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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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Jahre im Westen Europas hielten die Kräfte Rußlands zu sehr gebunden, um
sich selbst im fernen Osten frei bewegen zu können. Erst gegen das Jahr 1820
machte sich hier wieder Leben und Bewegung bemerkbar, um dann allerdings
bis auf die neueste Zeit, ja -- bis auf den heutigen Tag anzudauern.

Der erste Schritt in der mit diesem Jahre neu anbrechenden Epoche in
der Geschichte der russischen Eroberungen in Mittel-Asien geschah in der Ab¬
sicht, die bis dahin eigentlich nnr nominell dem russischen Doppelaar Unter¬
thanen Kirgisen zu wirklichen zu macheu. Der damalige General-Gouverneur
von Sibirien, Ssperansskij legte zu dem Ende in den nen projectirten Verwal¬
tungscentren der mittleren Kirgisen-Horde befestigte Posten an, die sich all¬
mählich zu einer sogenannten "Linie" -- nämlich zu einer Reihe befestigter
Pnnkte zum Schutze der Grenzen und zum Zwecke, die eigenen noch unbot¬
mäßigen Unterthanen im Zaume zu halten -- gestalteten. Ebenso entstand
die vordere ilezkische Linie unweit Orenburg im Lande der kleinen Horde. --
Diese Linien erfüllten aber ihren Zweck nicht: Die Kirgisen wurden nicht zum
Gehorsam gebracht, die Unruhen dauerten nach wie vor fort, zumal sie von
Chiwa geschürt wurden, das den Rädelsführern jeder Zeit eine gesicherte Zu¬
flucht bot. Um also das Uebel bei der Wurzel anzugreifen, mußte sich Ru߬
land gegen Chiwa wenden, mußte Chiwa zu Boden werfen.

Die in den Jahren 1819, 20, 22 und 23 von den Generalen Mura-
wiew, Meyendorf und Berg zu militärpolitischen Zwecken ausgeführten Reisen
in jenen Gegenden, hatten ergeben, daß die von dem General Berg einge¬
schlagene Route zwischen dem Caspischen- und Ural-Meere hindurch die für
militärsche Operationen relativ günstigste wäre, so viel Schwierigkeiten sie an
und für sich auch bieten mochte. Eine Cooperation von der 1834 an der Kaidak-
Bucht im Caspischen Meere zur Schonung der Fischer gegen die Raubzüge
der Steppennomaden angelegten Befestigung Rooo-Alexandrowssk sollte dies
Mal nicht stattfinden. Diese allerdings kürzere Linie wurde nur für die Zu¬
fuhr von Verpflegung in Aussicht genommen.

Unter der Oberleitung des Kriegsministers Grafen Kankrin wurden von dem
General-Gouverneur von Sibirien, General Perowskij, welcher die Expedition
leiten sollte, die sorgfältigsten Vorbereitungen getroffen. Letztere erstreckten sich
vor Allem auf die Sicherstellung der Verpflegung, für den Marsch durch die
Wasser- und futterarme trostlose Einöde der Steppe. So legte man an dem
Euba-Flusse etwa 400 Werst südlich Orenbnrg den Euba-Posten und 160
Werst weiter südlich nach dem Ast-Art-Plateau zu den Posten Akbulak an.
Hier wie dort wurden Magazine etablirt. Auch sollte" von Astrachan aus
Transportschiffe nach Rooo-Alexandrowssk segeln, um dorthin Vorräthe zu
schaffen, welche man für den südlichen Theil des Marsches heranziehen wollte.


Jahre im Westen Europas hielten die Kräfte Rußlands zu sehr gebunden, um
sich selbst im fernen Osten frei bewegen zu können. Erst gegen das Jahr 1820
machte sich hier wieder Leben und Bewegung bemerkbar, um dann allerdings
bis auf die neueste Zeit, ja — bis auf den heutigen Tag anzudauern.

Der erste Schritt in der mit diesem Jahre neu anbrechenden Epoche in
der Geschichte der russischen Eroberungen in Mittel-Asien geschah in der Ab¬
sicht, die bis dahin eigentlich nnr nominell dem russischen Doppelaar Unter¬
thanen Kirgisen zu wirklichen zu macheu. Der damalige General-Gouverneur
von Sibirien, Ssperansskij legte zu dem Ende in den nen projectirten Verwal¬
tungscentren der mittleren Kirgisen-Horde befestigte Posten an, die sich all¬
mählich zu einer sogenannten „Linie" — nämlich zu einer Reihe befestigter
Pnnkte zum Schutze der Grenzen und zum Zwecke, die eigenen noch unbot¬
mäßigen Unterthanen im Zaume zu halten — gestalteten. Ebenso entstand
die vordere ilezkische Linie unweit Orenburg im Lande der kleinen Horde. —
Diese Linien erfüllten aber ihren Zweck nicht: Die Kirgisen wurden nicht zum
Gehorsam gebracht, die Unruhen dauerten nach wie vor fort, zumal sie von
Chiwa geschürt wurden, das den Rädelsführern jeder Zeit eine gesicherte Zu¬
flucht bot. Um also das Uebel bei der Wurzel anzugreifen, mußte sich Ru߬
land gegen Chiwa wenden, mußte Chiwa zu Boden werfen.

Die in den Jahren 1819, 20, 22 und 23 von den Generalen Mura-
wiew, Meyendorf und Berg zu militärpolitischen Zwecken ausgeführten Reisen
in jenen Gegenden, hatten ergeben, daß die von dem General Berg einge¬
schlagene Route zwischen dem Caspischen- und Ural-Meere hindurch die für
militärsche Operationen relativ günstigste wäre, so viel Schwierigkeiten sie an
und für sich auch bieten mochte. Eine Cooperation von der 1834 an der Kaidak-
Bucht im Caspischen Meere zur Schonung der Fischer gegen die Raubzüge
der Steppennomaden angelegten Befestigung Rooo-Alexandrowssk sollte dies
Mal nicht stattfinden. Diese allerdings kürzere Linie wurde nur für die Zu¬
fuhr von Verpflegung in Aussicht genommen.

Unter der Oberleitung des Kriegsministers Grafen Kankrin wurden von dem
General-Gouverneur von Sibirien, General Perowskij, welcher die Expedition
leiten sollte, die sorgfältigsten Vorbereitungen getroffen. Letztere erstreckten sich
vor Allem auf die Sicherstellung der Verpflegung, für den Marsch durch die
Wasser- und futterarme trostlose Einöde der Steppe. So legte man an dem
Euba-Flusse etwa 400 Werst südlich Orenbnrg den Euba-Posten und 160
Werst weiter südlich nach dem Ast-Art-Plateau zu den Posten Akbulak an.
Hier wie dort wurden Magazine etablirt. Auch sollte» von Astrachan aus
Transportschiffe nach Rooo-Alexandrowssk segeln, um dorthin Vorräthe zu
schaffen, welche man für den südlichen Theil des Marsches heranziehen wollte.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/20>, abgerufen am 23.07.2024.