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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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rieth die Legislatur aufzulösen, in Südcarolina duldete er die unverschämte
Anmaßung des Gouverneurs Lord Montagu. der z. B. einen Palast ver¬
langte, in dem Bostoner Hafen ließ er zwölf Kriegsschiffe mit über 260 Ka¬
nonen auffahren.

Illinois und Jndiana gaben aber trotzdem die Hoffnung auf Freiheit
nicht auf und wehrten sich gegen den Despotismus; die Legislatur von Vir-
ginien beschränkte trotz des Widerspruches des Königs im April 1772 den Neger¬
handel, denn es wimmelte von Negersklaven; sie erklärte diesen Handel für
"ganz unmenschlich" und theilte Georg III. ihre Ansicht mit, unterstützt von
sämmtlichen Colonien. Wenn auch der König keine runde Antwort auf die
Petition gab. so hielt er doch den schmählichen Handel im Gange. In
Rhode-Jsland ward die Bevölkerung der Plackereien durch den Capitain des
Schoners Gaspee müde, begann ein Handgemenge und verbrannte den
Schoner am 10. Juni 1772, ohne daß nach Hutchinson's Wunsch Hinrichtungen
daraus erfolgt wären. Solcher Verkehrtheiten hatten sich endlich so viele
angehäuft, daß Hillsborough im Aug. 1772 abgehen mußte. Freilich setzte
Lord Dartmouth die Politik der Krone in Betreff Amerikas fort.

Große Erbitterung erregte überdies in der Colonie die Besoldung
Hutchinson's und der anderen Richter durch die Krone, während bisher die
Colonie den Sold gegeben. Hierin sah man nicht nur den Bruch mit dem
alten Herkommen, sondern auch die nahe liegende Gefahr, anstatt gerechter
Justiz eine käufliche, königlich englische Justiz zu erhalten; solche Richter be¬
trachtete man als Schergen des königlichen Gelüstes, Freie zu Sklaven zu
machen und als Parteigänger gegen die Colonialsreiheit. Dieser Anlaß
zeitigte das Auftreten der revolutionären Ansichten; Massachusetts schien die
Wahl gestellt sofort alle Freiheiten zurückzufordern oder sich loszureißen. Am
28. Okt. 1772 beantragte Samuel Adams auf der Bostoner Bürgerversamm¬
lung die Wahl eines Correspondenz-Conn6 von 21 Gliedern, welches die
Rechte der Colonisten sammt allen dagegen geführten Streichen der Welt
darlegen sollte; dies hieß das Urtheil der Welt einholen, ob man zur Revo¬
lution vorgehen dürfte. Schon am 3. Nov. trat das Conn6 an, in ihm
überwog das Ansehen seines Schöpfers als des größten Politikers von Neu-
England; er dachte jetzt an Erkämpfung der Unabhängigkeit, während sein
Genosse Joseph Warren noch an Versöhnung glaubte. In dem Berichte
vom 20. Nov. wurden die natürlichen Rechte der Colonisten auf Leben, Frei¬
heit, Eigenthum und Vertheidigung dieser Güter dargelegt und ihre Be¬
rechtigung ausgesprochen, die Unterthanenpflicht abzuschütteln, sobald sie un¬
erträglich auf ihnen laste, und jene Rechte mit dem Schwerte zu ertrotzen.
Neben diese Rechte "als Menschen, Christen und Unterthanen", worin mit
König und Parlament die Kriegssprache geredet war, stellten die Bostoner


rieth die Legislatur aufzulösen, in Südcarolina duldete er die unverschämte
Anmaßung des Gouverneurs Lord Montagu. der z. B. einen Palast ver¬
langte, in dem Bostoner Hafen ließ er zwölf Kriegsschiffe mit über 260 Ka¬
nonen auffahren.

Illinois und Jndiana gaben aber trotzdem die Hoffnung auf Freiheit
nicht auf und wehrten sich gegen den Despotismus; die Legislatur von Vir-
ginien beschränkte trotz des Widerspruches des Königs im April 1772 den Neger¬
handel, denn es wimmelte von Negersklaven; sie erklärte diesen Handel für
„ganz unmenschlich" und theilte Georg III. ihre Ansicht mit, unterstützt von
sämmtlichen Colonien. Wenn auch der König keine runde Antwort auf die
Petition gab. so hielt er doch den schmählichen Handel im Gange. In
Rhode-Jsland ward die Bevölkerung der Plackereien durch den Capitain des
Schoners Gaspee müde, begann ein Handgemenge und verbrannte den
Schoner am 10. Juni 1772, ohne daß nach Hutchinson's Wunsch Hinrichtungen
daraus erfolgt wären. Solcher Verkehrtheiten hatten sich endlich so viele
angehäuft, daß Hillsborough im Aug. 1772 abgehen mußte. Freilich setzte
Lord Dartmouth die Politik der Krone in Betreff Amerikas fort.

Große Erbitterung erregte überdies in der Colonie die Besoldung
Hutchinson's und der anderen Richter durch die Krone, während bisher die
Colonie den Sold gegeben. Hierin sah man nicht nur den Bruch mit dem
alten Herkommen, sondern auch die nahe liegende Gefahr, anstatt gerechter
Justiz eine käufliche, königlich englische Justiz zu erhalten; solche Richter be¬
trachtete man als Schergen des königlichen Gelüstes, Freie zu Sklaven zu
machen und als Parteigänger gegen die Colonialsreiheit. Dieser Anlaß
zeitigte das Auftreten der revolutionären Ansichten; Massachusetts schien die
Wahl gestellt sofort alle Freiheiten zurückzufordern oder sich loszureißen. Am
28. Okt. 1772 beantragte Samuel Adams auf der Bostoner Bürgerversamm¬
lung die Wahl eines Correspondenz-Conn6 von 21 Gliedern, welches die
Rechte der Colonisten sammt allen dagegen geführten Streichen der Welt
darlegen sollte; dies hieß das Urtheil der Welt einholen, ob man zur Revo¬
lution vorgehen dürfte. Schon am 3. Nov. trat das Conn6 an, in ihm
überwog das Ansehen seines Schöpfers als des größten Politikers von Neu-
England; er dachte jetzt an Erkämpfung der Unabhängigkeit, während sein
Genosse Joseph Warren noch an Versöhnung glaubte. In dem Berichte
vom 20. Nov. wurden die natürlichen Rechte der Colonisten auf Leben, Frei¬
heit, Eigenthum und Vertheidigung dieser Güter dargelegt und ihre Be¬
rechtigung ausgesprochen, die Unterthanenpflicht abzuschütteln, sobald sie un¬
erträglich auf ihnen laste, und jene Rechte mit dem Schwerte zu ertrotzen.
Neben diese Rechte „als Menschen, Christen und Unterthanen", worin mit
König und Parlament die Kriegssprache geredet war, stellten die Bostoner


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/94>, abgerufen am 29.06.2024.