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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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Keuissara Kassimow im Jahre .1846 durch sie selbst gelang es, sie zur Bot¬
mäßigkeit zurückzuführen. Um sie ferner im Zaume zu halten, legte der Ge¬
neral-Gouverneur von Orenbnrg, der General Obrutschew, in der Steppe an
dem Jrgis und Turgai die Posten Uralskoje und Oreulmrgskvje an; Eiubinssk
und Ak-bulak erhielten feste Garnisonen.

Da 1846 noch die Kirgisen der großen Horde die Oberherrschaft Ru߬
lands anerkannt hatte", entstand, um auch hier einen festen Stützpunkt zu
haben, Kopai südöstlich des Balchasch-Sees in der Sibirischen Steppe. Um
dieselbe Zeit wurde, nur den räuberischen Einfällen der Steppennomaden im
Westen einen Damm entgegen zu setzen, an der Mündung des Ssyr-darja das
Fort Raimsskoje erbaut.

Im Jahre 1847 wurden also die mittelasiatischen Gebiete Rußlands von
einer Linie begrenzt, welche von Osten nach Westen über den Ili-Fluß zum
Alatau-Rücken und längs des Tschu zum Ssyr-darja lief.

In diesem Zeitraume voll etwa 120 Jahren war die Grenze, von Knrgan
und Omssk aus, schon um Tausende von Werst südlich gerückt. --

Die Lage der Raimsskischen Befestigung erwies sich bald als ungünstig.
Man gab sie auf, und weiter östlich an der Stelle des heutigen Kasala ent¬
stand das Fort Ur. 1. Die russischen Colonnen gingen dann den Ssyr weiter
aufwärts, nahmen das den Kokanzen gehörige Kosch-kurgan und erbauten dort
das Fort Ur. 2.

Endlich -- 1853 -- begannen die Kokanzen den Russen mit den Waffen
in der Hand entgegenzutreten. Sie wurden voll dem gegen Chiwa so unglück¬
lichen General Perowski bei Akmetschet geschlagen. Das hier von den Russen
angelegte Fort erhielt, dem General zu Ehren, den Namen Perowskij.

Zwei Versuche Kokans, sich wieder in den Besitz von Akmetschet zu setzen,
mißlangen, so daß die Linie des Ssyr-darja bis zum Fort Perowskij -- etwa
3S0 Werst östlich des Ural-See's gelegen, -- schon 1854 gut befestigt war und
dauernd im Besitz der Russen blieb.

Bis zum Jahre 1860 trieb die russische Politik in Mittelasien keine
neuen Triebe. Die Verwickelung mit den Westmächten, der Krym-Krieg,
hatte nur zu sehr alle ihre Kräfte in Anspruch genommen. Das geflügelte
Wort: "!", Iwssis se i-kceuiUe" scheint indeß nnr für Europa der leitende
Gedanke seiner Politik, und das anch nur bis zum Jahre 1876, gewesen zu
sein. In Mittelasien sehen wir keine Ruhe, ein stetes Fortschreiten, eine stete
Erweiterung der russischen Machtsphäre ist hier als Prinzip adoptirt.

Die Situation der Russen war allerdings bei dem bloßen Besitze der
Ssyr-Linie bis zum Fort Perowskij eine äußerst gefährdete. Die Einfälle der
Kokanzen in russisches Gebiet mit Umgebung der Ssyr-Linie, oder auch von


Keuissara Kassimow im Jahre .1846 durch sie selbst gelang es, sie zur Bot¬
mäßigkeit zurückzuführen. Um sie ferner im Zaume zu halten, legte der Ge¬
neral-Gouverneur von Orenbnrg, der General Obrutschew, in der Steppe an
dem Jrgis und Turgai die Posten Uralskoje und Oreulmrgskvje an; Eiubinssk
und Ak-bulak erhielten feste Garnisonen.

Da 1846 noch die Kirgisen der großen Horde die Oberherrschaft Ru߬
lands anerkannt hatte», entstand, um auch hier einen festen Stützpunkt zu
haben, Kopai südöstlich des Balchasch-Sees in der Sibirischen Steppe. Um
dieselbe Zeit wurde, nur den räuberischen Einfällen der Steppennomaden im
Westen einen Damm entgegen zu setzen, an der Mündung des Ssyr-darja das
Fort Raimsskoje erbaut.

Im Jahre 1847 wurden also die mittelasiatischen Gebiete Rußlands von
einer Linie begrenzt, welche von Osten nach Westen über den Ili-Fluß zum
Alatau-Rücken und längs des Tschu zum Ssyr-darja lief.

In diesem Zeitraume voll etwa 120 Jahren war die Grenze, von Knrgan
und Omssk aus, schon um Tausende von Werst südlich gerückt. —

Die Lage der Raimsskischen Befestigung erwies sich bald als ungünstig.
Man gab sie auf, und weiter östlich an der Stelle des heutigen Kasala ent¬
stand das Fort Ur. 1. Die russischen Colonnen gingen dann den Ssyr weiter
aufwärts, nahmen das den Kokanzen gehörige Kosch-kurgan und erbauten dort
das Fort Ur. 2.

Endlich — 1853 — begannen die Kokanzen den Russen mit den Waffen
in der Hand entgegenzutreten. Sie wurden voll dem gegen Chiwa so unglück¬
lichen General Perowski bei Akmetschet geschlagen. Das hier von den Russen
angelegte Fort erhielt, dem General zu Ehren, den Namen Perowskij.

Zwei Versuche Kokans, sich wieder in den Besitz von Akmetschet zu setzen,
mißlangen, so daß die Linie des Ssyr-darja bis zum Fort Perowskij — etwa
3S0 Werst östlich des Ural-See's gelegen, — schon 1854 gut befestigt war und
dauernd im Besitz der Russen blieb.

Bis zum Jahre 1860 trieb die russische Politik in Mittelasien keine
neuen Triebe. Die Verwickelung mit den Westmächten, der Krym-Krieg,
hatte nur zu sehr alle ihre Kräfte in Anspruch genommen. Das geflügelte
Wort: „!», Iwssis se i-kceuiUe" scheint indeß nnr für Europa der leitende
Gedanke seiner Politik, und das anch nur bis zum Jahre 1876, gewesen zu
sein. In Mittelasien sehen wir keine Ruhe, ein stetes Fortschreiten, eine stete
Erweiterung der russischen Machtsphäre ist hier als Prinzip adoptirt.

Die Situation der Russen war allerdings bei dem bloßen Besitze der
Ssyr-Linie bis zum Fort Perowskij eine äußerst gefährdete. Die Einfälle der
Kokanzen in russisches Gebiet mit Umgebung der Ssyr-Linie, oder auch von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/22>, abgerufen am 03.07.2024.