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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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jenige, was sie mir durch falsche Zeugen auf den Halß geladen, nicht gelehret
noch geschrieben habe, sondern ich habe alle meine Predigten, Lehren und
Schriften dahin gerichtet, daß ich die Leute möge von Sünden abwenden, und
GOtt in sein Reich führen. Diese Wahrheit, die ich gelehret, geprediget, ge¬
schrieben, und ausgebreitet habe, als welche mir GOttes Worte übereinstimmt,
will ich behalten, und mit meinem Tode versiegeln. -- Wie sie dieses höreten,
schlugen sie die Hände zusammen, und ritten davon. Darauf zündeten
die Henker das Feuer an, welches geschwind aufgieng, da viel Stroh zwischen
das Holz geleget war. Als Johann Huß den Rauch sahe, fang er ganz ver¬
nehmlich: Christe, du Sohn GOttes, erbarme dich mein. Als er aber zum
dritten mal sang: Christ dn Sohn GOttes, von einer Jungfrau gebohren, schlug
ihm die Lohe unter das Gesicht und benahm ihm die Sprache; er bewegte
aber betende den Mund bey nahe ein Vater Unser lang, darnach starb er. Als
nun das Holz verbrämte war, und der über halbverbrcmdte Leichnam noch
am Pfahle hieng, stiessen ihn die Henker mit Stangen übern Hauffer, zer¬
schlugen die Gebeine, damit sie desto eher verbrennen sollten, und legten noch
mehr Holz an. Besonders zerschmissen sie seinen Kopf, und das Herz, das sie
unter dein Eingeweide gefunden, steckten sie an eine spitzige Stangen und liessen
es braten. Da man Herzog Ludwiger anzeigte, daß die Henkersknechte Hussens
Mantel, Gürtel und einige Kleider hätten: befahl er das alles zu verbrennen,
weil es die Böhmen sonst für ein Heiligthum halten möchten, welches auch
wohl hätte geschehen können. Die Henker weigerten sich erstlich es zu thun,
da er ihnen aber eine gewisse Summe Geldes versprach, warfen sie alles
in's Feuer.

Nachdem nun alles verbrämte war, luden sie die Asche, nebst der Erde,
die sie etliche Schuhe tief ausgruben, auf Karren und warfen sie in den Rhein.
Der Ort, wo dieses geschahe, war zwischen den Gärten der Vorstadt an dem
Wege, wo man nach Gottleben gehen will. Einige, die an den Ort gewesen,
wollen versichern, daß ans der Stelle, wo Huß verbrämte worden, bis auf den
heutigen Tag kein Gras wachse. Ob es wahr sey, weiß ich nicht. Johannes
Posinus hat das Jahr, in welchen Huß den Märtyrertod erlitten, in folgendes
schönes Dystichon gebracht:


Vitam lou eolistallti oonstÄnti-i ne abstulit Husso,
KsIiHiiiis usti Rbsims ubiciuo ulxot.

Das heißt:

An allen Ufern blüht der segensvolle Rhein:
Warum? Man warff dereinst des Hussens Asche drein."




jenige, was sie mir durch falsche Zeugen auf den Halß geladen, nicht gelehret
noch geschrieben habe, sondern ich habe alle meine Predigten, Lehren und
Schriften dahin gerichtet, daß ich die Leute möge von Sünden abwenden, und
GOtt in sein Reich führen. Diese Wahrheit, die ich gelehret, geprediget, ge¬
schrieben, und ausgebreitet habe, als welche mir GOttes Worte übereinstimmt,
will ich behalten, und mit meinem Tode versiegeln. — Wie sie dieses höreten,
schlugen sie die Hände zusammen, und ritten davon. Darauf zündeten
die Henker das Feuer an, welches geschwind aufgieng, da viel Stroh zwischen
das Holz geleget war. Als Johann Huß den Rauch sahe, fang er ganz ver¬
nehmlich: Christe, du Sohn GOttes, erbarme dich mein. Als er aber zum
dritten mal sang: Christ dn Sohn GOttes, von einer Jungfrau gebohren, schlug
ihm die Lohe unter das Gesicht und benahm ihm die Sprache; er bewegte
aber betende den Mund bey nahe ein Vater Unser lang, darnach starb er. Als
nun das Holz verbrämte war, und der über halbverbrcmdte Leichnam noch
am Pfahle hieng, stiessen ihn die Henker mit Stangen übern Hauffer, zer¬
schlugen die Gebeine, damit sie desto eher verbrennen sollten, und legten noch
mehr Holz an. Besonders zerschmissen sie seinen Kopf, und das Herz, das sie
unter dein Eingeweide gefunden, steckten sie an eine spitzige Stangen und liessen
es braten. Da man Herzog Ludwiger anzeigte, daß die Henkersknechte Hussens
Mantel, Gürtel und einige Kleider hätten: befahl er das alles zu verbrennen,
weil es die Böhmen sonst für ein Heiligthum halten möchten, welches auch
wohl hätte geschehen können. Die Henker weigerten sich erstlich es zu thun,
da er ihnen aber eine gewisse Summe Geldes versprach, warfen sie alles
in's Feuer.

