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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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sich an ihm auf eine Bekanntmachung des Basileus hin, die zugleich alle Un¬
berechtigten, alle mit Blutschuld Befleckten und alle mit Ehrlosigkeit Belasteten
ausschloß, die Mysten in der StvaPoikile, einer großen, mit Gemälden geschmückten
Halle am Markte von Athen, zusammenfanden, vermuthlich um zunächst ein
Opfer zu bringen. Am folgenden Tage zogen, nachdem auch der Hierophant
alle Unreinen mit herkömmlichen Spruche von der Theilnahme am Feste weg¬
gewiesen, die Mysten auf den Ruf des Keryx: ,"^"<s-, M<5t"t/" --An's
Meer, ihr Geweihten! -- nach der nahen See, wo sie eine vorbereitende Waschung
vornahmen und Reinigungsopfer von Ferkeln brachten, die vorher ebenfalls
in der heiligenden Salzfluth gebadet worden waren. Die folgenden zwei
oder drei Tage brachte man noch in Athen zu, indem man sich nach den
Heiligthümern der Gottheiten begab, denen die Feier galt, und dort verschiedene
Andachtsübungen vollzog, von denen wir indeß nichts Bestimmteres wissen.

Am 20. Boedromion brachen die Geweihten in feierlicher Procession von
Athen nach Eleusis ans, um hier die Hauptaete des Festes zu begehen. Das
Bild des Jankndos wurde aus seinem Tempel in Athen geholt, um, vom Jak-
chagogos getragen, und begleitet von der Schaar der Mysten, auf der heiligen
Straße den beiden in Eleusis weilenden Göttinnen zugeführt zu werden. Dieses
Götterbild trug eine Fackel. Alle Geweihten waren festlich geschmückt, mit
Myrthenzweigen bekränzt und dnrch Fäden von safrangelber Farbe, die sie um
den rechten Arm und den linken Fuß gewunden hatten, von den Profanen
unterschieden. Letztere durften dem Zuge folgen, aber nicht in ihm mitgehen.
Tausende vou Mysten und Epopeen füllten an diesem Tage die heilige Straße,
und da der zurückzulegende Weg reichlich zwei Meilen betrug und man an
mehreren der an ihm liegenden Heiligthümer anhielt, um gottesdienstliche Aete
zu vollziehen, so werden die letzten Theilnehmer am Zuge nicht vor Einbruch
der Nacht vor ihrem Endziele angelangt sein. Dieses war das (beiläufig erst
nach den Perserkriegen erbaute und sehr stattliche) "Telesterion" oder Weihe¬
haus, wo die meisten der eigentlichen mystischen Handlungen stattfanden, ein
Tempel mit einen: Hofe, der ein unregelmäßiges Fünfeck von 387 Fuß Länge
und 328 Fuß Breite bildete und mit einer doppelten Mauer umgeben war.

Das Erste war nun wahrscheinlich, daß man das mitgebrachte Bild des
Jankndos in den Tempel zu den ihm verwandten eleusinischen Göttinnen brachte.
Die Festaete der folgenden Tage mit einiger Genauigkeit zu beschreiben, sind wir
außer Stande, da die alten Maurer, wenn wir die Mysten so nennen dürfen,
das Gelübde der Geheimhaltung ihres Wissens im Ganzen besser zu bewahren
wußten wie die modernen, über deren Ceremonien und Lehren die profane
Welt mehr als zur Genüge bildlich und schriftlich unterrichtet ist. Indeß
dürfen wir nach den Andeuinugen alter Schriftsteller annehmen, daß sie sehr


sich an ihm auf eine Bekanntmachung des Basileus hin, die zugleich alle Un¬
berechtigten, alle mit Blutschuld Befleckten und alle mit Ehrlosigkeit Belasteten
ausschloß, die Mysten in der StvaPoikile, einer großen, mit Gemälden geschmückten
Halle am Markte von Athen, zusammenfanden, vermuthlich um zunächst ein
Opfer zu bringen. Am folgenden Tage zogen, nachdem auch der Hierophant
alle Unreinen mit herkömmlichen Spruche von der Theilnahme am Feste weg¬
gewiesen, die Mysten auf den Ruf des Keryx: ,"^«<s-, M<5t«t/" —An's
Meer, ihr Geweihten! — nach der nahen See, wo sie eine vorbereitende Waschung
vornahmen und Reinigungsopfer von Ferkeln brachten, die vorher ebenfalls
in der heiligenden Salzfluth gebadet worden waren. Die folgenden zwei
oder drei Tage brachte man noch in Athen zu, indem man sich nach den
Heiligthümern der Gottheiten begab, denen die Feier galt, und dort verschiedene
Andachtsübungen vollzog, von denen wir indeß nichts Bestimmteres wissen.

