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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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ihm schürte sein böser Dämon, der unsittliche Generalanwalt Thurlow. In
Massachusetts reizte mittlerweile der Gouverneur die Legislatur durch lauter
Nergeleien, ohne damit die Autorität irgend zu festigen. Nach und nach
erlahmte in den Colonien der Widerwille gegen den Import englischer
Waaren; als aber New-Uork im Juli wieder Alles außer Thee zu importiren
beschloß, erklärten die heftigen Patrioten dies für unwürdig. Trotzdem be¬
gann von neuem der Handel zwischen Amerika und England, nur der Thee
blieb in Acht und Aberacht. Besteuerten Thee zu trinken, galt als Ver¬
brechen, in feierlichen Balladen entsagte man seinem Genusse, trank aber
heimlich den vorräthigen Thee weiter und ließ sich von Holländern und
Schweden wie Amerikanern unverzollten Thee zustellen. Im September 1770
benachrichtigte Hutchinson Boston, sein Hafen werde geschlossen und zum
Sammelplatze aller in Nordamerika stationirenden Schiffe gemacht und die
ihn dominirende Festung unter einem englischen Offiziere in Vertheidigungs¬
zustand versetzt werden; zugleich sollte das Commando aus Hutchinson's
Händen in die des Obercommandanten Gage übergehen, was schnöde den
Freibrief der Colonie zerriß. Hutchinson's blinde Untertänigkeit empörte
Senat und Volk der Colonie, was Turgot in Frankreich mit Frohlocken als
einen Schritt näher zum Aufstande begrüßte. Noch immer scheute jedoch
Boston vor offenem Bruche zurück, als Agenten schickte es zum Könige den
Vice-Generalpostmeister Amerikas, Franklin; dieser hocherfahrene Geist, ein
Mann ohne Vorurtheil, der tiefsinnige Ergründer der Elektricität, des Elek¬
trophors und des Blitzableiters, sollte dem Könige die Beschwerden Amerikas
vorlegen und den Blitz von Boston abzulenken suchen.

Aber ein Uriasbrief Hutchinson's an Hillsborough. den Colonien-Minister,,
ging ihm zuvor, worin stand, man möge Franklin nicht als Agenten von
Massachusetts anerkennen. Der eifrigste und rührigste Bekämpfer der englischen
Anmaßungen war Samuel Adams in Massachusetts, der nimmer duldete,
daß nach und nach alle Macht in den Colonien auf England oder den
König übergehe. Mit der Devise "Unabhängig sind wir und wollen es
bleiben" trat er den königlichen Anmaßungen und Hutchinson entgegen, der
von ihm sagte, "er würde morgen den Continent zur Empörung führen,
wenn es in seiner Macht stünde". Er bahnte eine Correspondenz unter den
Freiheitsfreunden an, denn es schien ihm Ehrensache die Tyrannei wie einst
die beiden Brutus zu bekämpfen, "nächst Gott muß Amerika selbst seine
Erlösung bewirken". Mit Protest wies Massachusetts die Forderung zurück,
den verhaßten Zollbeamten Steuerfreiheit zu gewähren, wie der starrköpfige
Hillsborough verlangt hatte. Hillsborough verfuhr so täppisch, daß er es
darauf anzulegen schien, die Colonien zu reizen und England zu entfremden,
in Georgia verwarf er die Wahl des musterhaften Patrioten Jones und


ihm schürte sein böser Dämon, der unsittliche Generalanwalt Thurlow. In
Massachusetts reizte mittlerweile der Gouverneur die Legislatur durch lauter
Nergeleien, ohne damit die Autorität irgend zu festigen. Nach und nach
erlahmte in den Colonien der Widerwille gegen den Import englischer
Waaren; als aber New-Uork im Juli wieder Alles außer Thee zu importiren
beschloß, erklärten die heftigen Patrioten dies für unwürdig. Trotzdem be¬
gann von neuem der Handel zwischen Amerika und England, nur der Thee
blieb in Acht und Aberacht. Besteuerten Thee zu trinken, galt als Ver¬
brechen, in feierlichen Balladen entsagte man seinem Genusse, trank aber
heimlich den vorräthigen Thee weiter und ließ sich von Holländern und
Schweden wie Amerikanern unverzollten Thee zustellen. Im September 1770
benachrichtigte Hutchinson Boston, sein Hafen werde geschlossen und zum
Sammelplatze aller in Nordamerika stationirenden Schiffe gemacht und die
ihn dominirende Festung unter einem englischen Offiziere in Vertheidigungs¬
zustand versetzt werden; zugleich sollte das Commando aus Hutchinson's
Händen in die des Obercommandanten Gage übergehen, was schnöde den
Freibrief der Colonie zerriß. Hutchinson's blinde Untertänigkeit empörte
Senat und Volk der Colonie, was Turgot in Frankreich mit Frohlocken als
einen Schritt näher zum Aufstande begrüßte. Noch immer scheute jedoch
Boston vor offenem Bruche zurück, als Agenten schickte es zum Könige den
Vice-Generalpostmeister Amerikas, Franklin; dieser hocherfahrene Geist, ein
Mann ohne Vorurtheil, der tiefsinnige Ergründer der Elektricität, des Elek¬
trophors und des Blitzableiters, sollte dem Könige die Beschwerden Amerikas
vorlegen und den Blitz von Boston abzulenken suchen.

Aber ein Uriasbrief Hutchinson's an Hillsborough. den Colonien-Minister,,
ging ihm zuvor, worin stand, man möge Franklin nicht als Agenten von
Massachusetts anerkennen. Der eifrigste und rührigste Bekämpfer der englischen
Anmaßungen war Samuel Adams in Massachusetts, der nimmer duldete,
daß nach und nach alle Macht in den Colonien auf England oder den
König übergehe. Mit der Devise „Unabhängig sind wir und wollen es
bleiben" trat er den königlichen Anmaßungen und Hutchinson entgegen, der
von ihm sagte, „er würde morgen den Continent zur Empörung führen,
wenn es in seiner Macht stünde". Er bahnte eine Correspondenz unter den
Freiheitsfreunden an, denn es schien ihm Ehrensache die Tyrannei wie einst
die beiden Brutus zu bekämpfen, „nächst Gott muß Amerika selbst seine
Erlösung bewirken". Mit Protest wies Massachusetts die Forderung zurück,
den verhaßten Zollbeamten Steuerfreiheit zu gewähren, wie der starrköpfige
Hillsborough verlangt hatte. Hillsborough verfuhr so täppisch, daß er es
darauf anzulegen schien, die Colonien zu reizen und England zu entfremden,
in Georgia verwarf er die Wahl des musterhaften Patrioten Jones und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/93>, abgerufen am 26.06.2024.