Nachdem nun alles verbrämte war, luden sie die Asche, nebst der Erde,
die sie etliche Schuhe tief ausgruben, auf Karren und warfen sie in den Rhein.
Der Ort, wo dieses geschahe, war zwischen den Gärten der Vorstadt an dem
Wege, wo man nach Gottleben gehen will. Einige, die an den Ort gewesen,
wollen versichern, daß ans der Stelle, wo Huß verbrämte worden, bis auf den
heutigen Tag kein Gras wachse. Ob es wahr sey, weiß ich nicht. Johannes
Posinus hat das Jahr, in welchen Huß den Märtyrertod erlitten, in folgendes
schönes Dystichon gebracht:


Vitam lou eolistallti oonstÄnti-i ne abstulit Husso,
KsIiHiiiis usti Rbsims ubiciuo ulxot.

Das heißt:

An allen Ufern blüht der segensvolle Rhein:
Warum? Man warff dereinst des Hussens Asche drein."




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[0195] jenige, was sie mir durch falsche Zeugen auf den Halß geladen, nicht gelehret noch geschrieben habe, sondern ich habe alle meine Predigten, Lehren und Schriften dahin gerichtet, daß ich die Leute möge von Sünden abwenden, und GOtt in sein Reich führen. Diese Wahrheit, die ich gelehret, geprediget, ge¬ schrieben, und ausgebreitet habe, als welche mir GOttes Worte übereinstimmt, will ich behalten, und mit meinem Tode versiegeln. — Wie sie dieses höreten, schlugen sie die Hände zusammen, und ritten davon. Darauf zündeten die Henker das Feuer an, welches geschwind aufgieng, da viel Stroh zwischen das Holz geleget war. Als Johann Huß den Rauch sahe, fang er ganz ver¬ nehmlich: Christe, du Sohn GOttes, erbarme dich mein. Als er aber zum dritten mal sang: Christ dn Sohn GOttes, von einer Jungfrau gebohren, schlug ihm die Lohe unter das Gesicht und benahm ihm die Sprache; er bewegte aber betende den Mund bey nahe ein Vater Unser lang, darnach starb er. Als nun das Holz verbrämte war, und der über halbverbrcmdte Leichnam noch am Pfahle hieng, stiessen ihn die Henker mit Stangen übern Hauffer, zer¬ schlugen die Gebeine, damit sie desto eher verbrennen sollten, und legten noch mehr Holz an. Besonders zerschmissen sie seinen Kopf, und das Herz, das sie unter dein Eingeweide gefunden, steckten sie an eine spitzige Stangen und liessen es braten. Da man Herzog Ludwiger anzeigte, daß die Henkersknechte Hussens Mantel, Gürtel und einige Kleider hätten: befahl er das alles zu verbrennen, weil es die Böhmen sonst für ein Heiligthum halten möchten, welches auch wohl hätte geschehen können. Die Henker weigerten sich erstlich es zu thun, da er ihnen aber eine gewisse Summe Geldes versprach, warfen sie alles in's Feuer. Nachdem nun alles verbrämte war, luden sie die Asche, nebst der Erde, die sie etliche Schuhe tief ausgruben, auf Karren und warfen sie in den Rhein. Der Ort, wo dieses geschahe, war zwischen den Gärten der Vorstadt an dem Wege, wo man nach Gottleben gehen will. Einige, die an den Ort gewesen, wollen versichern, daß ans der Stelle, wo Huß verbrämte worden, bis auf den heutigen Tag kein Gras wachse. Ob es wahr sey, weiß ich nicht. Johannes Posinus hat das Jahr, in welchen Huß den Märtyrertod erlitten, in folgendes schönes Dystichon gebracht: Vitam lou eolistallti oonstÄnti-i ne abstulit Husso, KsIiHiiiis usti Rbsims ubiciuo ulxot. Das heißt: An allen Ufern blüht der segensvolle Rhein: Warum? Man warff dereinst des Hussens Asche drein."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/195>, abgerufen am 23.07.2024.