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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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schließen und dem Könige, der an der Sache lebhaften Antheil nahm, die Er¬
öffnung der Lehranstalt für den Oktober jenes Jahres in Aussicht stellen
konnte. Aber die Mitte des Oktober brachte die Franzosen ins Land, der bei
Jena und Auerstädt siegreich gewesene Feind überschwemmte die Marken, und
statt der angemeldeten 21 Zöglinge stellten sich nur 3 ein. Im Frühjahr 1807
waren erst 8 eingetroffen. Diese Zahl wuchs zwar später, da aber bei der
vollständigen Zerrüttung der Geldverhältnisse in Preußen und den Nachbar¬
ländern viele Söhne sonst wohlhabender Eltern mit der Zahlung ihrer Pen-
sionen in Rückstand blieben und Manche, welche Aktien genommen hatten, ihre
Einzahlungen nicht zu leisten vermochten, so entstanden schwere Verlegenheiten
für Thaer, welcher, dem guten Sterne Preußens vertrauend, in freilich schon
bedrohter Zeit' dieses Institut ins Leben gerufen hatte. Im Freiheitskriege
standen dann alle Zöglinge im Felde, anch die drei Söhne Thaers, und so
kam es, daß die Einrichtung ohne Verlust weder aufgegeben noch fortgeführt
werden konnte. In Noth und Sorge fchrieb er damals seiner abwesenden Frau:

"Wollte Gott, daß ich das Institut nicht angelegt hätte; denn es ist die
Quelle aller Verlegenheiten und Sorgen geworden. Aber es ist für unser
Laud zu wichtig, und so muß es bleiben."

Ein Glück, daß es blieb. Mit dem Frieden kamen auch für Thaer bessere
Tage, und wie er während des letzten Jahrzehnts, das ihm noch zu leben und
zu wirken vergönnt war, seinen Ruhm wachsen und die verschiedenen Zweige
seiner Wissenschaft blühen sah, so nahm auch seine Schule, seit 1819 "König¬
liche akademische Lehranstalt des Landbaues" genannt, von Jahr zu Jahr an
Ausdehnung und Ansehen zu.

Die zahlreichen Schüler Thaers trugen seine Lehren überall hin und
wurden, nachdem sie selbständige Landwirthe geworden waren, Vorbilder, nach
denen sich die Nachbarn bei der Einführung der verbesserten Betriebsweise des
Ackerbaues und der Viehzucht richten konnten.

Als Professor und Mitglied des Staatsrathes, später als Geheimer Oberregie¬
rungsrath wurde Thaer auch vielfach bei der Berathung und Ausarbeitung der
Agrargesetzgebung in Anspruch genommen. Im Jahre 1824 feierte er nnter
großer Theilnahme von Nah und Fern sein Doctorjubiläum. Später weckte
in ihm der Ankauf neuen Grundbesitzes noch einmal den alten Feuereifer, aber
ein rheumatisches Leiden lähmte bald darauf seine Kräfte und führte endlich
seinen Tod herbei. Er starb zu Möglin am 26. Oktober 1828 und ruht dort
in der Nähe eines stilles Teiches, nach welchem die Fenster der jetzt geschlossenen
Lehranstalt freundlich hinüberblicken. In Berlin und Leipzig sind ihm Bild¬
säuleu errichtet, das schönste Denkmal aber hat er sich selbst geschaffen -- in


Grenzboten I. 1877. 48

schließen und dem Könige, der an der Sache lebhaften Antheil nahm, die Er¬
öffnung der Lehranstalt für den Oktober jenes Jahres in Aussicht stellen
konnte. Aber die Mitte des Oktober brachte die Franzosen ins Land, der bei
Jena und Auerstädt siegreich gewesene Feind überschwemmte die Marken, und
statt der angemeldeten 21 Zöglinge stellten sich nur 3 ein. Im Frühjahr 1807
waren erst 8 eingetroffen. Diese Zahl wuchs zwar später, da aber bei der
vollständigen Zerrüttung der Geldverhältnisse in Preußen und den Nachbar¬
ländern viele Söhne sonst wohlhabender Eltern mit der Zahlung ihrer Pen-
sionen in Rückstand blieben und Manche, welche Aktien genommen hatten, ihre
Einzahlungen nicht zu leisten vermochten, so entstanden schwere Verlegenheiten
für Thaer, welcher, dem guten Sterne Preußens vertrauend, in freilich schon
bedrohter Zeit' dieses Institut ins Leben gerufen hatte. Im Freiheitskriege
standen dann alle Zöglinge im Felde, anch die drei Söhne Thaers, und so
kam es, daß die Einrichtung ohne Verlust weder aufgegeben noch fortgeführt
werden konnte. In Noth und Sorge fchrieb er damals seiner abwesenden Frau:

„Wollte Gott, daß ich das Institut nicht angelegt hätte; denn es ist die
Quelle aller Verlegenheiten und Sorgen geworden. Aber es ist für unser
Laud zu wichtig, und so muß es bleiben."