Am 20. Boedromion brachen die Geweihten in feierlicher Procession von
Athen nach Eleusis ans, um hier die Hauptaete des Festes zu begehen. Das
Bild des Jankndos wurde aus seinem Tempel in Athen geholt, um, vom Jak-
chagogos getragen, und begleitet von der Schaar der Mysten, auf der heiligen
Straße den beiden in Eleusis weilenden Göttinnen zugeführt zu werden. Dieses
Götterbild trug eine Fackel. Alle Geweihten waren festlich geschmückt, mit
Myrthenzweigen bekränzt und dnrch Fäden von safrangelber Farbe, die sie um
den rechten Arm und den linken Fuß gewunden hatten, von den Profanen
unterschieden. Letztere durften dem Zuge folgen, aber nicht in ihm mitgehen.
Tausende vou Mysten und Epopeen füllten an diesem Tage die heilige Straße,
und da der zurückzulegende Weg reichlich zwei Meilen betrug und man an
mehreren der an ihm liegenden Heiligthümer anhielt, um gottesdienstliche Aete
zu vollziehen, so werden die letzten Theilnehmer am Zuge nicht vor Einbruch
der Nacht vor ihrem Endziele angelangt sein. Dieses war das (beiläufig erst
nach den Perserkriegen erbaute und sehr stattliche) „Telesterion" oder Weihe¬
haus, wo die meisten der eigentlichen mystischen Handlungen stattfanden, ein
Tempel mit einen: Hofe, der ein unregelmäßiges Fünfeck von 387 Fuß Länge
und 328 Fuß Breite bildete und mit einer doppelten Mauer umgeben war.

Das Erste war nun wahrscheinlich, daß man das mitgebrachte Bild des
Jankndos in den Tempel zu den ihm verwandten eleusinischen Göttinnen brachte.
Die Festaete der folgenden Tage mit einiger Genauigkeit zu beschreiben, sind wir
außer Stande, da die alten Maurer, wenn wir die Mysten so nennen dürfen,
das Gelübde der Geheimhaltung ihres Wissens im Ganzen besser zu bewahren
wußten wie die modernen, über deren Ceremonien und Lehren die profane
Welt mehr als zur Genüge bildlich und schriftlich unterrichtet ist. Indeß
dürfen wir nach den Andeuinugen alter Schriftsteller annehmen, daß sie sehr


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[0120] sich an ihm auf eine Bekanntmachung des Basileus hin, die zugleich alle Un¬ berechtigten, alle mit Blutschuld Befleckten und alle mit Ehrlosigkeit Belasteten ausschloß, die Mysten in der StvaPoikile, einer großen, mit Gemälden geschmückten Halle am Markte von Athen, zusammenfanden, vermuthlich um zunächst ein Opfer zu bringen. Am folgenden Tage zogen, nachdem auch der Hierophant alle Unreinen mit herkömmlichen Spruche von der Theilnahme am Feste weg¬ gewiesen, die Mysten auf den Ruf des Keryx: ,"^«<s-, M<5t«t/" —An's Meer, ihr Geweihten! — nach der nahen See, wo sie eine vorbereitende Waschung vornahmen und Reinigungsopfer von Ferkeln brachten, die vorher ebenfalls in der heiligenden Salzfluth gebadet worden waren. Die folgenden zwei oder drei Tage brachte man noch in Athen zu, indem man sich nach den Heiligthümern der Gottheiten begab, denen die Feier galt, und dort verschiedene Andachtsübungen vollzog, von denen wir indeß nichts Bestimmteres wissen. Am 20. Boedromion brachen die Geweihten in feierlicher Procession von Athen nach Eleusis ans, um hier die Hauptaete des Festes zu begehen. Das Bild des Jankndos wurde aus seinem Tempel in Athen geholt, um, vom Jak- chagogos getragen, und begleitet von der Schaar der Mysten, auf der heiligen Straße den beiden in Eleusis weilenden Göttinnen zugeführt zu werden. Dieses Götterbild trug eine Fackel. Alle Geweihten waren festlich geschmückt, mit Myrthenzweigen bekränzt und dnrch Fäden von safrangelber Farbe, die sie um den rechten Arm und den linken Fuß gewunden hatten, von den Profanen unterschieden. Letztere durften dem Zuge folgen, aber nicht in ihm mitgehen. Tausende vou Mysten und Epopeen füllten an diesem Tage die heilige Straße, und da der zurückzulegende Weg reichlich zwei Meilen betrug und man an mehreren der an ihm liegenden Heiligthümer anhielt, um gottesdienstliche Aete zu vollziehen, so werden die letzten Theilnehmer am Zuge nicht vor Einbruch der Nacht vor ihrem Endziele angelangt sein. Dieses war das (beiläufig erst nach den Perserkriegen erbaute und sehr stattliche) „Telesterion" oder Weihe¬ haus, wo die meisten der eigentlichen mystischen Handlungen stattfanden, ein Tempel mit einen: Hofe, der ein unregelmäßiges Fünfeck von 387 Fuß Länge und 328 Fuß Breite bildete und mit einer doppelten Mauer umgeben war. Das Erste war nun wahrscheinlich, daß man das mitgebrachte Bild des Jankndos in den Tempel zu den ihm verwandten eleusinischen Göttinnen brachte. Die Festaete der folgenden Tage mit einiger Genauigkeit zu beschreiben, sind wir außer Stande, da die alten Maurer, wenn wir die Mysten so nennen dürfen, das Gelübde der Geheimhaltung ihres Wissens im Ganzen besser zu bewahren wußten wie die modernen, über deren Ceremonien und Lehren die profane Welt mehr als zur Genüge bildlich und schriftlich unterrichtet ist. Indeß dürfen wir nach den Andeuinugen alter Schriftsteller annehmen, daß sie sehr

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/120>, abgerufen am 26.08.2024.