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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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und der Senat das Recht, die Wahl des Vicepräsidenten vorzunehmen. In
beiden Häusern ist alsdann eine Zweidrittelmajorität der Gesammtzahl ihrer
Mitglieder zur Beschlußfähigkeit, und eine absolute Majorität derselben zu einer
Wahl erforderlich. Das Repräsentantenhaus seinerseits wählt den Präsidenten
nach Staaten, wobei jeder Staat nur zu einer Stimme berechtigt ist, so daß
sich also die Abgeordneten der einzelnen Univnsstnaten unter sich auf einen
Kandidaten einigen müssen, um die Stimme des Staates zur Geltung zu
bringen. Können sich die Repräsentanten mit einer Majorität auf keinen der
Kandidaten einigen, so fällt die Stimme des betreffenden Staates ganz aus.
Da nun die Union zur Zeit, wie bereits erwähnt, ans 38 Staaten besteht, so
sind bei der Wahl der Präsidenten im Repräsentantenhause 20 Stimmen
nach Staaten erforderlich, vorausgesetzt, daß durch die Gegenwart der zur Be-
schlußfassung nöthigen Zweidrittelmajorität der Repräsentanten eine Wahl über¬
haupt ermöglicht würde. Die demokratische Partei hat nnn zwar im jetzigen
(44.) Kongresse im Repräsentantenhause in mehr als 20 Staaten die Majorität;
dieselbe verfügt jedoch nicht über eine Zweidrittelmajorität sämmtlicher Mit¬
glieder des Hanfes, und könnte daher diese Partei ihren Präsidentschaftskan¬
didaten, den sie aus den Männern nehmen muß, die bei den Abstimmungen
der Elektoren die meisten Stimmen hatten, durch die Wahl in dem Repräsen¬
tantenhause nur dann durchbringen, wenn die repichlikanischeu Repräsentanten
in genügender Anzahl erscheinen, um die vom Gesetz geforderte Beschlußfähig¬
keit herzustellen. -- Die Wahl der Vicepräsidenten im Senate geschieht nach
Kopfzahl der Senatoren, deren Gesammtzahl sich jetzt auf 70 beläuft, da jeder
Staat 2 Senatoren stellt. Vou den 70 Senatoren müßten zur Beschlußfähig¬
keit 51 gegenwärtig sein, während zu einer gültigen Wahl des Vicepräsidenten,
welcher nur deu zwei Männern zu entnehmen ist, die bei der Abstimmung der
Elektoren die Majorität hatten, 39 Stimmen nöthig sein würden. Da nnn
aber die republikanische Partei zur Zeit im Senate nicht über 51 Mitglieder
verfügt, so könnten hier wiederum die Demokraten durch Wegbleiben die Wahl
des Vicepräsidenten verhindern.

Man sieht leicht, daß bei bösem Willen der Parteien die Präsidentenwahl
in den Vereinigten Staaten diesmal gewaltgen Schwierigkeiten unterliegen
kann, daß Wirren dabei entstehen können, deren Lösung nicht wohl abzusehen
ist. Wenn von einigen Seiten bereits ein neuer Bürgerkrieg als in Aussicht
stehend angenomen wird, so glauben wir, daß eine solche Anschauung der Dinge
zu pessimistisch ist, jedenfalls aber befindet sich die nordamerikanische Union
in einer Krisis, aus der sie nur durch die Weisheit und Mäßigung ihrer besten
Bürger und Staatsmänner ungefährdet hervorgehen kaun. Fast alle Nationen


und der Senat das Recht, die Wahl des Vicepräsidenten vorzunehmen. In
beiden Häusern ist alsdann eine Zweidrittelmajorität der Gesammtzahl ihrer
Mitglieder zur Beschlußfähigkeit, und eine absolute Majorität derselben zu einer
Wahl erforderlich. Das Repräsentantenhaus seinerseits wählt den Präsidenten
nach Staaten, wobei jeder Staat nur zu einer Stimme berechtigt ist, so daß
sich also die Abgeordneten der einzelnen Univnsstnaten unter sich auf einen
Kandidaten einigen müssen, um die Stimme des Staates zur Geltung zu
bringen. Können sich die Repräsentanten mit einer Majorität auf keinen der
Kandidaten einigen, so fällt die Stimme des betreffenden Staates ganz aus.
Da nun die Union zur Zeit, wie bereits erwähnt, ans 38 Staaten besteht, so
sind bei der Wahl der Präsidenten im Repräsentantenhause 20 Stimmen
nach Staaten erforderlich, vorausgesetzt, daß durch die Gegenwart der zur Be-
schlußfassung nöthigen Zweidrittelmajorität der Repräsentanten eine Wahl über¬
haupt ermöglicht würde. Die demokratische Partei hat nnn zwar im jetzigen
(44.) Kongresse im Repräsentantenhause in mehr als 20 Staaten die Majorität;
dieselbe verfügt jedoch nicht über eine Zweidrittelmajorität sämmtlicher Mit¬
glieder des Hanfes, und könnte daher diese Partei ihren Präsidentschaftskan¬
didaten, den sie aus den Männern nehmen muß, die bei den Abstimmungen
der Elektoren die meisten Stimmen hatten, durch die Wahl in dem Repräsen¬
tantenhause nur dann durchbringen, wenn die repichlikanischeu Repräsentanten
in genügender Anzahl erscheinen, um die vom Gesetz geforderte Beschlußfähig¬
keit herzustellen. — Die Wahl der Vicepräsidenten im Senate geschieht nach
Kopfzahl der Senatoren, deren Gesammtzahl sich jetzt auf 70 beläuft, da jeder
Staat 2 Senatoren stellt. Vou den 70 Senatoren müßten zur Beschlußfähig¬
keit 51 gegenwärtig sein, während zu einer gültigen Wahl des Vicepräsidenten,
welcher nur deu zwei Männern zu entnehmen ist, die bei der Abstimmung der
Elektoren die Majorität hatten, 39 Stimmen nöthig sein würden. Da nnn
aber die republikanische Partei zur Zeit im Senate nicht über 51 Mitglieder
verfügt, so könnten hier wiederum die Demokraten durch Wegbleiben die Wahl
des Vicepräsidenten verhindern.

