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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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mannigfaltiger Art waren, daß sie theils mit fröhlichen Gesängen und ver¬
zückten Tänzen, theils mit feierlichem Ernst und andächtiger Sammlung be¬
gangen wurden, und daß sie theils innerhalb der Mauern des Tempelhofes,
theils im Telesterion, also unter Dach, vielleicht selbst unter der Erde, theils
aber auch draußen vor dem Heiligthume stattfanden, wo dann die Höhen von
den Gesängen wiederhallten und die Wellen der eleusinischen Bucht von den
Fackeln erglänzten. Was wir im Folgenden sonst noch über diese Vorgänge
sagen werden, wolle man im Stillen mit einem "es scheint so" oder "wie
man vermuthen darf" begleiten.

Zunächst wurden abermals Waschungen und Opfer vorgenommen. Dann
hörte man den herkömmlichen Reden und Sprüchen der Priester zu, durch
welche die Mysten des ersten Grades in den zweiten aufgenommen, aus Ge¬
weihten in schauende verwandelt wurden. Sie hatten dafür der Demeter
ein Schwein darzubringen, und der Priester vollzog jene ihre höhere Weihe
dadurch, daß er ihnen eine Purpurbinde reichte.

Die weiteren Gebräuche des Festes bestanden zunächst in einer Vorführung
der Schicksale, welche Demeter erfahren, als ihre Toaste Kore ihr im Herbste
vom Gotte der Unterwelt entführt worden war. Die Festgenossen trauerten
laut wehklagend mit der Göttin und suchten mit ihr das verlorene Kind.
Fackeln in den Händen, schweiften sie über die Berge und durch die Thäler bei
Eleusis. Sie sahen am Wege von hier nach Megara den "Stein der Trauer",
wo Demeter "ohne zu lächeln" gesessen hatte, und daneben den "Blumen¬
brunnen", von andern der "Schönreigenbrunnen" genannt, wo die Töchter des
Keleos die betrübte Mutter gefunden hatten, als sie um Wasser zu schöpfen
erschienen waren. Sie enthielten sich der Speise und des Trankes, wie De¬
meter in ihrem Kummer gethan. Sie erblickten in der Nähe der Stadt, nicht
weit vom Flusse Kephissos, die Kluft, aus welcher Pluton hervorgebrochen
war, um die junge Gattin in die Nacht hinabzureißen. Zuletzt wurde auch
der Vorgang dargestellt, wo Demeter, nachdem Jambe, die Magd des Keleos,
sie durch ihre Possen aufgeheitert, den ihr von der Königin Metanira darge¬
botenen Kykeon getrunken und so zum ersten Male seit ihrem Verluste wieder
etwas genossen hatte. Mit Andacht trank man zuerst jenen Kykeon, ein Ge¬
misch aus Mehl und Wasser, der mit Pökel und andern Zuthaten gewürzt
war, dann konnte man andere Speisen und Getränke zu sich nehmen, doch
waren gewisse Nahrungsmittel und Genüsse für die heilige Zeit verboten.

Ans diesen Schmaus folgte der verborgene Theil der Feier im Innern
des Tempels. Der Fackelträger erhellte die dunklen Räume desselben, der
Hierophant zeigte und erklärte die hier verwahrten heiligen Dinge, der Herold
wies die Mysten an, wie sie sich ferner zu verhalten hätten. Ans die Frage


Grenzboten I. 1877. 15

mannigfaltiger Art waren, daß sie theils mit fröhlichen Gesängen und ver¬
zückten Tänzen, theils mit feierlichem Ernst und andächtiger Sammlung be¬
gangen wurden, und daß sie theils innerhalb der Mauern des Tempelhofes,
theils im Telesterion, also unter Dach, vielleicht selbst unter der Erde, theils
aber auch draußen vor dem Heiligthume stattfanden, wo dann die Höhen von
den Gesängen wiederhallten und die Wellen der eleusinischen Bucht von den
Fackeln erglänzten. Was wir im Folgenden sonst noch über diese Vorgänge
sagen werden, wolle man im Stillen mit einem „es scheint so" oder „wie
man vermuthen darf" begleiten.

Zunächst wurden abermals Waschungen und Opfer vorgenommen. Dann
hörte man den herkömmlichen Reden und Sprüchen der Priester zu, durch
welche die Mysten des ersten Grades in den zweiten aufgenommen, aus Ge¬
weihten in schauende verwandelt wurden. Sie hatten dafür der Demeter
ein Schwein darzubringen, und der Priester vollzog jene ihre höhere Weihe
dadurch, daß er ihnen eine Purpurbinde reichte.