Ein Glück, daß es blieb. Mit dem Frieden kamen auch für Thaer bessere
Tage, und wie er während des letzten Jahrzehnts, das ihm noch zu leben und
zu wirken vergönnt war, seinen Ruhm wachsen und die verschiedenen Zweige
seiner Wissenschaft blühen sah, so nahm auch seine Schule, seit 1819 „König¬
liche akademische Lehranstalt des Landbaues" genannt, von Jahr zu Jahr an
Ausdehnung und Ansehen zu.

Die zahlreichen Schüler Thaers trugen seine Lehren überall hin und
wurden, nachdem sie selbständige Landwirthe geworden waren, Vorbilder, nach
denen sich die Nachbarn bei der Einführung der verbesserten Betriebsweise des
Ackerbaues und der Viehzucht richten konnten.

Als Professor und Mitglied des Staatsrathes, später als Geheimer Oberregie¬
rungsrath wurde Thaer auch vielfach bei der Berathung und Ausarbeitung der
Agrargesetzgebung in Anspruch genommen. Im Jahre 1824 feierte er nnter
großer Theilnahme von Nah und Fern sein Doctorjubiläum. Später weckte
in ihm der Ankauf neuen Grundbesitzes noch einmal den alten Feuereifer, aber
ein rheumatisches Leiden lähmte bald darauf seine Kräfte und führte endlich
seinen Tod herbei. Er starb zu Möglin am 26. Oktober 1828 und ruht dort
in der Nähe eines stilles Teiches, nach welchem die Fenster der jetzt geschlossenen
Lehranstalt freundlich hinüberblicken. In Berlin und Leipzig sind ihm Bild¬
säuleu errichtet, das schönste Denkmal aber hat er sich selbst geschaffen — in


Grenzboten I. 1877. 48
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[0385] schließen und dem Könige, der an der Sache lebhaften Antheil nahm, die Er¬ öffnung der Lehranstalt für den Oktober jenes Jahres in Aussicht stellen konnte. Aber die Mitte des Oktober brachte die Franzosen ins Land, der bei Jena und Auerstädt siegreich gewesene Feind überschwemmte die Marken, und statt der angemeldeten 21 Zöglinge stellten sich nur 3 ein. Im Frühjahr 1807 waren erst 8 eingetroffen. Diese Zahl wuchs zwar später, da aber bei der vollständigen Zerrüttung der Geldverhältnisse in Preußen und den Nachbar¬ ländern viele Söhne sonst wohlhabender Eltern mit der Zahlung ihrer Pen- sionen in Rückstand blieben und Manche, welche Aktien genommen hatten, ihre Einzahlungen nicht zu leisten vermochten, so entstanden schwere Verlegenheiten für Thaer, welcher, dem guten Sterne Preußens vertrauend, in freilich schon bedrohter Zeit' dieses Institut ins Leben gerufen hatte. Im Freiheitskriege standen dann alle Zöglinge im Felde, anch die drei Söhne Thaers, und so kam es, daß die Einrichtung ohne Verlust weder aufgegeben noch fortgeführt werden konnte. In Noth und Sorge fchrieb er damals seiner abwesenden Frau: „Wollte Gott, daß ich das Institut nicht angelegt hätte; denn es ist die Quelle aller Verlegenheiten und Sorgen geworden. Aber es ist für unser Laud zu wichtig, und so muß es bleiben." Ein Glück, daß es blieb. Mit dem Frieden kamen auch für Thaer bessere Tage, und wie er während des letzten Jahrzehnts, das ihm noch zu leben und zu wirken vergönnt war, seinen Ruhm wachsen und die verschiedenen Zweige seiner Wissenschaft blühen sah, so nahm auch seine Schule, seit 1819 „König¬ liche akademische Lehranstalt des Landbaues" genannt, von Jahr zu Jahr an Ausdehnung und Ansehen zu. Die zahlreichen Schüler Thaers trugen seine Lehren überall hin und wurden, nachdem sie selbständige Landwirthe geworden waren, Vorbilder, nach denen sich die Nachbarn bei der Einführung der verbesserten Betriebsweise des Ackerbaues und der Viehzucht richten konnten. Als Professor und Mitglied des Staatsrathes, später als Geheimer Oberregie¬ rungsrath wurde Thaer auch vielfach bei der Berathung und Ausarbeitung der Agrargesetzgebung in Anspruch genommen. Im Jahre 1824 feierte er nnter großer Theilnahme von Nah und Fern sein Doctorjubiläum. Später weckte in ihm der Ankauf neuen Grundbesitzes noch einmal den alten Feuereifer, aber ein rheumatisches Leiden lähmte bald darauf seine Kräfte und führte endlich seinen Tod herbei. Er starb zu Möglin am 26. Oktober 1828 und ruht dort in der Nähe eines stilles Teiches, nach welchem die Fenster der jetzt geschlossenen Lehranstalt freundlich hinüberblicken. In Berlin und Leipzig sind ihm Bild¬ säuleu errichtet, das schönste Denkmal aber hat er sich selbst geschaffen — in Grenzboten I. 1877. 48

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/385>, abgerufen am 23.07.2024.