dein Drucke seines Werkes dein Pater Riccardi Kenntniß gegeben habe von dem Verlauf jenes Prozesses ans dem Jahre 1616, erwiderte er mit derselben Doppel¬ züngigkeit: er habe dies nicht für nöthig gehalten, da er in seinem Werke das verbotene System weder behauptet noch vertheidigt habe, sondern es nnr erkläre. Da Galilei in seinen Werken eine starke satirische Ader verrieth, durch welche er ebenso wie im persönlichen Umgänge sich viele Feinde geschaffen hatte, so liegt die Vermuthung nahe, daß auch seine Richter in solchen Ant¬ worten versteckten Hohn finden mußten. Dabei lief noch der unglückliche Um¬ stand mit nnter, daß man zufälligerweise bereits in der obenerwähnten Figur des bibeltrenen Starrkvpses einige Züge entdecken, wollte, welche ans den Papst selbst hindenteten. Die Art der Vertheidigung Galileis hatte den natürlichen Erfolg, daß die Maßregeln gegen den Angeklagten verschärft wurden. Die Anklage, daß er ein Anhänger des kvpernikanischen Systems sei und ein ihm ausdrücklich untersagtes Werk geschrieben habe, wurde durchaus aufrecht er¬ halten, und Galilei in deu Palast der Inquisition, übergeführt. Mau wies ihm dort ein Bedientenzimmer an, und seine Freiheit wurde in jeder Weise beschränkt. Von dem Pater Commissarius des heiligen Gerichts wurde er hier häufig besucht, und hatte derselbe mit ihm vielfache Unterredungen. Man wird wohl nicht fehlgreifen, wenn man diesen Besuchen weniger evangelische Liebe und zarte Sorge für das Seelenheil des Angeklagten unterlegt, als den Auftrag der Gerichtsherren, den Ketzer zum Plaudern zu veranlassen. Dieser Vincente Maeolano macht übrigens im Ganzen den Eindruck eiues wohlwollenden Mannes. So meldet er eines Tages mit sichtlicher Befriedigung, daß der Gefangene voller Zerknirschung seine Irrthümer einsehe, und nur noch um etwas Zeit bitte, seinen Rückzug in ehrenvoller Form antreten zu können. Der Pater war jedenfalls der Ansicht, man werde auch diesmal Galilei glimpflich ent¬ schlüpfen lassen, wenn er nur Reue bezeige. Bei dem nächsten Verhör, am 30. April, gab denn auch Galilei folgende Darstellung der Sachlage zum Besten: Er bekenne hiermit, daß bei seinem Versuche, das kopernikanische System zu widerlegen, er fälschlicher Weise den für dasselbe sprechenden Gründen zu viel Gewicht beigelegt und dadurch zur Verbreitung eines verderblichen Irr¬ thums beigetragen habe, da er doch eigentlich die Absicht gehabt habe, dies System zu widerlegen. Er erklärte: „Ich bin gern bereit, das kopernikanische System durch alle Mittel zu widerlegen, die Gott in meine Hand geben wird!" Demjenigen, welcher mit der Denk- und Redeweise des damaligen Italiens vertraut ist, kann der jesuitische Doppelsinn anch dieser scheinbar vollendeten Aufrichtigkeit uicht entgehen. Seine Richter jedoch, in kluger Würdigung des Charakters ihres Widersachers, ließen ans den Ausbruch dieser scheinbaren

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/500
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/500>, abgerufen am 03.07.2024.