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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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so blieb ihm nichts anderes übrig, als der Kriegspartei nachzugeben. Die
Friedensverhandlungen mit Rußland kamen nicht zum Abschlüsse, und wieder
stehen )vir vor einem Acte des sich in Mittelasien abspielenden kriegerischen
Dramas.

Am 1. Mai 1868 rückt der General-Gouverneur von Kaufman in das
Thal des Sariawschau. Auf den Höhen vor der heiligen Stadt Ssamarkand
trifft er aus die Bucharen. Sie werden geschlagen und der Sieger zieht in
die Thore Ssamarkands ein, das sich ihm ohne jeden Widerstand ergiebt. Um
die gewonnene Position im Sariawschan-Thale zu sichern, nimmt man Kurgan
und das auf der directen Straße nach Buchara gelegene Kally-Kurgan. Auch
Tschilek fällt in die Hände der Russen.

Trotz dieser errungenen Siege konnte der Feldzug aber noch nicht als
beendet angesehen werden: es gingen Gerüchte über eine Concentrirung der
Schachrissiabzen bei Kara-Tjube und andererseits der Bucharen gegen Katty-
Kurgan. Auf die Meldung, daß der Emir schon im Vormarsche begriffen sei,
säumte der General-Gouverneur nicht, der bedrängten Garnison zu Hülfe zu
eilen, und am 2. Juli wird auch die letzte Armee des Emirs auf den scra-
bulakschen Höhen total geschlagen und nach allen Richtungen hin zerstreut.

Nach diesen Niederlagen sah der Emir Musafar nun endlich die Unmög¬
lichkeit ein, den Krieg fortzusetzen. Er war genöthigt Frieden zu schließen,
wonach Rußland auch das jüngst eroberte Territorium behielt, und er selbst
eine Contribution von 125,000 Tsu (500,000 Thlr.) zahlen mußte.

Auch Buchara lag nun ohnmächtig zu den Füßen Rußlands: die besten
Landstriche hatte es abtreten müssen. Kein Wunder, daß sich der Haß des so
gedemüthigten Volkes gegen den Emir selbst wandte. Ihm maß man die
Schuld von Allem bei. Sein eigener Sohn, Katy-Tjnrja, erhob sich und
nahm mit den Aufständischen Karsthi. Erst mit Hülfe der Russen gelang es
dem Emir den Aufstand zu unterdrücken, nachdem noch später -- 1870 -- die
schachrissiabschen Städte Schari und Kitab, wohin sich die Aufständischen ge¬
flüchtet hatten, genommen und wieder botmäßig gemacht waren. --

Das von den Russen neu eroberte Land an Sariawschan wurde dem
General-Gouvernement Turkestan einverleibt.

Kaum sind seit der Erbauung des ersten Forts am Ssyr-Darja 20 Jahre
vergangen und -- wie ein Keil schiebt sich das russische Turkestan zwischen
die Charade Kokan und Buchara bis über den Sariawschan hinaus. Ueber
16,000 HI Meilen sind in dieser kurzen Zeit dem Scepter des "weißen" Zaren
unterworfen. Sie sind von einer Grenzlinie eingeschlossen, welche im Osten
etwa bei den Quellen des Sariawschan beginnend nach Norden zum Ssyr-
Darja läuft, denselben östlich Chodjent schneidet, dem Rücken des Tschotkal,


so blieb ihm nichts anderes übrig, als der Kriegspartei nachzugeben. Die
Friedensverhandlungen mit Rußland kamen nicht zum Abschlüsse, und wieder
stehen )vir vor einem Acte des sich in Mittelasien abspielenden kriegerischen
Dramas.

Am 1. Mai 1868 rückt der General-Gouverneur von Kaufman in das
Thal des Sariawschau. Auf den Höhen vor der heiligen Stadt Ssamarkand
trifft er aus die Bucharen. Sie werden geschlagen und der Sieger zieht in
die Thore Ssamarkands ein, das sich ihm ohne jeden Widerstand ergiebt. Um
die gewonnene Position im Sariawschan-Thale zu sichern, nimmt man Kurgan
und das auf der directen Straße nach Buchara gelegene Kally-Kurgan. Auch
Tschilek fällt in die Hände der Russen.

Trotz dieser errungenen Siege konnte der Feldzug aber noch nicht als
beendet angesehen werden: es gingen Gerüchte über eine Concentrirung der
Schachrissiabzen bei Kara-Tjube und andererseits der Bucharen gegen Katty-
Kurgan. Auf die Meldung, daß der Emir schon im Vormarsche begriffen sei,
säumte der General-Gouverneur nicht, der bedrängten Garnison zu Hülfe zu
eilen, und am 2. Juli wird auch die letzte Armee des Emirs auf den scra-
bulakschen Höhen total geschlagen und nach allen Richtungen hin zerstreut.

Nach diesen Niederlagen sah der Emir Musafar nun endlich die Unmög¬
lichkeit ein, den Krieg fortzusetzen. Er war genöthigt Frieden zu schließen,
wonach Rußland auch das jüngst eroberte Territorium behielt, und er selbst
eine Contribution von 125,000 Tsu (500,000 Thlr.) zahlen mußte.

Auch Buchara lag nun ohnmächtig zu den Füßen Rußlands: die besten
Landstriche hatte es abtreten müssen. Kein Wunder, daß sich der Haß des so
gedemüthigten Volkes gegen den Emir selbst wandte. Ihm maß man die
Schuld von Allem bei. Sein eigener Sohn, Katy-Tjnrja, erhob sich und
nahm mit den Aufständischen Karsthi. Erst mit Hülfe der Russen gelang es
dem Emir den Aufstand zu unterdrücken, nachdem noch später — 1870 — die
schachrissiabschen Städte Schari und Kitab, wohin sich die Aufständischen ge¬
flüchtet hatten, genommen und wieder botmäßig gemacht waren. —

Das von den Russen neu eroberte Land an Sariawschan wurde dem
General-Gouvernement Turkestan einverleibt.

Kaum sind seit der Erbauung des ersten Forts am Ssyr-Darja 20 Jahre
vergangen und — wie ein Keil schiebt sich das russische Turkestan zwischen
die Charade Kokan und Buchara bis über den Sariawschan hinaus. Ueber
16,000 HI Meilen sind in dieser kurzen Zeit dem Scepter des „weißen" Zaren
unterworfen. Sie sind von einer Grenzlinie eingeschlossen, welche im Osten
etwa bei den Quellen des Sariawschan beginnend nach Norden zum Ssyr-
Darja läuft, denselben östlich Chodjent schneidet, dem Rücken des Tschotkal,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/27>, abgerufen am 03.07.2024.