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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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kamen, erschlossen. Freilich endete der erste um das Jahr 1570 gegen Chiwa
gerichtete Zug, wie auch der zweite unter Führung des Atcunans Netschai
und der dritte, vom Ataman schemal geleitete mit der Niederlage, ja völligen
Aufreibung der kühnen Abenteurer, ohne daß irgend ein Erfolg erzielt wäre.
Nunmehr war es aber die Regierung, welche die Initiative in den mittel'
asiatischen Angelegenheiten ergriff, und nie hat sie sie wieder aus der Hemd
gegeben.

Wie sich Alles, was Rußland erreicht hat, was es geworden ist, in seinen
Anfängen auf Peter den Großen zurückführen läßt, so ist auch er es gewesen,
welcher den ersten Schritt gethan hat, um seinem Reiche einen Einfluß in
Immer-Asien zu sichern. Er erkannte schon damals die hohe Wichtigkeit, welche
Mittelasien in handelspolitischer Beziehung für Rußland haben mußte, und
gab deshalb den dringenden Bitten des Chans von Chiwa, fein Reich zum
Schutz gegen Buchara als Vasallenstaat anzuerkennen, nach. Der bezügliche
Mas vom 30. Juni 1700 führte allerdings keine positive Aenderung in dem
bisherigen Verhältnisse Chiwas zu Rußland herbei. Ersteres zahlte den ver¬
sprochenen Tribut nicht und Rußland leistete seinerseits auch jenem keine Unter¬
stützung gegen seine Feinde.

Peter ließ indessen Chiwa nicht aus den Augen: Am 29. Mai 1714 be¬
fahl er eine Expedition dahin auszurüsten und betraute den Tscherkessenfürsten
Alexander Bekvwitsch mit deren Leitung. Nach Rekognoscirung der Halbinsel
Mcmgyschlak und des alten Oxus-Bettes im Jahre 1715 erstattete der Fürst
dem Kaiser Bericht und erhielt von diesem nunmehr die Instruction: zuerst
am alten Oxus-Bette ein Fort anzulegen, dann ersteres noch genauer zu re-
kognosciren und wenn möglich wieder Wasser hineinzuleiten; -- in Chiwa selbst mit
den: Chan in freundschaftliche Beziehungen zu treten, demselben die Erbfolge seiner
Dynastie zu garantiren und ihm nöthigen Falls Hülfstruppen zur Verfügung
zu stellen; -- dann solle er mit gleichem Auftrage eine Gesandtschaft nach
Buchara senden und schließlich einen Handelsweg nach Indien erforschen.

Im Jahre 1716 setzte sich die Expedition in Bewegung. Bei Tjup-Kai-aann
sowohl, wie am Balkan-Busen wurden Forts angelegt nud ^?ur?co 3300
Mann mit 6 Geschützen concentrirt. Im Juni 1717 Zuckten letztere nach dein
Euba-Flusse und von hier aus auf der alten Karawanen-Straße in südöstlicher
Richtung auf Chiwa. Am 18. Tage erreichten sie das Plateau des Ast-Art
und nach sechswöchentlichen Wüstenmarsche den ausgetrockneten Barsa-Kil-
maß-See, wo ein Fort angelegt und längere Zeit gerastet wurde. Der Plau,
gleichzeitig eine andere Abtheilung von Kraßnvwodssk aus nach Osten vorrücken
zu lassen, scheiterte an den dort ausgebrochenen Krankheiten und an dem
Mangel von Lastthieren, deren Gestellung die Nomaden verweigerten.


kamen, erschlossen. Freilich endete der erste um das Jahr 1570 gegen Chiwa
gerichtete Zug, wie auch der zweite unter Führung des Atcunans Netschai
und der dritte, vom Ataman schemal geleitete mit der Niederlage, ja völligen
Aufreibung der kühnen Abenteurer, ohne daß irgend ein Erfolg erzielt wäre.
Nunmehr war es aber die Regierung, welche die Initiative in den mittel'
asiatischen Angelegenheiten ergriff, und nie hat sie sie wieder aus der Hemd
gegeben.

Wie sich Alles, was Rußland erreicht hat, was es geworden ist, in seinen
Anfängen auf Peter den Großen zurückführen läßt, so ist auch er es gewesen,
welcher den ersten Schritt gethan hat, um seinem Reiche einen Einfluß in
Immer-Asien zu sichern. Er erkannte schon damals die hohe Wichtigkeit, welche
Mittelasien in handelspolitischer Beziehung für Rußland haben mußte, und
gab deshalb den dringenden Bitten des Chans von Chiwa, fein Reich zum
Schutz gegen Buchara als Vasallenstaat anzuerkennen, nach. Der bezügliche
Mas vom 30. Juni 1700 führte allerdings keine positive Aenderung in dem
bisherigen Verhältnisse Chiwas zu Rußland herbei. Ersteres zahlte den ver¬
sprochenen Tribut nicht und Rußland leistete seinerseits auch jenem keine Unter¬
stützung gegen seine Feinde.

Peter ließ indessen Chiwa nicht aus den Augen: Am 29. Mai 1714 be¬
fahl er eine Expedition dahin auszurüsten und betraute den Tscherkessenfürsten
Alexander Bekvwitsch mit deren Leitung. Nach Rekognoscirung der Halbinsel
Mcmgyschlak und des alten Oxus-Bettes im Jahre 1715 erstattete der Fürst
dem Kaiser Bericht und erhielt von diesem nunmehr die Instruction: zuerst
am alten Oxus-Bette ein Fort anzulegen, dann ersteres noch genauer zu re-
kognosciren und wenn möglich wieder Wasser hineinzuleiten; — in Chiwa selbst mit
den: Chan in freundschaftliche Beziehungen zu treten, demselben die Erbfolge seiner
Dynastie zu garantiren und ihm nöthigen Falls Hülfstruppen zur Verfügung
zu stellen; — dann solle er mit gleichem Auftrage eine Gesandtschaft nach
Buchara senden und schließlich einen Handelsweg nach Indien erforschen.

Im Jahre 1716 setzte sich die Expedition in Bewegung. Bei Tjup-Kai-aann
sowohl, wie am Balkan-Busen wurden Forts angelegt nud ^?ur?co 3300
Mann mit 6 Geschützen concentrirt. Im Juni 1717 Zuckten letztere nach dein
Euba-Flusse und von hier aus auf der alten Karawanen-Straße in südöstlicher
Richtung auf Chiwa. Am 18. Tage erreichten sie das Plateau des Ast-Art
und nach sechswöchentlichen Wüstenmarsche den ausgetrockneten Barsa-Kil-
maß-See, wo ein Fort angelegt und längere Zeit gerastet wurde. Der Plau,
gleichzeitig eine andere Abtheilung von Kraßnvwodssk aus nach Osten vorrücken
zu lassen, scheiterte an den dort ausgebrochenen Krankheiten und an dem
Mangel von Lastthieren, deren Gestellung die Nomaden verweigerten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/18>, abgerufen am 23.07.2024.