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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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ihre Beschwerden über die Anmaßung des Parlamentes, daß es in den Colo-
nien ohne deren Zustimmung Abgaben erhebe und hierzu Beamte anstelle, die
es mit nicht verfassungsmäßiger Autorität bekleide, daß es diese durch Flotten
und Heere mitten im Frieden unterstütze, daß es aus den nicht ver¬
fassungsmäßigen Abgaben eine Civilliste für die vom Könige jetzt ganz
abhängigen Richter aussetze, daß es königliche Instruktionen drückend an¬
wende, daß es über Gebühr die Gewalt der Mac-Admiralitätsgerichte aus¬
dehne, daß es an Deportation amerikanischer Bürger nach England denke,
u. dergl. in.

Nach Abschluß dieses gewaltigen Sündenregisters riefen die Bostoner
endlich ganz Massachusetts zur Wahrung seiner alten Verfassung in die
Schranken.

So hatte denn bis jetzt England von seinen Zollakten in den Colonien
nur Verdruß und Kosten, und selbst Minister begannen den Streit für er¬
folglos anzusehen. Der Colonien-Minister Dartmouth sagte, die Aussöhnung
mit Amerika würde er als das glücklichste Ereigniß seines Lebens ansehen. Jetzt
kam die Geheimcorrespondenz Hutchinson's und seines Genossen Oliver zu
Tage, man sah, wie Beamte in Amerika England am ärgsten gegen Amerika
angespornt, und Franklin ließ die Briefein der Heimath veröffentlichen. Ganz
Massachusetts sprach sich in Versammlungen nach Bostons Vorbild gegen englische
Tyrannei und für Union und Unabhängigkeit, aus. Rhode-Jsland, die
Rache Englands wegen der Verbrennung des Gaspee befürchtend, fragte bei
Samuel Adams an, was zu thun sei, wenn England die Schuldigen nach
England schaffen oder den Freibrief der Colonie zerreißen wolle und erhielt
zur Antwort, ein solcher Fall würde alle Colonien zu einem Bunde ver¬
knüpfen als Eingriff in die Freiheiten aller. Er sagte, den Krieg als unver¬
meidlich erkennend: "Der unglückselige Kampf zwischen Britanien und
Amerika wird in Strömen von Blut enden, aber Amerika kann seine Hände
in Unschuld waschen."

So brach das Jahr 1773 an. Umsonst bemühte sich Hutchinson aus
seinen Urkunden den versammelten Städten von Massachusetts den Beweis
zu liefern, die Freibriefe der Colonien seien keine Verträge zwischen selb¬
ständigen Parteien, sondern einzig widerrufbare Bewilligungen von Rechten
durch den König; umsonst hoffte er gleichzeitig die Colonien jetzt zur Ent¬
scheidung zu drängen, so daß sie entweder die Autorität des Parlaments an¬
erkennten und damit ihre Wortführer selbst desavouirten oder diese Autorität
unbedingt verwürfen und somit die Krone zu neuen und schärferen Gewalt¬
maßregeln reizten. Samuel Adams leugnete entschieden die legislative Gewalt
des Parlaments in den Colonien ab und die Repräsentanten von Massa-


ihre Beschwerden über die Anmaßung des Parlamentes, daß es in den Colo-
nien ohne deren Zustimmung Abgaben erhebe und hierzu Beamte anstelle, die
es mit nicht verfassungsmäßiger Autorität bekleide, daß es diese durch Flotten
und Heere mitten im Frieden unterstütze, daß es aus den nicht ver¬
fassungsmäßigen Abgaben eine Civilliste für die vom Könige jetzt ganz
abhängigen Richter aussetze, daß es königliche Instruktionen drückend an¬
wende, daß es über Gebühr die Gewalt der Mac-Admiralitätsgerichte aus¬
dehne, daß es an Deportation amerikanischer Bürger nach England denke,
u. dergl. in.

Nach Abschluß dieses gewaltigen Sündenregisters riefen die Bostoner
endlich ganz Massachusetts zur Wahrung seiner alten Verfassung in die
Schranken.

So hatte denn bis jetzt England von seinen Zollakten in den Colonien
nur Verdruß und Kosten, und selbst Minister begannen den Streit für er¬
folglos anzusehen. Der Colonien-Minister Dartmouth sagte, die Aussöhnung
mit Amerika würde er als das glücklichste Ereigniß seines Lebens ansehen. Jetzt
kam die Geheimcorrespondenz Hutchinson's und seines Genossen Oliver zu
Tage, man sah, wie Beamte in Amerika England am ärgsten gegen Amerika
angespornt, und Franklin ließ die Briefein der Heimath veröffentlichen. Ganz
Massachusetts sprach sich in Versammlungen nach Bostons Vorbild gegen englische
Tyrannei und für Union und Unabhängigkeit, aus. Rhode-Jsland, die
Rache Englands wegen der Verbrennung des Gaspee befürchtend, fragte bei
Samuel Adams an, was zu thun sei, wenn England die Schuldigen nach
England schaffen oder den Freibrief der Colonie zerreißen wolle und erhielt
zur Antwort, ein solcher Fall würde alle Colonien zu einem Bunde ver¬
knüpfen als Eingriff in die Freiheiten aller. Er sagte, den Krieg als unver¬
meidlich erkennend: „Der unglückselige Kampf zwischen Britanien und
Amerika wird in Strömen von Blut enden, aber Amerika kann seine Hände
in Unschuld waschen."

So brach das Jahr 1773 an. Umsonst bemühte sich Hutchinson aus
seinen Urkunden den versammelten Städten von Massachusetts den Beweis
zu liefern, die Freibriefe der Colonien seien keine Verträge zwischen selb¬
ständigen Parteien, sondern einzig widerrufbare Bewilligungen von Rechten
durch den König; umsonst hoffte er gleichzeitig die Colonien jetzt zur Ent¬
scheidung zu drängen, so daß sie entweder die Autorität des Parlaments an¬
erkennten und damit ihre Wortführer selbst desavouirten oder diese Autorität
unbedingt verwürfen und somit die Krone zu neuen und schärferen Gewalt¬
maßregeln reizten. Samuel Adams leugnete entschieden die legislative Gewalt
des Parlaments in den Colonien ab und die Repräsentanten von Massa-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/95>, abgerufen am 01.07.2024.