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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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Stadt zu gehen und alle Schleudergeschosse bei den Althändlern auszulaufen.
So fand jene Fabrik eine bequeme Gelegenheit, ihre Producte anzubringen,
und bei dem Anblick dieser Raritäten gehen selbst Zangemeister die Augen
auf." Im Juli 1875 hatte dieser jeden Gedanken an einen modernen Be¬
trug weit weggeworfen, im Januar 1876 räumt er ein, "daß es Fälscher
giebt von einer bisher nicht bekannten paläographischen Kenntniß und Ge¬
wandtheit, und daß denselben eine Methode der Fälschung zu Gebote steht,
mit welcher echte Biele auf ganz mechanischem Wege copirt und ganze fingirte
Stücke mit antiker Palma versehen werden können." -- Nach ihm haben die Fäl¬
scher nicht nur Münzlegenden in ausgedehntem Maße, sondern selbst Lesarten
und Erklärungen von Mommsen undDesjardins, ja sogar die Bonner Jahrbücher
benutzt." -- "Indem er die neue Sammlung Arpini preisgiebt, läßt er
auch die frühere Pariser, jetzt Berliner Collectio" fallen, deren Authenticität
ihm bisher über allem Zweifel erhaben schien." Kurzum, "die literarische
Fehde, die Zangemeister im Auftrage Mommsen's mit solcher Sieges¬
gewißheit unternommen hatte, endet für ihn mit einer eclatanten Nie¬
derlage."

Und nun Tableau auf der Bühne. Abermalige Frontveränderung der
Armee. Hatten die Mommsen'schen, Zangemeister voran, Bergl "maßlose
Zweifelsucht vorgeworfen, so geht Z. jetzt weit über die Verdächtigungen,
welche ich aussprach oder Z. mir andichtete, hinaus." -- Hat Berlin sich
durch ein betrügerisches Machwerk täuschen lassen, dann darf auch die Bonner
Sammlung nicht länger für echt gelten. Z. verlangt, daß für jedes ein¬
zelne Stück der unumstößliche Beweis der Echtheit geführt, d. h. daß er¬
wiesen werde, daß es von einer durchaus zuverlässigen und competenten Per¬
sönlichkeit ausgegraben und daß es nicht erst neuerdings in den Boden gelegt
worden sei. -- "Ja, Z. dehnt dies auf alle aus älteren Publicationen be¬
kannten Exemplare, auf alle in neueren Sammlungen vorhandenen Stücke
aus; auch hier sei das äußerste Mißtrauen gerechtfertigt. Dieß erinnert an
das Schreckensregemint der ersten französischen Revolution, wo das eine
Wort "susxket" einem Todesurtheile gleich war. Es ist der Standpunkt der
reinen Negation, hier hört jede wissenschaftliche Discussion auf, diese patho¬
logische Erscheinung gehört einem andern Gehecke an."

Wir kommen zum Schluß unserer Excerpte. "Die Pflicht eines com-
mandirenden Generals ist es, in der Schlacht sein theures Leben nicht den
feindlichen Kugeln auszusetzen; so hielt sich auch Mommsen zuletzt im Hin¬
tergrunde, er figurirte im letzten Acte dieses Dramas nur als stumme Per¬
son. Wenn es aber erlaubt ist, aus der Haltung seines Genossen einen
Schluß zu ziehen, ist er wieder im Stadium seines ursprünglichen Scepti-
cismus angelangt. Während Mommsen sich in der Akademie der Wissen-


Stadt zu gehen und alle Schleudergeschosse bei den Althändlern auszulaufen.
So fand jene Fabrik eine bequeme Gelegenheit, ihre Producte anzubringen,
und bei dem Anblick dieser Raritäten gehen selbst Zangemeister die Augen
auf." Im Juli 1875 hatte dieser jeden Gedanken an einen modernen Be¬
trug weit weggeworfen, im Januar 1876 räumt er ein, „daß es Fälscher
giebt von einer bisher nicht bekannten paläographischen Kenntniß und Ge¬
wandtheit, und daß denselben eine Methode der Fälschung zu Gebote steht,
mit welcher echte Biele auf ganz mechanischem Wege copirt und ganze fingirte
Stücke mit antiker Palma versehen werden können." — Nach ihm haben die Fäl¬
scher nicht nur Münzlegenden in ausgedehntem Maße, sondern selbst Lesarten
und Erklärungen von Mommsen undDesjardins, ja sogar die Bonner Jahrbücher
benutzt." — „Indem er die neue Sammlung Arpini preisgiebt, läßt er
auch die frühere Pariser, jetzt Berliner Collectio» fallen, deren Authenticität
ihm bisher über allem Zweifel erhaben schien." Kurzum, „die literarische
Fehde, die Zangemeister im Auftrage Mommsen's mit solcher Sieges¬
gewißheit unternommen hatte, endet für ihn mit einer eclatanten Nie¬
derlage."

Und nun Tableau auf der Bühne. Abermalige Frontveränderung der
Armee. Hatten die Mommsen'schen, Zangemeister voran, Bergl „maßlose
Zweifelsucht vorgeworfen, so geht Z. jetzt weit über die Verdächtigungen,
welche ich aussprach oder Z. mir andichtete, hinaus." — Hat Berlin sich
durch ein betrügerisches Machwerk täuschen lassen, dann darf auch die Bonner
Sammlung nicht länger für echt gelten. Z. verlangt, daß für jedes ein¬
zelne Stück der unumstößliche Beweis der Echtheit geführt, d. h. daß er¬
wiesen werde, daß es von einer durchaus zuverlässigen und competenten Per¬
sönlichkeit ausgegraben und daß es nicht erst neuerdings in den Boden gelegt
worden sei. — „Ja, Z. dehnt dies auf alle aus älteren Publicationen be¬
kannten Exemplare, auf alle in neueren Sammlungen vorhandenen Stücke
aus; auch hier sei das äußerste Mißtrauen gerechtfertigt. Dieß erinnert an
das Schreckensregemint der ersten französischen Revolution, wo das eine
Wort „susxket" einem Todesurtheile gleich war. Es ist der Standpunkt der
reinen Negation, hier hört jede wissenschaftliche Discussion auf, diese patho¬
logische Erscheinung gehört einem andern Gehecke an."

Wir kommen zum Schluß unserer Excerpte. „Die Pflicht eines com-
mandirenden Generals ist es, in der Schlacht sein theures Leben nicht den
feindlichen Kugeln auszusetzen; so hielt sich auch Mommsen zuletzt im Hin¬
tergrunde, er figurirte im letzten Acte dieses Dramas nur als stumme Per¬
son. Wenn es aber erlaubt ist, aus der Haltung seines Genossen einen
Schluß zu ziehen, ist er wieder im Stadium seines ursprünglichen Scepti-
cismus angelangt. Während Mommsen sich in der Akademie der Wissen-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/339>, abgerufen am 20.10.2024.