Man sieht leicht, daß bei bösem Willen der Parteien die Präsidentenwahl
in den Vereinigten Staaten diesmal gewaltgen Schwierigkeiten unterliegen
kann, daß Wirren dabei entstehen können, deren Lösung nicht wohl abzusehen
ist. Wenn von einigen Seiten bereits ein neuer Bürgerkrieg als in Aussicht
stehend angenomen wird, so glauben wir, daß eine solche Anschauung der Dinge
zu pessimistisch ist, jedenfalls aber befindet sich die nordamerikanische Union
in einer Krisis, aus der sie nur durch die Weisheit und Mäßigung ihrer besten
Bürger und Staatsmänner ungefährdet hervorgehen kaun. Fast alle Nationen


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[0035] und der Senat das Recht, die Wahl des Vicepräsidenten vorzunehmen. In beiden Häusern ist alsdann eine Zweidrittelmajorität der Gesammtzahl ihrer Mitglieder zur Beschlußfähigkeit, und eine absolute Majorität derselben zu einer Wahl erforderlich. Das Repräsentantenhaus seinerseits wählt den Präsidenten nach Staaten, wobei jeder Staat nur zu einer Stimme berechtigt ist, so daß sich also die Abgeordneten der einzelnen Univnsstnaten unter sich auf einen Kandidaten einigen müssen, um die Stimme des Staates zur Geltung zu bringen. Können sich die Repräsentanten mit einer Majorität auf keinen der Kandidaten einigen, so fällt die Stimme des betreffenden Staates ganz aus. Da nun die Union zur Zeit, wie bereits erwähnt, ans 38 Staaten besteht, so sind bei der Wahl der Präsidenten im Repräsentantenhause 20 Stimmen nach Staaten erforderlich, vorausgesetzt, daß durch die Gegenwart der zur Be- schlußfassung nöthigen Zweidrittelmajorität der Repräsentanten eine Wahl über¬ haupt ermöglicht würde. Die demokratische Partei hat nnn zwar im jetzigen (44.) Kongresse im Repräsentantenhause in mehr als 20 Staaten die Majorität; dieselbe verfügt jedoch nicht über eine Zweidrittelmajorität sämmtlicher Mit¬ glieder des Hanfes, und könnte daher diese Partei ihren Präsidentschaftskan¬ didaten, den sie aus den Männern nehmen muß, die bei den Abstimmungen der Elektoren die meisten Stimmen hatten, durch die Wahl in dem Repräsen¬ tantenhause nur dann durchbringen, wenn die repichlikanischeu Repräsentanten in genügender Anzahl erscheinen, um die vom Gesetz geforderte Beschlußfähig¬ keit herzustellen. — Die Wahl der Vicepräsidenten im Senate geschieht nach Kopfzahl der Senatoren, deren Gesammtzahl sich jetzt auf 70 beläuft, da jeder Staat 2 Senatoren stellt. Vou den 70 Senatoren müßten zur Beschlußfähig¬ keit 51 gegenwärtig sein, während zu einer gültigen Wahl des Vicepräsidenten, welcher nur deu zwei Männern zu entnehmen ist, die bei der Abstimmung der Elektoren die Majorität hatten, 39 Stimmen nöthig sein würden. Da nnn aber die republikanische Partei zur Zeit im Senate nicht über 51 Mitglieder verfügt, so könnten hier wiederum die Demokraten durch Wegbleiben die Wahl des Vicepräsidenten verhindern. Man sieht leicht, daß bei bösem Willen der Parteien die Präsidentenwahl in den Vereinigten Staaten diesmal gewaltgen Schwierigkeiten unterliegen kann, daß Wirren dabei entstehen können, deren Lösung nicht wohl abzusehen ist. Wenn von einigen Seiten bereits ein neuer Bürgerkrieg als in Aussicht stehend angenomen wird, so glauben wir, daß eine solche Anschauung der Dinge zu pessimistisch ist, jedenfalls aber befindet sich die nordamerikanische Union in einer Krisis, aus der sie nur durch die Weisheit und Mäßigung ihrer besten Bürger und Staatsmänner ungefährdet hervorgehen kaun. Fast alle Nationen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/35>, abgerufen am 23.07.2024.