Die weiteren Gebräuche des Festes bestanden zunächst in einer Vorführung
der Schicksale, welche Demeter erfahren, als ihre Toaste Kore ihr im Herbste
vom Gotte der Unterwelt entführt worden war. Die Festgenossen trauerten
laut wehklagend mit der Göttin und suchten mit ihr das verlorene Kind.
Fackeln in den Händen, schweiften sie über die Berge und durch die Thäler bei
Eleusis. Sie sahen am Wege von hier nach Megara den „Stein der Trauer",
wo Demeter „ohne zu lächeln" gesessen hatte, und daneben den „Blumen¬
brunnen", von andern der „Schönreigenbrunnen" genannt, wo die Töchter des
Keleos die betrübte Mutter gefunden hatten, als sie um Wasser zu schöpfen
erschienen waren. Sie enthielten sich der Speise und des Trankes, wie De¬
meter in ihrem Kummer gethan. Sie erblickten in der Nähe der Stadt, nicht
weit vom Flusse Kephissos, die Kluft, aus welcher Pluton hervorgebrochen
war, um die junge Gattin in die Nacht hinabzureißen. Zuletzt wurde auch
der Vorgang dargestellt, wo Demeter, nachdem Jambe, die Magd des Keleos,
sie durch ihre Possen aufgeheitert, den ihr von der Königin Metanira darge¬
botenen Kykeon getrunken und so zum ersten Male seit ihrem Verluste wieder
etwas genossen hatte. Mit Andacht trank man zuerst jenen Kykeon, ein Ge¬
misch aus Mehl und Wasser, der mit Pökel und andern Zuthaten gewürzt
war, dann konnte man andere Speisen und Getränke zu sich nehmen, doch
waren gewisse Nahrungsmittel und Genüsse für die heilige Zeit verboten.

Ans diesen Schmaus folgte der verborgene Theil der Feier im Innern
des Tempels. Der Fackelträger erhellte die dunklen Räume desselben, der
Hierophant zeigte und erklärte die hier verwahrten heiligen Dinge, der Herold
wies die Mysten an, wie sie sich ferner zu verhalten hätten. Ans die Frage


Grenzboten I. 1877. 15
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[0121] mannigfaltiger Art waren, daß sie theils mit fröhlichen Gesängen und ver¬ zückten Tänzen, theils mit feierlichem Ernst und andächtiger Sammlung be¬ gangen wurden, und daß sie theils innerhalb der Mauern des Tempelhofes, theils im Telesterion, also unter Dach, vielleicht selbst unter der Erde, theils aber auch draußen vor dem Heiligthume stattfanden, wo dann die Höhen von den Gesängen wiederhallten und die Wellen der eleusinischen Bucht von den Fackeln erglänzten. Was wir im Folgenden sonst noch über diese Vorgänge sagen werden, wolle man im Stillen mit einem „es scheint so" oder „wie man vermuthen darf" begleiten. Zunächst wurden abermals Waschungen und Opfer vorgenommen. Dann hörte man den herkömmlichen Reden und Sprüchen der Priester zu, durch welche die Mysten des ersten Grades in den zweiten aufgenommen, aus Ge¬ weihten in schauende verwandelt wurden. Sie hatten dafür der Demeter ein Schwein darzubringen, und der Priester vollzog jene ihre höhere Weihe dadurch, daß er ihnen eine Purpurbinde reichte. Die weiteren Gebräuche des Festes bestanden zunächst in einer Vorführung der Schicksale, welche Demeter erfahren, als ihre Toaste Kore ihr im Herbste vom Gotte der Unterwelt entführt worden war. Die Festgenossen trauerten laut wehklagend mit der Göttin und suchten mit ihr das verlorene Kind. Fackeln in den Händen, schweiften sie über die Berge und durch die Thäler bei Eleusis. Sie sahen am Wege von hier nach Megara den „Stein der Trauer", wo Demeter „ohne zu lächeln" gesessen hatte, und daneben den „Blumen¬ brunnen", von andern der „Schönreigenbrunnen" genannt, wo die Töchter des Keleos die betrübte Mutter gefunden hatten, als sie um Wasser zu schöpfen erschienen waren. Sie enthielten sich der Speise und des Trankes, wie De¬ meter in ihrem Kummer gethan. Sie erblickten in der Nähe der Stadt, nicht weit vom Flusse Kephissos, die Kluft, aus welcher Pluton hervorgebrochen war, um die junge Gattin in die Nacht hinabzureißen. Zuletzt wurde auch der Vorgang dargestellt, wo Demeter, nachdem Jambe, die Magd des Keleos, sie durch ihre Possen aufgeheitert, den ihr von der Königin Metanira darge¬ botenen Kykeon getrunken und so zum ersten Male seit ihrem Verluste wieder etwas genossen hatte. Mit Andacht trank man zuerst jenen Kykeon, ein Ge¬ misch aus Mehl und Wasser, der mit Pökel und andern Zuthaten gewürzt war, dann konnte man andere Speisen und Getränke zu sich nehmen, doch waren gewisse Nahrungsmittel und Genüsse für die heilige Zeit verboten. Ans diesen Schmaus folgte der verborgene Theil der Feier im Innern des Tempels. Der Fackelträger erhellte die dunklen Räume desselben, der Hierophant zeigte und erklärte die hier verwahrten heiligen Dinge, der Herold wies die Mysten an, wie sie sich ferner zu verhalten hätten. Ans die Frage Grenzboten I. 1877. 15

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/121>, abgerufen am 23.07.2024.