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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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"Alsbald kehrt sich Widar gegen den Wolf und setzt ihm den Fuß in den
Unterkiefer. An diesem Fuße hat er den Schuh, zu dem man alle Zeiten hin¬
durch sammelt, die Lederstreifen nämlich, welche die Menschen von ihren Schuhen
schneiden, wo die Zehen und Fersen sitzen. Darum soll jeder, der darauf be¬
dacht ist, den Asen zu Hülfe zu kommen, diese Streifen wegwerfen. Mit der
Hand greift Widar dem Wolf nach dem Oberkiefer und reißt ihm den Rachen
entzwei, und das wird des Wolfes Tod."

Bei Saxo Grammaticus heißt Wuotan "via-lor inäefss-mK". Die latei¬
nische Legende vom ewigen Juden nennt, wie Rochholz hervorhebt, des Ahns-
verns verschiedene Namen und fügt hinzu: "^los ipsum g.ppella.t Luttsälmm,
g-iins alitkr", womit gewiß nicht an den allerdings gleichfalls viel wandernden
indischen Buddha, sondern an Wuotan gedacht ist. Daß der ewige Jude nur
unter einer Egge oder auf einem Pfluge rasten kann, wird in verschiedenen
Gegenden auch vom wilden Jäger, der im Hildesheimischen der Ewigjäger
heißt, behauptet, und dieser ist nichts anderes als der Himmel- und Todtengott
Wuotan. Der Ewigjäger muß alle sieben Jahre die Welt unreifen, und Dns¬
selbe oder Aehnliches ist dem westphälischen Hakelbernd oder Hackelberg auf¬
erlegt, der bei feiner wilden Jagd so gewaltig mit den Schuhen klappert, daß
man ihn Stunden weit Hort. Der ewige Jude erscheint an einigen Orten um
Neujahr, er kann an andern nur am Weihnachtsabend rasten, eine deutliche
Erneuerung an die Umzüge Wuotans mit andern Göttern, welche in der Zeit
des Incl, des großen Festes der winterlichen Sonnenwende, der jetzigen Zwölften,
stattfanden und in mancherlei abergläubischen Meinungen, Bräuchen, Geboten
und Verboten als bald schauerliche, bald possenhafte Nachklänge des Heidenthums
der deutschen Urzeit bis auf die Gegenwart fortlebten.

Wir meinen, daß dies genügen wird, die oben aufgestellte Ansicht in Be¬
treff der Entstehung unsrer Sage als bewiesen hinzustellen. Der ewige Jude
hat nur wenig christliches und gar kein jüdisches Blut in seinen Adern. Er
ist ein alter deutscher Heidengott, der mit den Kreuzfahrern nach Syrien aus¬
zog und von dort, wie unseres Wissens hier zum ersten Male dargethan wurde,
halb arabisirt und mit einem jüdischen Anstrich wieder heimkehrte.




Im Mographie der Ueuberin.
Robert Walomüller-Duboc. Bon

Als im vorigen Winter der plötzlich unter Regengüssen begonnene Eisgang
der Elbe die Ufer derselben weithin verheerend überfluthete und nnter lautem


„Alsbald kehrt sich Widar gegen den Wolf und setzt ihm den Fuß in den
Unterkiefer. An diesem Fuße hat er den Schuh, zu dem man alle Zeiten hin¬
durch sammelt, die Lederstreifen nämlich, welche die Menschen von ihren Schuhen
schneiden, wo die Zehen und Fersen sitzen. Darum soll jeder, der darauf be¬
dacht ist, den Asen zu Hülfe zu kommen, diese Streifen wegwerfen. Mit der
Hand greift Widar dem Wolf nach dem Oberkiefer und reißt ihm den Rachen
entzwei, und das wird des Wolfes Tod."

Bei Saxo Grammaticus heißt Wuotan „via-lor inäefss-mK". Die latei¬
nische Legende vom ewigen Juden nennt, wie Rochholz hervorhebt, des Ahns-
verns verschiedene Namen und fügt hinzu: „^los ipsum g.ppella.t Luttsälmm,
g-iins alitkr", womit gewiß nicht an den allerdings gleichfalls viel wandernden
indischen Buddha, sondern an Wuotan gedacht ist. Daß der ewige Jude nur
unter einer Egge oder auf einem Pfluge rasten kann, wird in verschiedenen
Gegenden auch vom wilden Jäger, der im Hildesheimischen der Ewigjäger
heißt, behauptet, und dieser ist nichts anderes als der Himmel- und Todtengott
Wuotan. Der Ewigjäger muß alle sieben Jahre die Welt unreifen, und Dns¬
selbe oder Aehnliches ist dem westphälischen Hakelbernd oder Hackelberg auf¬
erlegt, der bei feiner wilden Jagd so gewaltig mit den Schuhen klappert, daß
man ihn Stunden weit Hort. Der ewige Jude erscheint an einigen Orten um
Neujahr, er kann an andern nur am Weihnachtsabend rasten, eine deutliche
Erneuerung an die Umzüge Wuotans mit andern Göttern, welche in der Zeit
des Incl, des großen Festes der winterlichen Sonnenwende, der jetzigen Zwölften,
stattfanden und in mancherlei abergläubischen Meinungen, Bräuchen, Geboten
und Verboten als bald schauerliche, bald possenhafte Nachklänge des Heidenthums
der deutschen Urzeit bis auf die Gegenwart fortlebten.

