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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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Preußischen Wahlen hervorgingen, nicht einmal den Versuch gemacht haben,
eine Fraction zu bilden. Jeder derartige Versuch müßte schou ein den ersten
Abstimmungen der neuen Fraction scheitern. Einem so unbedeutenden Gegner
zuliebe brauchte die nationale Partei unseres Trachtens keineswegs das un¬
natürliche Wahlbündnis; mit der Fortschrittspartei in's Auge zu fassen und
einzugehen.

So hoffen wir denn zuversichtlich, daß aus den Rcichstagswcchlen des
Januar die große Partei, welche bei dem Zustandekommen der Jnstizgcsetze
abermals einen so glänzenden Beweis ihrer patriotischen Selbstverleugnung
und ihrer practischen politischen Tüchtigkeit gegeben hat, mindestens in derselben
Stärke hervorgehe, als sie bisher gewesen, noch klarer und fester als bis¬
her, da sie ihre Wahlsiege hoffentlich nicht dem faulen Bunde mit der Fort¬
schrittspartei danken wird. Wir wollen nicht prophezeihen, aber sehr bestimmte
Anzeichen deuten darauf hin, daß die Kraft der gefährlichsten Reichsfeinde, der
Ultramontanen und Socialdemokraten im Rückgang begriffen ist, und daß die
Anhänger dieser Partei daher kaum in der bisherigen Anzahl bei den nächsten
Neichtagswcihlen gewählt werden dürsten.

Wir haben im ultramontanen Lager die deutlichsten Symptome des Ver¬
falls vor Augen. Die geistlichen Anführer in der Rebellion gegen den Staat
haben die Heerde feige im Stiche gelassen, haben nur ihre werthe Person vor
dem wuchtigen Arme der strafenden Gerechtigkeit in Sicherheit gebracht. Eine
große Anzahl verführter Priester hat sich den Staatsgesetzen unterworfen. Zu
einem dauernden compacten Wiederstande ist Niemand unfähiger, als die große
Masse, am wenigsten dann, wenn die Flamme des Fanatismus nur durch so
künstliche Spitzfindigkeiten zu erhalten ist, wie sie der Ultramontanismus im
Kampfe gegen den Staat aufbieten muß, um den Widerstand fortzusetzen.

Was die Socialdemokratie anlangt, so türmen ihre Organe und Reise¬
prediger natürlich anch vor diesen Wahlen so sicgesprahlend wie immer. Die
Verschmelzung der Eisencicher mit den Lasallecmern scheint sie zu kräftigen.
Aber wiederholt ist schon in diesen Blättern ausgesprochen worden, daß
das nur Schein ist. Sie haben sich vereinigt, weil sie sich deu Luxus ver¬
schiedener Meinungen uicht mehr gönnen durften, ohne allmählig selbst bei den
Getreuen alleu Glauben einzubüßen und vor Allein deßhalb, weil die Partei
mit ihren äußersten Anstrengungen und trotz der Androhung so schimpflicher
Behandlung der Renitenten, wie sie keine andere Partei ihren Anhängern zu
bieten wagen würde, nicht mehr die Mittel aufzubringen vermochte, um zwei
Parteiorgaue und zwei Parteihauptquartiere zu erhalten. Das ist der
wahre und der einzige Grund der Vereinigung, die im Uebrigen nur
den völligen Sieg der vaterlandslosen Internationale über die von Haus


Preußischen Wahlen hervorgingen, nicht einmal den Versuch gemacht haben,
eine Fraction zu bilden. Jeder derartige Versuch müßte schou ein den ersten
Abstimmungen der neuen Fraction scheitern. Einem so unbedeutenden Gegner
zuliebe brauchte die nationale Partei unseres Trachtens keineswegs das un¬
natürliche Wahlbündnis; mit der Fortschrittspartei in's Auge zu fassen und
einzugehen.

So hoffen wir denn zuversichtlich, daß aus den Rcichstagswcchlen des
Januar die große Partei, welche bei dem Zustandekommen der Jnstizgcsetze
abermals einen so glänzenden Beweis ihrer patriotischen Selbstverleugnung
und ihrer practischen politischen Tüchtigkeit gegeben hat, mindestens in derselben
Stärke hervorgehe, als sie bisher gewesen, noch klarer und fester als bis¬
her, da sie ihre Wahlsiege hoffentlich nicht dem faulen Bunde mit der Fort¬
schrittspartei danken wird. Wir wollen nicht prophezeihen, aber sehr bestimmte
Anzeichen deuten darauf hin, daß die Kraft der gefährlichsten Reichsfeinde, der
Ultramontanen und Socialdemokraten im Rückgang begriffen ist, und daß die
Anhänger dieser Partei daher kaum in der bisherigen Anzahl bei den nächsten
Neichtagswcihlen gewählt werden dürsten.

Wir haben im ultramontanen Lager die deutlichsten Symptome des Ver¬
falls vor Augen. Die geistlichen Anführer in der Rebellion gegen den Staat
haben die Heerde feige im Stiche gelassen, haben nur ihre werthe Person vor
dem wuchtigen Arme der strafenden Gerechtigkeit in Sicherheit gebracht. Eine
große Anzahl verführter Priester hat sich den Staatsgesetzen unterworfen. Zu
einem dauernden compacten Wiederstande ist Niemand unfähiger, als die große
Masse, am wenigsten dann, wenn die Flamme des Fanatismus nur durch so
künstliche Spitzfindigkeiten zu erhalten ist, wie sie der Ultramontanismus im
Kampfe gegen den Staat aufbieten muß, um den Widerstand fortzusetzen.

Was die Socialdemokratie anlangt, so türmen ihre Organe und Reise¬
prediger natürlich anch vor diesen Wahlen so sicgesprahlend wie immer. Die
Verschmelzung der Eisencicher mit den Lasallecmern scheint sie zu kräftigen.
Aber wiederholt ist schon in diesen Blättern ausgesprochen worden, daß
das nur Schein ist. Sie haben sich vereinigt, weil sie sich deu Luxus ver¬
schiedener Meinungen uicht mehr gönnen durften, ohne allmählig selbst bei den
Getreuen alleu Glauben einzubüßen und vor Allein deßhalb, weil die Partei
mit ihren äußersten Anstrengungen und trotz der Androhung so schimpflicher
Behandlung der Renitenten, wie sie keine andere Partei ihren Anhängern zu
bieten wagen würde, nicht mehr die Mittel aufzubringen vermochte, um zwei
Parteiorgaue und zwei Parteihauptquartiere zu erhalten. Das ist der
wahre und der einzige Grund der Vereinigung, die im Uebrigen nur
den völligen Sieg der vaterlandslosen Internationale über die von Haus


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/13>, abgerufen am 03.07.2024.