Wir meinen, daß dies genügen wird, die oben aufgestellte Ansicht in Be¬
treff der Entstehung unsrer Sage als bewiesen hinzustellen. Der ewige Jude
hat nur wenig christliches und gar kein jüdisches Blut in seinen Adern. Er
ist ein alter deutscher Heidengott, der mit den Kreuzfahrern nach Syrien aus¬
zog und von dort, wie unseres Wissens hier zum ersten Male dargethan wurde,
halb arabisirt und mit einem jüdischen Anstrich wieder heimkehrte.




Im Mographie der Ueuberin.
Robert Walomüller-Duboc. Bon

Als im vorigen Winter der plötzlich unter Regengüssen begonnene Eisgang
der Elbe die Ufer derselben weithin verheerend überfluthete und nnter lautem


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[0351] „Alsbald kehrt sich Widar gegen den Wolf und setzt ihm den Fuß in den Unterkiefer. An diesem Fuße hat er den Schuh, zu dem man alle Zeiten hin¬ durch sammelt, die Lederstreifen nämlich, welche die Menschen von ihren Schuhen schneiden, wo die Zehen und Fersen sitzen. Darum soll jeder, der darauf be¬ dacht ist, den Asen zu Hülfe zu kommen, diese Streifen wegwerfen. Mit der Hand greift Widar dem Wolf nach dem Oberkiefer und reißt ihm den Rachen entzwei, und das wird des Wolfes Tod." Bei Saxo Grammaticus heißt Wuotan „via-lor inäefss-mK". Die latei¬ nische Legende vom ewigen Juden nennt, wie Rochholz hervorhebt, des Ahns- verns verschiedene Namen und fügt hinzu: „^los ipsum g.ppella.t Luttsälmm, g-iins alitkr", womit gewiß nicht an den allerdings gleichfalls viel wandernden indischen Buddha, sondern an Wuotan gedacht ist. Daß der ewige Jude nur unter einer Egge oder auf einem Pfluge rasten kann, wird in verschiedenen Gegenden auch vom wilden Jäger, der im Hildesheimischen der Ewigjäger heißt, behauptet, und dieser ist nichts anderes als der Himmel- und Todtengott Wuotan. Der Ewigjäger muß alle sieben Jahre die Welt unreifen, und Dns¬ selbe oder Aehnliches ist dem westphälischen Hakelbernd oder Hackelberg auf¬ erlegt, der bei feiner wilden Jagd so gewaltig mit den Schuhen klappert, daß man ihn Stunden weit Hort. Der ewige Jude erscheint an einigen Orten um Neujahr, er kann an andern nur am Weihnachtsabend rasten, eine deutliche Erneuerung an die Umzüge Wuotans mit andern Göttern, welche in der Zeit des Incl, des großen Festes der winterlichen Sonnenwende, der jetzigen Zwölften, stattfanden und in mancherlei abergläubischen Meinungen, Bräuchen, Geboten und Verboten als bald schauerliche, bald possenhafte Nachklänge des Heidenthums der deutschen Urzeit bis auf die Gegenwart fortlebten. Wir meinen, daß dies genügen wird, die oben aufgestellte Ansicht in Be¬ treff der Entstehung unsrer Sage als bewiesen hinzustellen. Der ewige Jude hat nur wenig christliches und gar kein jüdisches Blut in seinen Adern. Er ist ein alter deutscher Heidengott, der mit den Kreuzfahrern nach Syrien aus¬ zog und von dort, wie unseres Wissens hier zum ersten Male dargethan wurde, halb arabisirt und mit einem jüdischen Anstrich wieder heimkehrte. Im Mographie der Ueuberin. Robert Walomüller-Duboc. Bon Als im vorigen Winter der plötzlich unter Regengüssen begonnene Eisgang der Elbe die Ufer derselben weithin verheerend überfluthete und nnter lautem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/351>, abgerufen am 24.07.2024.